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Einen Tresor in modischem Bordeauxrot.
© picture alliance / dpa

Zinspolitik: Nur Bares ist Wahres

Bei der Zentralbank zahlen Banken Strafzinsen. Deshalb könnten sie bald häufiger Geld im Tresor horten – genauso wie Verbraucher.

Nikolaus von Bomhard ist sauer. Er sei „fassungslos und entsetzt“, sagt er. Was den Chef des Rückversicherers Munich Re so aufregt, ist eine Zahl. 0,4 Prozent. So hoch ist mittlerweile der Strafzins, den Finanzinstitute zahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Früher hat man sie dafür noch belohnt. Doch die Zeiten sind vorbei. Zuletzt hat die Zentralbank den Strafzins sogar noch einmal erhöht. Bomhard geht das zu weit, er will bei dem Spiel nicht mehr mitmachen. Wie das gehen soll? Er packt das Geld einfach in den Tresor, statt es zur EZB zu bringen. Neben Goldbarren hat die Munich Re bereits einen zweistelligen Millionenbetrag gebunkert. „Wir probieren das jetzt einfach mal aus“, sagt Bomhard.

Noch ist er einer der wenigen Vorstandschefs, die sich offen dazu bekennen, Bargeld zu horten. Dabei scheint das mittlerweile fast der einzige Ausweg zu sein, wenn Banken kurzfristig Geld irgendwo parken wollen, ohne kräftig draufzuzahlen. Auch mehrere Sparkassen in Süddeutschland sollen deshalb prüfen, ob sie schon bald hohe Summen einfach in den Safe packen sollten. Der bayerische Sparkassenverband stellt in einem Rundschreiben die Frage, ob die Aufbewahrung im Tresor nicht „wirtschaftlicher sein könnte“ als die Einlage bei der EZB.

Eine Einladung für Kriminelle

Die Berliner Banker sind davon noch nicht überzeugt. Bei der Berliner Sparkasse heißt es, solche Überlegungen gebe es im Haus derzeit nicht. Auch bei der Berliner Volksbank hält man das Lagern von hohen Geldsummen im Tresor für „keine Lösung“. Für Kriminelle wäre das geradezu eine Einladung, sagt Bereichsleiter Michael Schröder. „Das können Sie gar nicht versichern.“ Auch Robert Heiduck, Sprecher der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS) meint: „Das ist kein Geschäftsmodell.“

Dabei ist die strikte Ablehnung dieser Idee gerade für die Banken im Osten Deutschlands verwunderlich. Ihre Bilanzen sind fast alle stark passivlastig: Das heißt, sie sammeln von ihren Kunden viel mehr Spareinlagen ein, als sie an Krediten an Unternehmen ausreichen können. Die Folge: Die Institute sitzen auf hohen Summen, die sie am Kapitalmarkt sicher anlegen oder bei der EZB deponieren müssen. Doch Ersteres ist derzeit alles andere als einfach, Letzteres teuer.

Aus eben diesem Grund hat der bayerische Sparkassenverband nachgerechnet: Was kostet es seine Mitgliedsinstitute tatsächlich, Bargeld im Tresor zu verwahren? Die Antwort: Es ist weniger als erwartet. 1,50 Euro zahlen die Sparkassen demnach pro 1000 Euro, die sie absichern wollen. Das ist viel weniger, als die EZB an Strafzinsen verlangt: Für 1000 Euro kassiert sie vier Euro.

Bargeld horten lohnt sich nicht

Dabei geht es in der Summe um viel Geld. Zusammen haben die europäischen Banken derzeit 245 Milliarden Euro bei der EZB geparkt. Pro Jahr nimmt sie dafür 980 Millionen Euro Strafzinsen. Das schmälert die Gewinne der Banken. Und es macht es ihnen noch schwerer, Sparern ihrerseits Zinsen zu zahlen.

Dass die meisten Institute trotzdem große Summen noch nicht im Tresor horten, wie es Bomhard testet, hat einen Grund. Denn Bargeld kostet. Neben der Versicherung, die dafür fällig wird, müssen die Banken auch mehr Sicherheitspersonal beschäftigen und mehr für Geldtransporte zahlen. Berücksichtigt man das, hat es sich für die Banken bislang wohl tatsächlich noch nicht gelohnt, Bargeld zu horten. Das vermutet zumindest die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).

Denn hätten die Institute mehr Bares eingelagert, wäre die Summe der Euro-Scheine, die im Umlauf sind, stärker angestiegen, heißt es in einer Analyse der BIZ. Erstellt haben die Experten sie allerdings kurz vor dem letzten Zinsentscheid – also bevor die EZB die Strafzinsen noch einmal um 0,1 Prozentpunkte angehoben hat.

Nachfrage nach Tresoren steigt

Klar ist: Die EZB spielt mit den Banken, sie testet aus, wie stark sie die Strafzinsen erhöhen kann. So bezeichnet Ökonom Hans-Werner Sinn die Tresorkosten als „natürliche Obergrenze für den Strafzins“. Mit anderen Worten: Ab einem gewissen Punkt werden die Banken tatsächlich dazu übergehen, Geld statt bei der EZB im Tresor zu lagern. Die Frage ist nur, wann dieser Punkt erreicht ist.

Geht man von den jüngsten Daten der Branche der Tresor-Hersteller aus, könnte es durchaus sein, dass das schon bald der Fall ist. Denn bei ihnen ist die Nachfrage zuletzt deutlich angestiegen. Laut der Zertifizierungsstelle European Certification Body (ECB) haben die Hersteller in den letzten 12 Monaten acht Prozent mehr Tresore mit hohem Sicherheitsstandard an Gewerbekunden wie Banken verkauft. Acht Prozent ist ein beachtlicher Anstieg, wenn man bedenkt, dass die meisten Banken ohnehin schon große Tresorräume haben. Gut möglich also, dass die Geldhäuser schon einmal aufrüsten, um mehr Bargeld zu halten.

Dabei sind es längst nicht nur die Banken, die darüber nachdenken, das Geld lieber in den Tresor zu packen. Auch Verbraucher tun das. „Die Nachfrage nach Tresoren steigt schon seit Jahren an“, sagt Henning Müller vom Hersteller Pohlschröder Heerum. Bereits seit Ausbruch der Finanzkrise würden die Verkaufszahlen immer weiter zulegen. Und nun haben die Käufer noch einen weiteren Grund, ihr Geld in den Tresor zu legen, statt es den Banken anzuvertrauen. „Der Niedrigzins und der daraus resultierende Wunsch, Gold oder größere Summen im eigenen Safe zu deponieren, ist für einige sicher auch ein Beweggrund für den Tresorkauf“, sagt Dietmar Schake, Vertriebsleiter beim Hersteller Burg Wächter.

Das zeigt sich auch in den Branchenzahlen: In den letzten zwölf Monaten haben die Anbieter demnach 27 Prozent mehr Tresore für den privaten Bereich verkauft als im Vorjahreszeitraum.

Kunden befürchten Negativzinsen

Was die Kunden antreibt, ist dabei die Angst vor Negativzinsen. Noch haben die Banken die Strafzinsen der EZB zwar nicht an die Kleinsparer weitergegeben. Doch in der Branche hält man es nicht für ausgeschlossen, dass auch Sparer irgendwann zahlen müssen, um ihr Geld bei der Bank zu deponieren. „Ändert sich an der EZB-Politik in den nächsten fünf Jahren nichts, werden Banken Verwahrgebühren einführen müssen“, meint zum Beispiel Michael Schröder von der Berliner Volksbank.

Hans-Bernd Wolberg, Chef der genossenschaftlichen WGZ-Bank sieht das ähnlich. Er glaubt, dass die Zinspolitik der EZB deshalb eine Sonderkonjunktur für Schließfächer und Tresore auslösen könnte. Es sei wahrscheinlich, dass ein Kunde, der mehr als 100 000 Euro auf dem Konto hat, es „in den Safe steckt“ – bevor er der Bank auch noch Geld fürs Verwahren zahlt.

Klar ist: Für die Tresorhersteller wäre das ein sicheres Geschäft.

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