Bilanz: Neue Töne bei Siemens
Joe Kaeser will die Kommunikation im Unternehmen verbessern – damit nicht mehr so viel schiefgeht.
Immer wieder zieht Joe Kaeser aufmunternd die Augenbrauen hoch und lächelt ins Publikum. Es ist eine doppelte Premiere. Es ist nicht nur das erste Mal, dass Kaeser als neuer Vorstandschef die Jahresbilanz von Siemens vorlegt, zum ersten Mal dürfen auch Mitarbeiter bei der Präsentation dabei sein. Mehr als 600 Interessenten gab es, dann entschied das Los, wer einen der 80 Plätze bekam. Die neue Offenheit ist Teil seines Programms. Kaeser will für mehr Transparenz und bessere Kommunikation im Unternehmen sorgen: „Die Leute haben ein Recht zu erfahren, wo es langgehen soll“, sagt er. Und er will die Stimmung im Unternehmen verbessern.
Probleme gab es in der Vergangenheit genug: Die verspätete Auslieferung der ICE-Züge sorgt seit langem für schlechte Schlagzeilen und großen Unmut beim Kunden Deutsche Bahn. Zu seinen ersten Amtshandlungen habe ein Telefonat mit Bahnchef Rüdiger Grube und der Besuch einer Bahn-Vorstandssitzung gehört, berichtet Kaeser. Er wolle den Kunden zuhören, sagt er. Aber einen Termin für die Lieferung kann er immer noch nicht nennen. Auch andere Dinge gingen gründlich schief: etwa die Anbindung von Hochseewindparks an das Stromnetz oder der kostspielige Ein- und Ausstieg aus der Solarenergie.
Siemens will Risiken künftig schneller erkennen
Damit Siemens die gleichen Fehler in Zukunft nicht noch einmal macht und Risiken vor allem in Großprojekten früher erkannt werden, bündelt der Konzern in Zukunft seine Erfahrungen über Dinge, die gut und Dinge, die schlecht gelaufen sind, in einer Art Wissensplattform. So will das Unternehmen sein Projektmanagement verbessern. Dazu gehört aber auch, dass Informationen über Probleme schneller beim Vorstand ankommen sollen: „Die Mitarbeiter müssen wissen, ihnen wird nicht der Kopf abgerissen, wenn sie sagen: Ich komme hier nicht mehr weiter“, erklärt er.
Erste Schritte zur Neuausrichtung des Unternehmens hat Kaeser in seiner knapp 100-tägigen Amtszeit bereits eingeleitet. So wurde bei der Betreuung der regionalen Geschäfte eine komplette Hierarchie-Ebene gestrichen. Stattdessen berichten die 30 Länder, in denen Siemens mehr als 85 Prozent seines Geschäfts macht, künftig direkt an die zuständigen Mitglieder im Vorstand. Davon verspricht sich Kaeser kürzere Wege, schnellere Entscheidungen und zufriedenere Kunden. Nach der Umsetzung des Sparprogramms 2014 mit einem Abbau von weltweit rund 15 000 Stellen – 5000 davon in Deutschland – will Kaeser den Konzern weiter umbauen. Wie genau, dazu will er sich erst im Mai äußern.
Die Ertragskraft muss besser werden, fordert Kaeser
Nicht zufrieden ist der neue Vorstandschef mit dem am 30. September abgelaufenen Geschäftsjahr, das im Wesentlichen sein Vorgänger Peter Löscher zu verantworten hatte. „Wir sind erheblich unter unserer anfänglichen Prognose geblieben“, konstatiert er. „Ein Unternehmen wie unser Haus muss den Anspruch haben, dass wir nicht nur technisch im Wettbewerb führend sind oder mindestens mithalten können, sondern dies auch in der Ertragskraft nachhaltig erreichen.“ Nach einer Marge von rund 7,5 Prozent im vergangenen soll die Rendite im neuen Jahr wieder um zwei bis drei Prozentpunkte steigen. Derzeit kann Siemens mit Wettbewerbern wie General Electric oder ABB nicht mithalten – auch nicht bei den Erlösen.
Im Schlussquartal stieg der Umsatz auf vergleichbarer Basis um drei Prozent auf 21,1 Milliarden Euro, der Gewinn aus fortgeführten Geschäften sank hingegen um fast 13 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. Der Auftragseingang legte dagegen um drei Prozent auf 21 Milliarden Euro zu. Im Gesamtjahr sank der Gewinn um 400 Millionen auf 4,2 Milliarden Euro. Der Umsatz ging um ein Prozent auf 75,9 Milliarden zurück. Für das neue Geschäftsjahr erwartet Siemens, dass die „Märkte herausfordernd bleiben“, geht aber davon aus, den Umsatz halten zu können. Der Gewinn nach Steuern soll jedoch um 15 Prozent zulegen. Um auch die Aktionäre positiv zu stimmen, kündigte Kaeser ein Aktienrückkaufprogramm im Volumen von vier Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren an. Die Dividende soll bei drei Euro bleiben.
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