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Im Wahlkampfmodus: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat noch das Betriebsrätestärkungsgesetz auf den Weg gebracht. Mehr passiert nicht mehr bis zur Wahl. Foto: Imago
© imago images/Bildgehege

Arbeitsminister Hubertus Heil im Wahlkampf: Politik für das Schaufenster

Das Gesetz zur Begrenzung befristeter Arbeitsverträge wird es in dieser Legislatur nicht mehr geben. Ein Thema für den Wahlkampf.

Der Bundesarbeitsminister gehört zu den auffälligsten Mitgliedern der Bundesregierung. Mithilfe einer großzügigen Kurzarbeitsregelung kommt das Land ohne Massenentlassungen durch die Pandemie, und nebenbei hat Hubertus Heil das Werkvertragsunwesen in der Fleischindustrie beendet. Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz erfüllt der SPD-Mann einen Wunsch der Gewerkschaften, und in wenigen Wochen präsentiert Heil den ersten Bericht des „Rat der Arbeitswelt“, den er Anfang 2020 berufen hatte. Das war’s dann für diese Legislaturperiode. Der gerade erst vorgelegte Gesetzentwurf zur Einschränkung befristeter Arbeitsverhältnisse gehört in die Kategorie „so tun als ob“.

Mindestlohn soll auf zwölf Euro steigen

Die Union will den Koalitionsvertrag an dieser Stelle nicht mehr umsetzen – und Heil auch nicht. Denn das Thema lässt sich gut im Wahlkampf spielen und verspricht sogar mehr Aufmerksamkeit als die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro, für die sich SPD, Grüne und Linke einsetzen: Der Mindestlohn betrifft bestimmte Beschäftigtengruppen vor allem im Dienstleistungsbereich. Befristungen dagegen gibt es in allen Branchen und Berufen. Vor allem Berufsanfänger sind betroffen – und die hofft die SPD für sich gewinnen zu können.

40 Prozent der Neueinstellungen sind befristet

2019, im letzten Jahr vor Corona, waren 37 Prozent aller Neueinstellungen hierzulande befristet. 2020 ist dieser Anteil sogar auf knapp 40 Prozent gestiegen. „In Zeiten des strukturellen Wandels ist es ein wichtiges Anliegen, die Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass die Menschen mit Zuversicht in ihre Zukunft blicken können“, begründet Heil den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts“. In dem Entwurf hat der Minister das aufschreiben lassen, was im Koalitionsvertrag steht: Um Missbrauch bei den Befristungen abzuschaffen, „dürfen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen“. Wird die Quote überschritten, gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet. Ferner sollte die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nur noch für die Dauer von 18 statt bislang von 24 Monaten erlaubt sein.

Die Quote kann kaum kontrolliert werden

Aber mit der Quote ist das so eine Sache. Angeblich haben kurz vor Redaktionsschluss die Arbeitsmarktpolitiker der Union die 2,5 Prozent in den Koalitionsvertrag geschrieben. Heute ist parteiübergreifend Konsens, dass dieser Ansatz nicht umsetzbar ist, da Arbeitsverträge individuell sind und sich ohne Verstöße gegen Vertraulichkeit und Datenschutz keine Quote ermitteln lässt. Auch der DGB und die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände sehen das so. Trotzdem stehen die 2,5 Prozent in Heils Entwurf. Das ist nicht weiter schlimm, denn die Gesetzesvorlage „ist für das Schaufenster“, wie es in der Koalition heißt.

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Im Schaufenster liegt bereits ein Papier von Heil und dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz über die „Weiterentwicklung des Mindestlohns“. Der Stundensatz beträgt aktuell 9,50 Euro und steigt in drei weiteren Schritten auf 10,45 Euro zum 1. Juli 2022. Das reicht den SPD-Politikern nicht. Wenn Scholz Kanzler wird, dann soll der Mindestlohn 2022 „auf mindestens zwölf Euro ansteigen“.

Rat der Arbeitswelt legt Bericht vor

Im Zusammenhang mit der Agenda 2010 sind arbeitsmarktpolitische Maßnahmen getroffen worden, die den Niedriglohnsektor sowie prekäre Beschäftigung stark wachsen ließen. Die SPD korrigiert nun nach und nach ihre eigene Politik – und kann dazu auch auf die Expertise des Rats der Arbeitswelt zurückgreifen, der am 18. Mai gemeinsam mit dem Auftraggeber Heil seinen ersten Bericht vorlegen wird. Ein Kapitel widmet sich prekären Arbeitsverhältnissen wie Minijobs. Die Ratsmitglieder, darunter Wissenschaftler, Gewerkschafter und Unternehmer, plädieren für eine Abschaffung der derzeitigen 450-Euro-Stellen, weil sie dazu beitragen, dass Beschäftigungspotenziale nicht ausgeschöpft werden. Und in der Coronazeit ist deutlich geworden, wie die Minijobber durch das soziale Netz rutschen. Prekär Beschäftigte verdienen nicht nur schlecht, sie sind auch weitgehend schutzlos.

Bessere Bedingungen für Betriebsräte

Mehr Schutz gibt es künftig für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen Betriebsrat gründen wollen. Das vereinfachte Wahlverfahren wird ausgeweitet und die Zahl der erforderlichen Unterschriften für Wahlvorschläge reduziert. Damit wird die Gründung von Betriebsräten insbesondere in kleineren Betrieben erleichtert. Die Zahl der gegen ordentliche Kündigungen besonders geschützten Einladenden zu Wahlversammlungen wird dazu von drei auf sechs erhöht. Ferner sollen Betriebsräte bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit ein Mitbestimmungsrecht erhalten.

Die Union unterstützt das Betriebsrätestärkungsgesetz und begründet das unter anderem mit dem Ziel einer höheren Tarifbindung: In 78 Prozent der Unternehmen mit Betriebsrat wird nach Tarif gezahlt, aber nur in 25 Prozent der Firmen ohne Betriebsrat. Zur Stärkung der Tarifbindung der Unternehmen hatte Heil ursprünglich ein bundesweites Tariftreuegesetz für öffentliche Auftraggeber geplant. Aber auch das wird nichts mehr in dieser Legislaturperiode. Alfons Frese

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