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In Rio ist auch der Euro Thema. Die USA sehen Deutschland in der Pflicht.
© Kai-Uwe Heinrich

Vor dem G20-Gipfel: Obamas Euro-Risiko

Die Euro-Krise wird das beherrschende Thema des G-20-Gipfels in Mexiko sein. Sie ist für die USA ebenfalls sehr gefährlich - gleichzeitig nützt sie ihnen auch. Nicht, dass sie eigene Probleme lösen hilft. Sie erfüllt eine ganz andere Funktion.

Die meisten Amerikaner sehen sich wegen der Euro-Krise in einer ungewohnten Situation. Sie ist der alles überragende Faktor, hat großen Einfluss auf die eigene Wirtschaftsentwicklung und entscheidet womöglich den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl. Wenn der Euro in die Knie geht, wenn Griechenland oder andere Staaten aus der gemeinsamen Währung ausscheiden, so die Befürchtung, dann werde das die Weltwirtschaft erschüttern

Das zaghafte Wachstum in Amerika werde einbrechen. Bei steigender Arbeitslosigkeit aber sinken Präsident Obamas Chancen auf eine Wiederwahl im November. Wann gab es dieses Gefühl zuletzt, dass Amerikaner in so hohem Maße von der Entwicklung im Ausland abhängig sind und so wenig Einfluss auf den Gang der Ereignisse haben?

Die Euro-Krise dient andererseits als eine bequeme Erklärung für die eigenen Schwierigkeiten. Wann immer unangenehme ökonomische Nachrichten zu verkünden sind, folgt der Hinweis auf das hinderliche weltwirtschaftliche Umfeld und ganz speziell auf die Risiken in Europa: zum Beispiel, als die Arbeitslosenrate, die seit ihrem Höchststand von rund zehn Prozent im November 2010 gesunken war, im Mai 2012 wieder leicht anstieg, von 8,1 auf 8,2 Prozent. Und ebenso, als das bis April recht zuversichtliche Konsumentenvertrauen in die Wirtschaftsentwicklung im Mai und Juni zurückging und die Wachstumserwartungen für 2012 nach unten korrigiert wurden.

News aus Europa haben nun Prominenz in Amerika. Früher kam die Alte Welt dort nur selten in die Schlagzeilen; eine griechische Parlamentswahl hätte man ignoriert. Nun spekulieren US-Medien bereits seit Tagen, wie die Griechen entscheiden und was die Folgen sein werden. Zuvor zählten Berichte zu spanischen Banken zu den „Breaking News“.

Die Euro-Krise wird das beherrschende Thema des G-20-Gipfels in Mexiko sein. Die Regierung Obama vertritt die Position, dass eine weitere Zuspitzung um jeden Preis vermieden werden muss. Die Euro-Länder – voran Deutschland – sollen die nötigen Mittel aufbringen, um die Märkte zu beruhigen. Obama preist Amerikas Reaktion nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 als Vorbild an. Die Notenbank, die Regierung und das Parlament fluteten das System mit Geld – zunächst ohne Rücksicht darauf, wer die Rechnung am Ende bezahlt. Die wachsende Verschuldung galt als ein zu vernachlässigendes Übel.

Obama versteht, warum Kanzlerin Angela Merkel einen anderen Kurs verfolgt. Sie will keinen Blankoscheck zu Lasten der deutschen Steuerzahler unterzeichnen. Sie nutzt die Krise als Druckmittel, damit die Sorgenstaaten Reformen einleiten. Obama hat jedoch andere Prioritäten. Er möchte die Unsicherheit beendet sehen – wegen der Folgen für die US-Wirtschaft und wegen seiner Wahlchancen.

Eine wichtige Rolle spielen unterschiedliche historische Erfahrungen. Amerikas Trauma ist eine lang anhaltende Depression wie in den 1930er Jahren. Der Staat hatte sie noch verschärft, weil er kein Geld in die Wirtschaft pumpte. Deutschlands Trauma ist dagegen Inflation. Kanzlerin Merkel wird beim Gipfel erneut den Druck Obamas spüren, die finanziellen Garantien für die Euro-Zone zu erhöhen und mehr für Wachstum zu tun. Doch Amerika ist für Europa kein Vorbild. Seine Schulden sind gefährlich hoch – und bisher hat es nicht ernsthaft etwas dagegen unternommen.

Christoph von Marschall

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