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Joe Kaeser wurde als Josef Käser in Niederbayern geboren. 1980 begann er seine Karriere bei Siemens.
© dpa

Neuer Siemens-Chef: Joe Kaeser will erst einmal für Ruhe sorgen

Der Aufsichtsrat bestellt den bisherigen Finanzchef Joe Kaeser einstimmig zum neuen Vorstandvorsitzenden. Im Herbst will er mehr über seine Strategie verraten.

Joe Kaeser hat an diesem Tag eine klare Botschaft: Es muss wieder Ruhe einkehren bei Siemens. „Wir werden vieles so lassen und nur manches ändern“, kündigte er am Mittwoch in München an. Er wählte seine Worte mit Bedacht, legte immer eine bedeutungsvolle Pause ein, wenn er von Ruhe und Ordnung sprach. Wenige Stunden zuvor hatte der Siemens-Aufsichtsrat den 56-Jährigen ehemaligen Finanzchef einstimmig zum Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens bestellt. Priorität habe nicht die nächste Restrukturierung, sondern die Stabilisierung der inneren Ordnung, sagte Kaeser. „Ich will, dass alle unsere Mitarbeiter und alle unsere Kunden und unser Land wieder so stolz auf Siemens sein können wie ich es bin.“ Welche Akzente er im Geschäft setzen wird, will Kaeser im Herbst erläutern.

Löscher tritt "in gegenseitigem Einvernehmen" ab

In den letzten Tagen hatte es reichlich Chaos bei Siemens gegeben. Vergangenen Donnerstag teilte Siemens in einer knappen Meldung mit, sein selbstgestecktes Renditeziel von zwölf Prozent im kommenden Jahr nicht erreichen zu können. Die zweite Gewinnwarnung innerhalb weniger Monate kostete den bisherigen Unternehmenschef Peter Löscher den Posten. Er scheide „in gegenseitigem Einvernehmen aus dem Vorstand der Siemens AG aus“, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Es wäre fatal für die weitere Zukunft des Unternehmens und seiner Mitarbeiter, wenn der eingeschlagene erfolgreiche Kurs der Neuausrichtung durch ein nicht mehr vorhandenes Vertrauensverhältnis in Frage gestellt würde, ließ Löscher mitteilen. „Die Interessen Einzelner, auch meine eigenen, haben hinter dem Wohlergehen des Unternehmens zurückzustehen.“ Löscher trat am Mittwoch nicht mehr in der Öffentlichkeit auf. Auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme erschien nicht.

Zur Veröffentlichung der Quartalszahlen kam nur Joe Kaeser mit dem Kommunikationschef. „Willkommen bei Siemens“, waren seine ersten Worte. Eine Rendite von zwölf oder nur zehn Prozent „das ist nicht ausschließlich entscheidend“, sagte der bisherige Finanzchef. Wichtig sei die Ertragslage im Vergleich zu den Wettbewerbern, betonte er und ließ keinen Zweifel daran, dass er hier besser werden will. Siemens solle sich auf alte Stärken besinnen, auf Zuverlässigkeit, Stetigkeit, Fleiß und Innovation. Es gehe darum, auch über das Jahr 2014 hinaus Perspektiven zu schaffen. An der Börse kam die Botschaft gut an. Nachdem die Aktien am Vormittag ins Minus gerutscht war, legte sie bis Handelsschluss um zwei Prozent auf 82,31 Euro zu.

Kaeser will wissen, was in jedem Geschäft vor sich geht

„Siemens 2014“ so heißt das jüngste Sparprogramm mit rund 20 000 Einzelmaßnahmen, das viel Verunsicherung und Angst ins Unternehmen brachte, weil es wahrscheinlich tausende Jobs kosten wird. „Die beste Perspektive ist zu wachsen“, sagte Kaeser, wobei es um „kontrolliertes, fokussiertes, wertschöpfendes Wachstum“ gehe. Er kündigte an in Zukunft besser kontrollieren zu wollen, „was in jedem Geschäft vor sich geht“. Das nicht zu wissen, zu wenig Ahnung vom operativen Geschäft zu haben, war einer der zentralen Vorwürfe, die Löscher gemacht wurden.

Joe Kaser arbeitet seit 1980 für Siemens. Ganz unbelastet geht er nicht ins neue Amt, immerhin hat er als Finanzchef über Jahre alle Ziele, die Löscher vorgegeben hat, mitgetragen. „Seine Hauptaufgabe wird es sein, neue realistische Ziele auszurufen, vor allem aber den Weg, wie er sie erreichen will“, sagt Christoph Niesel, Fondsmanager bei Union Investment. Die Gesellschaft hält rund ein Prozent der Siemens-Anteile. Niesel traut Kaeser zu, seine Ziele auch umsetzen zu können. „Er ist ganz anders vernetzt als Löscher“, sagt Niesel. „Kaeser kennt sich aus und ist auch in der Lage, die Menschen mitzunehmen.“

Der neue Siemens-Chef will "Mensch und Marge" gleichermaßen im Blick behalten

Siemens müsse wieder ins Gleichgewicht kommen und werde das nur schaffen, wenn man sich von kurzfristig getriebenem Renditedruck verabschiede, stellte IG-Metall-Chef Berthold Huber klar. Und Kaeser erläuterte: Es sei keine unternehmerische Leistung, möglichst viele Arbeitsplätze zu vernichten. „Mensch und Marge“ müssten gleichermaßen im Blick behalten werden. „Was davor und danach kommt, ist nicht so wichtig“, sagte der neue Vorstandschef.

Kaeser lobte seinen Vorgänger Löscher, für den er Hochachtung empfinde. Mit einem internen Manager wäre es weder denkbar noch machbar gewesen, Siemens aus dem Korruptionssumpf zu befreien. Nun geht das Elektrifizierungsunternehmen, wie er es nannte, in eine neue Ära.

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