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Ein Leopard-2-Panzer auf der Teststrecke
© dpa

Rüstungsexporte nach Griechenland: Panzer in der Schuldenkrise

Griechenland zählte trotz wirtschaftlicher Probleme zu den besten Kunden deutscher Rüstungsfirmen – heute wiegt die Altlast schwer. Trägt Deutschland eine Mitschuld an den Milliardenschulden?

Es ist der vorläufige Tiefpunkt einer milliardenschweren, fragwürdigen Handelsbeziehung. Deutsche Rüstungskonzerne haben in den ersten drei Monaten des Jahres Rüstungsgüter mit einem Gegenwert von lediglich 323160 Euro nach Griechenland geliefert – im Vorjahreszeitraum beliefen sich die Ausfuhren noch auf ein Volumen von rund 8,1 Millionen Euro. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei im Bundestag hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Hochgerechnet auf das Gesamtjahr würde das einen historischen Tiefstand bedeuten – denn obwohl Griechenland schon seit fast acht Jahren schwerste wirtschaftliche Probleme hat, blieb es weiterhin ein verlässlicher Kunde der deutsche Rüstungsindustrie. Wie die Zahlen aus dem Bundeswirtschaftsministerium zeigen, wurden noch 2014 Rüstungsgüter im Wert von rund 14 Millionen Euro nach Griechenland exportiert.

DIE ZAHLEN

Egal ob U-Boote, „Eurofighter“-Kampfflugzeuge oder „Leopard-2“-Kampfpanzer: Wenn es in den vergangenen Jahren um Aufrüstung ging, griff Griechenland gerne auf Rüstungsgüter „Made in Germany“ zurück. Laut Daten des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) stammten ein gutes Viertel aller griechischen Rüstungsexporte zwischen 2002 und 2011 aus Deutschland – einzig aus den USA wurden demnach noch mehr Kriegswaffen und Rüstungsgüter importiert. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt zählte Athen in der vergangenen Dekade zu den Nato-Mitgliedstaaten mit den höchsten Verteidigungsausgaben. Zwischen 3,5 Prozent (2003) und 2,4 Prozent (2013) des BIP wurden von den Griechen für den Wehretat jährlich aufgewendet. 2013 reichte es damit für den dritten Platz unter den Nato-Staaten: Nur England und die USA gaben mehr Geld für Armee und Rüstungsprojekte aus.

Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage, inwiefern die milliardenschweren deutschen Rüstungsdeals zur Schuldenmisere in Griechenland beigetragen haben. Laut griechischen Berechnungen machten die Militärausgaben vor Beginn der Krise 2008 etwa ein Viertel der bis dato angehäuften griechischen Schulden aus. Die Bundesregierung drückt sich vor einer klaren Aussage: In ihrer Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion verweist sie zwar auf EU-Statistiken zu den griechischen Militäreinkäufen, ein mögliches deutsches Verschulden erwähnt sie aber nicht.

DIE VERANTWORTLICHEN

Dass durchaus eine Wechselbeziehung zwischen griechischen Schulden und deutschen Rüstungsexporten besteht, darauf lassen die Zahlen früherer Rüstungsexportberichte der Bundesregierung schließen. Demnach wurden seit dem Eurobeitritt Griechenlands 2001 bis 2014 ganze 2,5 Prozent der griechischen Verteidigungsausgaben exklusiv für deutsche Kriegswaffen und Rüstungsgüter ausgegeben. Einen Höhepunkt erreichte die deutsch-griechische Rüstungsbeziehung 2007, als deutsche Rüstungskonzerne Kriegswaffen im Wert von 289 Millionen Euro nach Griechenland lieferten.

Für Jan van Aken, der als Rüstungsexperte der Linksfraktion die Anfrage gestellt hat, steht angesichts der Zahlen eine Mitschuld fest: „Die Bundesregierung hat jedes einzelne Geschäft genehmigt, manche direkt befördert, sei es durch Hermes-Bürgschaften, sei es durch Ausbildungshilfe für diese Waffen. An irgendeinem Punkt wäre die simple Frage ,Wofür braucht ihr all das Zeug?’ zwingend gewesen.“ Es sei offensichtlich gewesen, dass für diese Masse an bestellten Kampfpanzern kein Bedarf in Griechenland bestand.

DIE KORRUPTION

Bei den Geschäften deutscher Rüstungskonzerne mit Griechenland wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten ordentlich bestochen. So wurde beispielsweise einem Milliardendeal zwischen Griechenland, Ferrostaal und Thyssen-Krupp über den Bau von U-Booten zu Beginn der Nullerjahre nachweislich mit 62 Millionen Euro Schmiergeld nachgeholfen, Ferrostaal musste in Deutschland eine Strafzahlung von 140 Millionen Euro leisten. Die Waffenschmiede Rheinmetall verdonnerte die Bremer Staatsanwaltschaft wegen Bestechung in Griechenland zur Zahlung von 37 Millionen Euro. Gegen rund 20 Ex-Rheinmetall-Manager wird noch strafrechtlich ermittelt, zwei von ihnen sollen sich auch persönlich bereichert haben. In Griechenland sagte der ehemalige Spitzenbeamte Antonis Kantas aus, auch von KraussMaffeiWegmann (KMW) 1,7 Millionen Euro für ein Geschäft über 170 Leopard-2-Panzer für insgesamt 1,7 Milliarden Euro kassiert zu haben. Der Konzern bestreitet das. Kantas, auf dessen Konten Ermittler bis zu 15 Millionen Euro fanden, war für die Ausschreibung des Panzerdeals verantwortlich. Die Skepsis gegen den Kauf der Panzer, die er zunächst als „zu teuer“ deklariert habe, habe er sich von KMW abkaufen lassen, so Kantas Aussage.

Im Kontext mit Ermittlungen wegen des Verkaufs von 200 Panzerhaubitzen sitzt ein ehemaliger KMW-Manager in Deutschland in Untersuchungshaft. In Griechenland laufen derweil Ermittlungen gegen Rheinmetall, den deutsch-französischen Hubschrauberhersteller Airbus Helicopters und die Bremer STN Atlas.

Der Text beruht in Teilen auf einer deutsch-griechischen Recherchekooperation des Tagesspiegels, die von der Robert Bosch-Stiftung und dem EU-Journalismfund gefördert wird.

Johannes C. Bockenheimer, Elisa Simantke

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