Anreize für Autokäufer: Öko-Bonus statt Abwrackprämie
Die deutsche Autoindustrie spekuliert auch in der Coronakrise wieder auf staatliche Absatzhilfen. Schon in der Finanzkrise waren die Prämien umstritten.
Parallel zum geplanten Hochlauf der Fabriken nimmt die Debatte über staatliche Hilfen für die Autoindustrie an Fahrt auf. Nach einem Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder brachten über Ostern Stimmen aus der Industrie Kaufanreize ins Gespräch. Vermieden wurden zwar Ähnlichkeiten mit der Abwrackprämie des Finanzkrisenjahres 2009 (die regierungsamtlich „Umweltprämie“ hieß). Aber in diese Richtung ist man unterwegs.
Ob Markus Söder („Auto-Programm“), BMW-Chef Oliver Zipse („Innovationsprämie“), VW-Einkaufsvorstand Stefan Sommer („Investitionen in das Konsumverhalten“) oder die niedersächsischen Politiker und VW-Aufsichtsräte Bernd Althusmann und Stephan Weil („Kauf- bzw. Abwrackprämie“) – einen direkten staatlichen Zuschuss für Autokäufer können sich partei- und markenübergreifend alle vorstellen. Und: Alle wollen die Prämie, die innovative, klimafreundliche Technologien fördert.
Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach schlägt üppige Rabatte beim Autokauf vor. Zusätzlich zur E-Auto-Kaufprämie in Höhe von 6.000 Euro könnte der Staat weitere 4.000 Euro locker machen, sagte der Wirtschaftsprofessor am Donnerstag bei einer virtuellen Pressekonferenz. Für Hybridautos schlägt er einen Zuschuss von insgesamt 6.000 Euro vor.
Weil aber die Vorstellungen im Detail, wer und was genau gefördert werden sollen, auseinandergehen – BMW/Söder sind eher für eine Prämie für Hybridfahrzeuge, Volkswagen/Weil/Althusmann eher für reine E-Autos –, spricht die Branche noch nicht mit einer Stimme. Deshalb äußert sich auch der Verband VDA (noch) nicht. Es werden Gespräche geführt, Positionen abgestimmt.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagte am Donnerstag, konjunkturelle Stützungsmaßnahmen seien wohl notwendig, „um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und im Besonderen die Nachfrage nach Fahrzeugen wieder anzukurbeln“. Was konkret nötig sei, können aber erst nach der Öffnung der Autohäuser abgeschätzt werden. "Dann sehen wir, wie sich die Kunden verhalten. Aber erst im Herbst über mögliche Nachfrageimpulse zu reden, wird zu spät sein."
Umweltverbände schlagen Alarm
Aktuell ist man mit noch drängenderen Dingen beschäftigt. „Bevor wir ein Auto verkaufen können, müssen wir es produzieren“, heißt es. Noch stehen die Bänder still, die Lieferketten sind gerissen, der Handel ist geschlossen, die Zulassungsstellen sind nicht besetzt. „Eine Prämie ist der zweite Schritt“, hört man in der Branche. Gebannt warten alle auf die Entscheidungen der Regierung, welche Einschränkungen wann gelockert werden.
Umweltverbände sehen die Vorstöße aus der Politik und den Unternehmen skeptisch. „Es darf keinen Euro Förderung für Diesel, Benziner oder Plug-in-Hybride mehr geben“, erklärte Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup. „Wem die Zukunft der deutschen Autoindustrie am Herzen liegt, der muss jetzt klarmachen, dass es staatliche Hilfen nur für kleine Elektroautos geben kann.“
Ablehnung kam auch von den Grünen: Wenn überhaupt, führe eine Abwrackprämie zu einem Strohfeuer, sagte Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer. Der Verkehrsexperte der Umweltorganisation BUND, Jens Hilgenberg, sagte, pauschale und aus Steuergeld finanzierte Kaufbeihilfen seien der falsche Weg. Die Vergabe öffentlicher Gelder müsse an ökologische Kriterien geknüpft sein.
„Ursache für hohe CO2-Emissionen im Straßenverkehr ist die Abwrackprämie 2009“, twitterte Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Wenn wir diesen Fehler wiederholen, werden wir die Klimaziele 2030 nicht erreichen.“
Die Umweltwirkungen der Abwrackprämie sind umstritten. 2009 reichte der Staat insgesamt fünf Milliarden Euro aus; 2500 Euro pro Neuwagen – ohne CO2-Limit – und wenn ein mindestens neun Jahre alter Gebrauchtwagen verschrottet wurde. In der Folge sprangen die Neuzulassungen um 23 Prozent auf 3,8 Millionen Fahrzeuge.
Hatte die Abwrackprämie einen positiven Klimaeffekt?
Die Erneuerung der Flotte führte nach einer Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung im Auftrag des Bundesumweltministeriums dazu, dass der Spritverbrauch und der CO2-Ausstoß der knapp 1,7 Millionen geförderten Autos um rund ein Fünftel niedriger lag als bei den abgewrackten Autos. Eine andere, im Auftrag der OECD erstellte Untersuchung kam hingegen zu dem Ergebnis, dass vor allem größere, PS-stärkere Neuwagen und Diesel gekauft wurden – mit entsprechend negativen Wirkungen auf die Emissionen.
Eine Wiederbelebung der Abwrackprämie ist aber auch aus Sicht der deutschen Autobauer nicht uneingeschränkt wünschenswert. So stiegen zwar die Neuwagenverkäufe 2009 steil an. Ebenso steil fielen sie aber wieder im Jahr darauf – um mehr als 900 000 auf 2,9 Millionen Fahrzeuge. Erst 2012 lag das Niveau nach dem Strohfeuer wieder auf dem Vorkrisenlevel.
Hinzu kam: Die Verbraucher hatten sich an hohe Rabatte gewöhnt, was den Preisdruck stark ansteigen ließ – und die erhofften Umsatzsteuergewinne für den Finanzminister reduzierte.
Das traditionell starke Segment der gewerblichen Kunden, die zwei Drittel der Neuzulassungen ausmachen, schrumpfte auf weniger als 40 Prozent. Außerdem sorgte die Prämie für eine starke Nachfrage nach preisgünstigen ausländischen Kleinwagen. Gleichzeitig brachen die Preise auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein, vor allem für gut erhaltene Fahrzeuge deutscher Premiummarken.
„Es war klar, dass sich das hohe Niveau des Prämienjahres nicht halten lassen würde“, tröstet man sich rückblickend in der Branche. „Wichtig war vor allem, dass die Unternehmen aus dem Tal kamen.“ Das immerhin ist 2009 gelungen. Ob sich das im Coronajahr 2020 wiederholen lässt – diesmal mit Öko-Bonus –, muss sich zeigen.
Eine Alternative, die Verschiebung von Emissionszielen in der EU, will die Automobilbranche derzeit noch weniger offen diskutieren als eine Prämie. „Darauf zu setzen, die Erreichung von CO2-Zielen zu strecken, dürfte auf der europäischen Ebene kaum durchzusetzen sein und würde hohe Investitionen der Unternehmen infrage stellen“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil.
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