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Wirtschaft: 600 000 Euro in der Reisetasche

Schmiergeldvorwürfe gegen deutsche Rüstungskonzerne in Athen / Ex-Beamter des Verteidigungsministeriums packt aus.

Athen - Antonios Kantas war anfangs kein großer Freund des Leopard. Der deutsche Kampfpanzer sei „unverhältnismäßig teuer, die Beschaffung unnötig“, notierte der stellvertretende Leiter der Rüstungsabteilung im griechischen Verteidigungsministerium Anfang des vergangenen Jahrzehnts. Damals verhandelte Griechenland mit dem deutschen Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW) über die Lieferung von 170 Leopard 2A6. Dass Kantas dann doch noch zu einem Leo-Fan wurde und die Bestellung befürwortete, hängt mit einem Besuch im Dezember 2001 zusammen.

An einem Nachmittag habe ihn der griechische Repräsentant von KMW in seinem Büro aufgesucht und für den Panzer geworben, berichtete Kantas jetzt den Ermittlungsrichtern. Der Firmenvertreter habe eine Reisetasche dabeigehabt, die er beim Verlassen des Büros auf dem Sofa liegen ließ. Er sei noch auf den Flur geeilt und habe gerufen: „Du hast deine Tasche vergessen.“ Der Besucher habe im Weggehen geantwortet: „Die Tasche ist für dich.“ Kantas habe dann die Tasche geöffnet und darin 600 000 Euro gefunden. „Von da an hatte ich keine Bedenken mehr gegen den Leopard“, sagte der frühere Beamte.

Es war nicht die einzige „Provision“, die Kantas in seinen sechs Dienstjahren von 1996 bis 2002 in der Beschaffungsabteilung des griechischen Verteidigungsministeriums kassierte: 1,5 Millionen für die Bestellung von Asrad-Luftabwehrgeschützen, eine Million für die Modernisierung von Kampfpanzern des US-Typs M-48, 800 000 Euro für die Bestellung von Mirage-Kampfflugzeugen, weitere Millionen für U-Boote, Radargeräte und Exocet-Raketen – es scheint in Griechenland in jenen Jahren kein Rüstungsprogramm gegeben zu haben, bei dem keine Bestechungsgelder flossen. Und nicht nur Kantas hat die Hand aufgehalten. Sein Chef Giannis Sbokos, der frühere Leiter der Rüstungsabteilung, und der seinerzeitige sozialistische Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos wurden zu 20 und 16 Jahren Haft verurteilt.

Kantas sitzt seit Mitte Dezember in Untersuchungshaft. Zuvor hatten griechische Ermittler 17,6 Millionen Dollar auf einem Bankkonto in Singapur entdeckt. Das Konto gehörte einer Briefkastenfirma, die mit Kantas in Verbindung gebracht wird. In den viertägigen Vernehmungen legte Kantas jetzt ein umfassendes Geständnis ab – obwohl: Er habe so viele Schmiergelder erhalten, dass er sich an manche Fälle gar nicht mehr erinnere. Immerhin konnte Kantas den Ermittlern Auskunft über knapp elf Millionen geben, die bei 13 Beschaffungsprogrammen an ihn geflossen seien. Neben Firmen aus Schweden, den USA, Frankreich, Russland und Israel sind Vertreter der deutschen Rüstungsunternehmen KMW, Rheinmetall, Ferrostaal und Atlas in die Affäre verwickelt. Allein für die Leopard-Bestellung, die ein Auftragsvolumen von 1,7 Milliarden Euro hatte, habe er 1,7 Millionen bekommen.

Gegen Rheinmetall und Atlas ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlicher Bestechung. KMW dementierte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, dass man „Schmiergeld gezahlt oder habe zahlen lassen“. Auch die Athener Firma Axon, die KMW und andere Firmen vertritt, bestreitet Zahlungen. Die von Kantas erzählte Geschichte mit den 600 000 Euro in der Tasche könne schon deshalb nicht stimmen, weil im Dezember 2001 noch kein Euro-Bargeld im Umlauf gewesen sei. Gerd Höhler

Gerd Höhler

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