Vorwurf der Steuerhinterziehung: Carlos Ghosn bleibt trotz Festnahme Renault-Chef
Der Renault-Verwaltungsrat hat entschieden, dass Carlos Ghosn trotz Festnahme Konzernchef bleibt. Ihm wird Veruntreuung von Firmengeldern vorgeworfen.
Trotz seiner Festnahme in Japan bleibt Carlos Ghosn offiziell Chef des französischen Autobauers Renault. Das beschloss der Verwaltungsrat des Konzerns am Dienstagabend. Zugleich wurde die bisherige Nummer zwei bei Renault, Thierry Bolloré, zum Übergangsvorsitzenden ernannt.
Nach der Festnahme von Carlos Ghosn wegen möglicher Veruntreuung von Firmengeldern waren die Untersuchungen Insidern zufolge auf die Finanzierung der Allianz von Renault und Nissan ausgeweitet worden. Nissan habe den Verwaltungsrat des französischen Partners bereits am Montag über Hinweise auf mögliches Fehlverhalten bei dem Gemeinschaftsunternehmen Renault-Nissan BV in den Niederlanden informiert, sagten drei mit dem Sachverhalt vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Über das Joint Venture überwacht Renault die Aktivitäten der Auto-Allianz. Die Franzosen sind mit 43 Prozent an Nissan beteiligt, der japanische Partner wiederum hält 15 Prozent an Renault.
Am Montag war Carlos Ghosn, einer der erfolgreichsten Manager Frankreichs, in Japan festgenommen worden. Der Chef des Autokonzerns Renault und Verwaltungsratsvorsitzende des japanischen Partners Nissan muss sich wegen Vorwürfen der Veruntreuung und Verstößen gegen japanische Gesetze verantworten. Ghosn (64) soll jahrelang seine Einkünfte falsch angegeben und Firmengelder privat genutzt haben. Die Börse reagierte am Montag schockiert: Der Kurs der Renault-Aktie brach zeitweise um mehr als zwölf Prozent ein.
Nissan ist mit Renault sowie dem japanischen Hersteller Mitsubishi in einer Allianz verbunden. Renault und und Nissan halten daran je 40 Prozent, Mitsubishi 20 Prozent. Ghosn ist seit 2005 Renault-Chef. Der gebürtige Brasilianer mit libanesischen Wurzeln hatte das Unternehmen, an dem der französische Staat 15 Prozent hält, zu einem der weltgrößten Autohersteller neben Volkswagen und Toyota gemacht. Zusammen verkaufen Renault, Nissan und Mitsubishi 10,6 Millionen Fahrzeuge pro Jahr und damit mehr als der Zwölf-Marken-Konzern Volkswagen.
Nissan-Verwaltungsrat fordert Absetzung
Der Verwaltungsrat von Nissan fordert nun die Absetzung des charismatischen Managers Ghosn. Medienberichten zufolge waren Nissan-Mitarbeiter Monate lang vertraulichen Hinweisen nachgegangen, dass Ghosn unter anderem sein Einkommen bei der Tokioter Börse zu niedrig angegeben haben soll. Wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo meldete, soll er über fünf Jahre insgesamt fünf Milliarden Yen (rund 40 Millionen Euro) zu wenig angegeben haben. Wegen Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht will Nissan Ghosn feuern, Vorstandschef Hiroto Saikawa werde dies dem Aufsichtsrat vorschlagen, teilte Nissan am Montag in Tokio mit.
Seit 2010 eng verbunden ist Renault-Nissan auch mit dem Stuttgarter Daimler-Konzern. Dort wollte man die Nachricht von der Festnahme Ghosns am Montag nicht kommentieren. Daimler und Renault-Nissan sind wechselseitig aneinander beteiligt, teilen sich Entwicklungskosten bei bestimmten Fahrzeugtypen und betreiben in Mexiko ein gemeinsames Werk. Renault baut zum Beispiel für Daimler den Kleinwagen Smart, Nissan liefert die Geländewagen der X-Klasse.
Streit mit Daimler um Diesel-Motoren
Unruhe brach kürzlich in dem Bündnis aus, als es um den Vorwurf der Diesel-Manipulation ging. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte in dem Daimler-Transporter Vito eine unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt, Daimler wies dies zurück – und gab außerdem an, die Motoren für den Vito würden von Renault geliefert. Nach einigem Hin und Her mit den Franzosen übernahm Daimler als Hersteller des Fahrzeugs die Verantwortung, will aber weiterhin gegen den KBA-Vorwurf vorgehen.
Die Freundschaft zwischen Daimler- Chef Dieter Zetsche und Carlos Ghosn dürfte allerdings gelitten haben. Und die Festnahme am Montag wird ihr wohl den Rest gegeben haben. In der Branche waren gemeinsame Aufritte von Zetsche und Ghosn früher beliebte Bühnenereignisse. Von der „Dieter-und-Carlos-Show“ war etwa auf dem Pariser Autosalon die Rede.
Schon im Oktober soll ihr Auftritt in Paris aber müde gewirkt haben. Zetsche tritt bei Daimler 2019 als Vorstandsvorsitzender ab, Ghosns Vertrag als Renault-Chef war erst im Februar um vier Jahre verlängert worden. Fraglich ist, ob er ihn noch erfüllen kann.