Umfragen durch BKK und Marburger Bund: Pflegekräfte sind besonders oft krank
In Heimen und Krankenhäusern fehlen Fachkräfte. Verdi und Marburger Bund fordern Mindestpersonal per Gesetz. Neues SPD-Konzept für Berliner Kliniken.
Drei Monate vor der Bundestagswahl fordern Krankenkassen, Gewerkschafter und Fachpolitiker mehr Geld für Kliniken und Heime. Dabei soll es um bessere Arbeitsbedingungen in Deutschlands größter Branche, dem Gesundheitswesen, gehen. Denn gerade in der Pflege werden einer neuen Studie zufolge viele Beschäftigte dauerhaft krank. So fielen Pflegekräfte den Betriebskrankenkassen (BKK) zufolge 2015 im Schnitt 24 Tage aus, während es in den anderen Branchen 16 Tage waren. Am Mittwoch stellten die BKK in Berlin ihren aktuellen „Gesundheitsatlas“ vor.
Schwestern und Pfleger leiden demnach besonders oft unter psychischen Störungen und Muskel- und Skelettleiden – was auch mit Stress, Überstunden, fehlender Wertschätzung und dem Heben bettlägriger Patienten erklärt wird. Die Fehltage nehmen laut BKK–Atlas seit Jahren zu. Fast 40 Prozent der Pflegekräfte in Heimen bewerten ihre Arbeitsfähigkeit als mäßig oder schlecht, in den Kliniken sind es ein Drittel – damit liegt die Zunft klar über dem Durchschnitt aller Beschäftigten. Diesen Aspekt bezeichnen die BKK als repräsentativ.
Mehr Zeit für das Privatleben, weniger Bürokratie und vor allem mehr Personal fordern die Klinikärzte - das bezieht sich explizit auch auf die Pflege. Dies geht aus einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Umfrage des Marburger Bundes hervor. Die mächtige Ärztegewerkschaft befragt regelmäßig die Mediziner in den Krankenhäusern befragt.
Pflegekräfte in Berlin 28 Tage krankgeschrieben
In Berlin weisen die befragten Heimmitarbeiter mit fast 28 Fehltagen den höchsten Schnitt auf. Auch Daten der DAK hatten zuletzt ergeben, dass Berliner öfter krankgeschrieben sind – insbesondere im Gesundheitswesen. In Deutschland arbeiten 3,2 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen, in Berlin sind es 240 000 – was mehr als jeder zehnte Erwerbstätige ist.
Zur Vorstellung des BKK–Reports sagte Sylvia Bühler von der Gewerkschaft Verdi, Deutschland sei europaweit Schlusslicht bei der Personalausstattung in der Pflege. In den Nachtschichten sei eine Mitarbeiterin im Schnitt für 26 Patienten zuständig. Zudem belasteten die Beschäftigten die prekären, befristeten Arbeitsverhältnisse. Wegen der üblichen Teilzeit erhält eine ausgebildete Altenpflegerin in Ostdeutschland oft nur 1800 Euro brutto im Monat. Wiederholt forderte die Verdi-Vorstandsfrau mehr Personal – der Staat müsse Mindestbesetzungen verlangen und kontrollieren. Ärzte brauchten funktionierende Teams, sagte auch MB-Chef Rudolf Henke. Deshalb bräuchte das Land dringend verbindliche Personalvorgaben.
Der Bundestag hatte kürzlich beschlossen, dass die Kassen und die Krankenhausgesellschaft bis Juni 2018 verbindliche Pflegepersonaluntergrenzen für sensible Klinikbereiche festzulegen haben. Man brauche vielmehr neues Personal auf allen Stationen, sagte Bühler, zumal keine Schicht mehr von nur einer Pflegekraft allein besetzt sein sollte. Die geplante Personalregel für „pflegesensitive Bereiche“ sei nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, teilte die Deutsche Stiftung Patientenschutz mit. Gesetzlich gilt: Der Staat bezahlt Bauten und Technik der relevanten Kliniken, die Kassen das Personal und die Medikamente.
SPD: Zehn Prozent des Sondervermögens an die Kliniken
Bislang gelang es nur den Beschäftigten der Berliner Charité, eine Mindestbesetzung durchzusetzen. Über Jahre war es auf den Normalstationen der Charité üblich geworden, dass eine Fachkraft bis zu zwölf Kranke pro Schicht versorgte. Durch einen 2016 abgeschlossenen Tarifvertrag sollen es mittelfristig nicht mehr als zehn Patienten sein.
In Berlin, wo die Rettungsstellen massiv überlastet sind, wurde am Mittwoch ein Konzept aus der Landes-SPD vorgestellt: Thomas Isenberg, Gesundheitsexperte im Abgeordnetenhaus, fordert darin die Investitionen in die oft sanierungsbedürftigen Kliniken der Stadt von 100 Millionen Euro im Jahr auf 150 Millionen Euro zu erhöhen. Auch die landeseigenen Vivantes-Häuser brauchen Hilfe. SPD-Mann Isenberg zufolge werden 2017 rund 355 Millionen Euro Steuereinnahmen erwartet, 2018 und 2019 jeweils geschätzt 400 Millionen Euro. Von den vom rot-rot-grünen Senat geführten Sondervermögen für die wachsende Stadt sollten zehn Prozent in die Kliniken fließen. „Jahrelang ist auf Kosten der Patienten sowie der Beschäftigten im Gesundheitswesen gespart worden“, sagte Isenberg. „Wir brauchen eine deutliche Trendwende, die wir im neuen Landeshaushalt sicherstellen müssen.“ Am Mittwoch debattierten auch die Berliner Grünen, wie die Kliniken langfristig zu finanzieren seien.
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