Finanzaffäre: Nissan entlässt Carlos Ghosn
Carlos Ghosn muss seinen Posten als Vorsitzender des Nissan-Verwaltungsrats räumen. Er sitzt in Tokio in Haft. Auch an der Spitze von Renault könnte es für ihn eng werden.
Drei Tage nach dem Bekanntwerden eines Finanzskandals hat der japanische Autobauer Nissan seinen langjährigen Topmanager Carlos Ghosn gefeuert. Man habe entschieden, den bisherigen Chef des Verwaltungsrats aus dem Amt zu „entfernen“, teilte das Unternehmen mit. Ermittler hatten den 64-Jährigen Anfang der Woche in Japan verhaftet, weil er gegen Börsenauflagen verstoßen haben soll.
Die Führungsspitze des zweitgrößten Autobauers des Landes besprach am Donnerstag das weitere Vorgehen in der Affäre. Neben Ghosn hatten Fahnder am Montag Nissan-Direktor Greg Kelly festgesetzt. Auch er wurde nun seiner Aufgaben entbunden.
Der Sturz von Ghosn in Japan kommt laut Beobachtern einem Erdbeben in der Branche gleich. Seine Ära bei Nissan endete abrupt: 1999, also vor knapp 20 Jahren, managte der gebürtige Brasilianer den Einstieg von Renault bei dem japanischen Hersteller. In die bis dato beispiellose Auto-Allianz wurde dann auch Mitsubishi eingebunden. „Nissan oder Mitsubishi gäbe es ohne Renault wohl nicht mehr“, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer dem Onlineportal des Senders n-tv.
Internen Ermittlungen zufolge sollen die Manager Geldbezüge in offiziellen Berichten an die japanische Börse falsch dargestellt und in Ghosns Fall viel zu niedrig beziffert haben. Medien hatten berichtet, Ghosn habe seit 2011 über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt 5 Milliarden Yen (rund 40 Mio Euro) Einkommen zu wenig angegeben.
Ghosn ist bei Renault in Frankreich weiter Vorstandschef. Außerdem führt er die gemeinsame weitreichende Allianz der beiden Autobauer, die über Kreuz aneinander beteiligt sind. Nissan bestimmte in Yokohama zunächst keinen Nachfolger für Ghosn, ein Beratungsgremium soll nun über mögliche Nachfolger diskutieren. Der Hersteller bekannte sich ausdrücklich zum Bündnis mit Renault.
Frankreich hält Anteile bei Renault
Insbesondere in Frankreich gibt es Sorgen um den Bestand des von Ghosn aufgebauten und kontrollierten Auto-Imperiums. In Paris wollte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire am Nachmittag mit dem japanischen Wirtschaftsminister Hiroshige Seko zusammentreffen. Beide hatten sich bereits zu Beginn der Krise dazu bekannt, das weltumspannende Auto-Bündnis fortzuführen. Der französische Staat hat bei Renault immer noch gewichtigen Einfluss, er hält 15 Prozent der Anteile.
Im Heimatland von Renault kursieren Vermutungen, dass mehr hinter dem Fall stecken könnte. Der einflussreiche Oppositionspolitiker Laurent Wauquiez warnte vor einer Destabilisierung des Herstellers: „Wir müssen sehr wachsam sein“, forderte der Parteichef der konservativen Republikaner (Les Républicains) im Sender Radio Classique.
„Meine Befürchtung lautet, dass hinter der Ghosn-Affäre die Absicht einer Destabilisierung der Japaner (...) des Renault-Nissan-Konzerns stehen könnte - um ihn zu sprengen, oder um Renault im Inneren des Verbundes zu schwächen“, sagte Wauquiez. Renault beschäftigt nach Regierungsangaben allein in Frankreich rund 47.000 Menschen.
Renault und Nissan noch enger aneinander binden
Die französische Tageszeitung „Le Figaro“ meldete, dass Ghosn Renault und Nissan noch enger aneinander binden wollte. Er soll demnach geplant haben, einen Vorschlag dafür bei der Vorstellung der Renault-Jahreszahlen im Februar kommenden Jahres zu machen, wie das Blatt unter Berufung auf eine namentlich ungenannte Quelle berichtete. Die Zeitung zitierte auch einen Nissan-Manager, wonach die Beziehung Renault/Nissan künftig ausbalancierter sein sollte.
Renault hatte bereits am Dienstag Thierry Bolloré vorläufig die Geschäftsführung übertragen. Ghosn war aber Konzernchef geblieben. Dem Vernehmen nach soll er auch bei Renault auf Dauer nicht mehr haltbar sein, falls sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten. Ein Bezirksgericht in Tokio hatte am Mittwoch entschieden, dass der schillernde Manager zunächst für zehn weitere Tage festgehalten werden soll.
In Frankreich gibt es bereits Spekulationen über mögliche Nachfolger an der Renault-Spitze: Genannt wird neben Bolloré auch der Chef des Autokonzerns PSA, Carlos Tavares. Der Manager, der im vergangenen Jahr mit dem Kauf von Opel Schlagzeilen machte, kann auf eine lange Erfahrung bei Renault zurückblicken. Dudenhöffer sagte mit Blick auf den „Kronprinzen“ Bolloré: „Er hat jetzt den Interimsposten übernommen. Er hätte wohl gute Chancen, in Zukunft eine noch wichtigere Rolle zu spielen.“
Mit der Allianz schuf Ghosn ein riesiges Firmengeflecht. Im vergangenen Jahr verkaufte die Allianz 10,6 Millionen Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge. Der weltgrößte Autobauer Volkswagen setzte nur dank seiner schweren Lkw und Busse noch mehr Fahrzeuge ab. (dpa)
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