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Jörg Handwerg ist gerade sehr gefragt. Der Sprecher der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit kommentiert vor den Mikros den Beginn des Streiks.
© dpa

Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg: "Piloten sollen eingeschüchtert werden"

Das Verhältnis zwischen Lufthansa und der Vereinigung Cockpit ist zerrüttet. Mit dem Tagesspiegel spricht Jörg Handwerg von der Pilotengewerkschaft über Führungsstil und Verhandlungen, die keine sind.

Es ist der neunte Streik von 5400 Lufthansa-Piloten in diesem Jahr. Rund 1400 Flüge fielen und fallen am Montag und Dienstag aus, 150.000 Passagiere sind betroffen. Streikgrund ist nach Angaben der Vereinigung Cockpit (VC) die Übergangsversorgung für die Piloten. Aber es geht wohl auch um die Billig-Strategie der Lufthansa. Zum Streik, den erneut gescheiterten Verhandlungen und den Hintergründen für Konflikt äußerte sich VC-Sprecher und Lufthansa-Pilot Jörg Handwerg im Gespräch mit unserem Korrespondenten Rolf Obertreis.

Warum sind die Verhandlungen mit Lufthansa erneut gescheitert?

Auf Seiten des Lufthansa-Managements ist kein ernsthafter Einigungswille erkennbar. Wir sehen sogar einen Unwillen des Vorstands, überhaupt mit uns Tarifverträge abzuschließen.

Es gab also zuletzt keine neuen Vorschläge der Lufthansa.

Beim Thema Vergütung gab es eine Annäherung. Das ist nicht der Knackpunkt. Aber bei allen wichtigen Strukturfragen wie der Übergangsversorgung sehen wir eine Verweigerungshaltung, auch wenn die Lufthansa in der Öffentlichkeit den gegenteiligen Eindruck erweckt. Die Lufthansa will Versorgungsleistungen für die jungen Kollegen komplett streichen.

Was fordert VC konkret bei der Übergangsversorgung?

Wir wollen keinen unsolidarischen Bruch zwischen jüngeren und älteren Piloten. Das ist auch nicht notwendig. Es geht hier um circa 0,1 Prozent der gesamten Kosten der Lufthansa. Dafür nimmt der Vorstand den mittlerweile neunten Streik in Kauf. Er will sich aus der sozialen Verantwortung für die Piloten stehlen.

Und er bevorzugt offenbar ein autokratisches Führungsmodell. Piloten sollen eingeschüchtert werden und Angst haben. Nach dem Motto: Sie bekommen das, was wir ihnen zugestehen, und nicht mehr. Da wird dann auch mal auf China verwiesen. Was dort gehe, müsse auch bei Lufthansa möglich sein. Eine solche Attitüde macht eine Einigung unmöglich.

Das Verhältnis ist schwer ramponiert.

Das ist nicht erst seit gestern so. Dabei wollen auch die Piloten ihren Beitrag zur gedeihlichen Entwicklung der Lufthansa leisten. Das geht nicht, wenn der Vorstand gegen das Personal agiert und Tarifstrukturen zerschlagen will.

Es gibt Stimmen, die sagen, es geht VC gar nicht um die Übergangsversorgung, sondern um Widerstand gegen die Billig-Konzepte der Lufthansa.

Uns geht es um die Übergangsversorgung. Für das Billigkonzept gibt es eine Tarifvereinbarung aus dem Jahr 2004, die das Gehaltsniveau eindeutig regelt. Über mögliche tarifliche Änderungen müssen wir reden. Das Management behauptet einfach, die Vereinbarung sei nicht mehr gültig.

Unbestritten ist die schwierige Wettbewerbssituation der Lufthansa. Stichworte Billigflieger und Golf-Airlines.

Trotz der Konkurrenz hat die Lufthansa keinen Passagierrückgang zu verzeichnen. Von 2010 bis 2013 gab es sogar ein Plus von 15 Prozent. Die Piloten sind bereit, einen Beitrag zur Kostensenkung zu leisten. Aber nicht, indem alle Tarifverträge über Bord geworfen werden. Der Druck der Golf-Airlines kann nicht über die Personalkosten abgefedert werden. Wenn Lufthansa um 20 Prozent nach unten geht, wird dort um 25 Prozent abgesenkt.

Die grundsätzlichen Vorteile der Golf-Airlines wie Subventionen oder niedrige Abgaben kann Lufthansa nicht wettmachen. Auch im Blick auf Ryanair nutzen Gehaltsabsenkungen nichts. Wohl aber neuen Angebote, über die man aber reden muss.

Warum gibt es keinen Schlichter?

Daran hat Lufthansa kein Interesse. Sie will auf keinen Fall eine Übergangsversorgung, die auch für die jungen Piloten gilt. Wo wollen Sie da schlichten?

Die Streiks schädigen die Lufthansa finanziell, viele Kunden fliegen mit anderen Airlines. Die Piloten sägen am Ast, auf dem sie selbst sitzen.

Natürlich schaden Streiks dem Unternehmen. Aber dafür ist maßgeblich das Management verantwortlich. Wer streikt, sägt natürlich auch ein wenig am Ast, auf dem er sitzt. Aber wir haben keine andere Möglichkeit. Der neunte Streik ist bedauerlich, aber es geht nicht anders.

Der Rückhalt für die Piloten in der Öffentlichkeit schwindet, die Verärgerung wächst.

Natürlich nerven Streiks. Streiks sind aber auch für Piloten kein Vergnügen, sondern letztes Mittel. Nur wenn wir dem Unternehmen und dem Management wehtun, gibt es eine Chance auf einen Kompromiss. Aber von außen ist die Thematik schwer zu verstehen. Das Personal ist für den Vorstand leider nur ein auswechselbarer Faktor. Da können wir nicht einfach zuschauen.

Wie sehen die 120.000 übrigen Lufthanseaten die Pilotenstreiks?

Selbst viele Mitarbeiter kennen die Lage der Piloten nicht im Detail. Aber es gibt viele Kollegen, die hinter uns stehen. Schließlich agiert die Lufthansa auch gegenüber den Mitarbeitern am Boden nur noch mit Angst. Die deutschen Stationen werden gerade geschlossen, Mitarbeiter sollen zu Sub-Unternehmen mit erheblichen schlechteren Konditionen wechseln.

Es wird also weitere Streiks geben.

Neue Verhandlungen machen nur Sinn, wenn es im Vorstand einen ernsthaften Lösungswillen gibt. Den können wir derzeit nicht erkennen. Wenn die Piloten zu Zugeständnissen bereit sind, etwa Gehaltsabsenkungen von 20 Prozent bei den geplanten Anflügen von touristischen Zielen, fordert das Management entgegen erster Zusagen auf einmal 30 Prozent. So geht man nicht miteinander um.

Wird es an Weihnachten Streiks geben?

Nein, an den Weihnachtstagen werden die Piloten mit Sicherheit nicht streiken.

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