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Höhere Geschwindigkeiten, mehr Beschleunigungen: Der WLTP-Test soll einen realistischeren Kraftstoffverbrauch zeigen
© Patrick Pleul/dpa

Auto: Neue Tests sollen Spritverbrauch realistischer machen

Seit Monatsbeginn müssen einige Autos in der EU unter neuen Bedingungen auf den Prüfstand. Für Autofahrer kann das jedoch teuer werden

Die „Schaufenster“-Werte sind ein alt bekanntes Ärgernis: Die Angaben, die die Autohersteller zum Spritverbrauch machen, liegen um bis zu 40 Prozent unter den Werten im echten Leben. Doch seit diesem Freitag hat sich da etwas geändert: EU-weit werden nun neue Tests vorgeschrieben. Es ist allerdings noch ein weiter Weg, bis die neuen Verfahren ihre Wirkung entfalten – und auch beim Verbraucher ankommen.

Was ändert sich bei den Testverfahren?

Seit dem 1. September gelten zwei neue Testverfahren. Das eine, genannt RDE, misst den Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub unter realen Bedingungen bei der Fahrt auf der Straße. Bei dem zweiten geht es vor allem um den Kraftstoffverbrauch. Dafür hat sich der Fachbegriff WLTP eingebürgert. Dabei wird, weiterhin im Labor, aber unter realistischeren Bedingungen vor allem der Kraftstoffverbrauch gemessen. Allerdings: Während bisher der Verbrauch auf der Straße um 40 Prozent höher war als bei den im Labor gemessenen Werten, so soll es auch künftig noch Abweichungen geben – jedoch nur noch halb so groß sein wie bisher.

Warum ist der neue WLTP-Test besser?

Schätzungen gehen davon aus, dass dasselbe Auto mit dem neuen Test einen um 20 Prozent höheren CO2-Ausstoß hat. Der neue Test dauert länger, 30 statt bisher 20 Minuten. Es wird häufiger beschleunigt – bis auf 130 Stundenkilometer. Es wird später geschaltet, das Auto ist längere Zeit in Bewegung. Lag bei dem alten Test die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 33,6 Stundenkilometer, so ist sie jetzt bei 46,6 Stundenkilometer. Damit ist auch mehr Energie nötig, um das Auto fortzubewegen. Bislang wurden Autos in Serienausstattung getestet. Nun werden voll ausgestattete Fahrzeuge getestet. Jedes Extra kann den Verbrauch in die Höhe treiben.

Warum gibt es noch Abweichungen?

Ein wichtiger Grund: Auch nach WLTP-Standard wird mit ausgeschalteter Klimaanlage gemessen. Sitzheizung und Klimaanlage können aber den Verbrauch nach oben treiben. Die Branche führt weitere Gründe für Abweichungen vom Labor- zum Straßenbetrieb an: So könne der individuelle Fahrstil zu höheren Verbräuchen führen. Auch die Strecke, viele Steigungen oder Kurven, sowie die Beladung des Autos schlagen beim Verbrauch zu Buche.

Welche Autos sind betroffen?

Zunächst müssen nur Fahrzeuge die neuen Tests durchlaufen, für die die Hersteller eine neue Typzulassung bei den Zulassungsbehörden beantragen. Der Test wird also nur bei Fahrzeug-Typen vorgenommen, die ganz neu auf den Markt kommen. Ein neues Golf-Modell müsste ihn etwa noch nicht durchlaufen. Der aktuelle Golf fährt immer noch mit der Typgenehmigung aus den 70er-Jahren. Erst ein Jahr später, also ab September 2018, müssen alle Neuwagenmodelle die Tests absolviert haben.

Muss ab 2018 jeder Neuwagen zum Test?

Nein. Nur einzelne Fahrzeuge eines Typs werden getestet. Wenn die Werte dann vorliegen, gibt der Hersteller eine Art Garantieerklärung ab, dass alle weiteren Fahrzeuge, die vom Band laufen, sich technisch nicht von den Testfahrzeugen unterscheiden. Diese Garantieerklärung heißt im Fachslogan: „Übereinstimmungsbescheinigung“.

Was ist mit Co2?

Durch geschicktes Lobbying haben die Hersteller durchgesetzt, dass die neuen Testergebnisse bei der Berechnung der Flottenverbräuche der Autohersteller noch nicht durchschlagen. Die Europäische Union hatte vorgeschrieben, dass die Hersteller EU-weit ab dem Jahr 2020 nur noch Fahrzeuge zulassen dürfen, die im Schnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 ausstoßen. Nun haben die Mitgliedsländer, darunter federführend Deutschland, durchgesetzt, dass die Flottengrenzwerte sich nicht durch die WLTP-Einführung noch einmal, sozusagen automatisch, verschärfen. Stattdessen gilt bis 2020 ein Umrechnungsverfahren. Das heißt konkret: Die alten Grenzwerte gelten vorerst weiter.

Wann profitiert der Verbraucher?

Wünschenswert wäre, dass der Verbraucher dank des WLTP-Verfahrens bald eine bessere Informationsbasis hat, wenn er vor der Entscheidung steht, ein Neufahrzeug zu kaufen. In der Umstellungsphase werden aber zugleich Fahrzeuge auf dem Markt sein, bei denen nach altem Testverfahren der Verbrauch ermittelt wurde, und Fahrzeuge, die bereits nach WLTP getestet wurden. Um nicht für völlige Verwirrung zu sorgen und den Vergleich zu ermöglichen, empfiehlt die EU-Kommission die einheitliche Umstellung zum 1. Januar 2019. Aber noch ist nichts sicher. Dafür sind die Nationalstaaten zuständig. Die Bundesregierung hat etwa noch nicht entscheiden, wann die entsprechende Verordnung verändert wird. Wenn sich die Mitgliedsländer nicht noch abstimmen, ist denkbar, dass die Autohändler in einer Übergangsphase den Spritverbrauch nach unterschiedlichen Verfahren anzeigen. Der Ärger mit den Schaufenster-Angaben könnte also weiter gehen.

Droht eine höhere Kfz-Steuer?

Ja. Die Kfz-Halter bekommen keine Schonfristen. Die realistischeren, also höheren Werte zum CO2-Ausstoß, fließen ab September 2018 in die Berechnung der Kfz-Steuer ein. Dies hat die Bundesregierung vor kurzem beschlossen. Wie hoch diese heimliche Steuererhöhung ausfällt, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Vermutlich wird es sich aber nicht um große Summen handeln.

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