Dieselgate: Neue Rechtswege für VW-Kunden
Anwälte prüfen nach weiteren Vorwürfen gegen den Autokonzern rechtliche Grundlagen für Kundenklagen. In den Niederlanden bereitet eine Stiftung Klagen für 180.000 VW-Kunden vor.
Die jüngsten Entwicklungen im VW-Dieselskandal könnten betroffenen Verbrauchern neue rechtliche Grundlagen für Klagen gegen den Autobauer liefern. Zu dieser Einschätzung kommen Anwälte, die inzwischen einige zehntausend Volkswagen-Kunden vertreten.
Die Kanzlei Baum, Reiter und Collegen verwies am Dienstag auf einen Bericht, nach dem Volkswagen bei der Umrüstung von mehr als acht Millionen manipulierten Fahrzeugen in Europa offenbar von Anfang an nicht die Absicht hatte, mit einem Software-Update Stickoxidemissionen im Normalbetrieb auf die gesetzlich festgelegten Grenzwerte zu senken. Das ZDF hatte auf der Grundlage interner Unterlagen dargelegt, dass die Software-Updates, die VW für seine Diesel-Pkw entwickelt hat, die Abgasprobleme der geschädigten Kunden nicht lösen. Im Gegenteil: Mit der neuen Software bekommen dem Bericht zufolge Dieselautos gleich mehrere Abschalteinrichtungen, die das Kraftfahrt- Bundesamt sogar als zulässig einstufte.
Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag verjähren
„Sollte sich diese neue Sachlage bewahrheiten, führt dies zu einer neuen juristischen Bewertung“, schreiben die Anwälte. VW-Besitzern, deren Gewährleistungsfrist bereits formal abgelaufen ist, könne sich neben deliktischen Ansprüchen (auf Schadenersatz) eine neue Perspektive aus Gewährleistungsrecht eröffnen. Danach haben Kunden ein Recht auf Nachbesserung, wenn sich ein Produkt nach dem Kauf als mangelhaft erweist. Alle Gewährleistungsrechte aus einem Kaufvertrag verjähren allerdings nach zwei Jahren, bei einem Gebrauchtwagen in der Regel nach einem Jahr. Zwar hat Volkswagen versichert, dass das Unternehmen bis Ende 2017 auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Ließe sich nun aber belegen, dass der Hersteller bei der derzeit laufenden Umrüstung die Kunden erneut vorsätzlich täuscht, „beginnen neue Fristen“, sagte Rechtsanwalt Olaf Methner dem Tagesspiegel.
Volkswagen verweigert bislang eine Garantie dafür, dass die Fahrzeuge nach dem Rückruf einwandfrei funktionieren und nicht etwa mehr Sprit verbrauchen oder weniger Leistung haben. Die Beweislast, dass die Nachrüstung doch negative Auswirkungen hat, tragen die Kunden.
Anwälte sehen gute Erfolgschancen
Die Erfolgschancen für Klagen beurteilt Anwalt Methner positiv und verweist auf einige Gerichtsurteile. So kam das Landgericht München zu dem Urteil, dass Kunden den Kaufvertrag anfechten und sich den Kaufpreis erstatten lassen können, wenn sich bestätigt, dass Volkswagen die Käufer arglistig getäuscht hat. Das Landgericht Hildesheim verurteilte VW im Januar wegen vorsätzlicher Verbrauchertäuschung zu Schadensersatz. Rechtskräftig sind die Urteile noch nicht.
Volkswagen-Kunden, die klagen wollen, aber keine Rechtsschutzversicherung haben, können sich an die Portale vw-verhandlung.de (Baum, Reiter und Collegen) oder Myright.de wenden. Haben deren Vergleichsverhandlungen oder Klagen Erfolg, tritt der Kunde einen Teil der von VW gezahlten Summe an die Rechtsdienstleister ab.
Niederländische Stiftung scheitert mit Vergleich - und klagt
Die niederländische Organisation „Stichting Volkswagen Car Claim“, die in Deutschland von Baum, Reiter und Collegen vertreten wird, kündigte am Dienstag an, repräsentativ für rund 180000 betroffene Autobesitzer in den Niederlanden ein Gerichtsverfahren einzuleiten. Seit der Gründung kurz nach Bekanntwerden des Dieselskandals vor bald zwei Jahren habe man vergeblich versucht, eine außergerichtliche Einigung mit Volkswagen zu erreichen, erklärte Vorstandsmitglied Guido van Woerkom. Die Stiftung sehe keine andere Lösung, als alle betroffenen Autobesitzer zu mobilisieren, um Volkswagen, den Zulieferer Bosch und Autohändler zu einer angemessen Entschädigung zu zwingen.
VW hält den Klägern entgegen, die Fahrzeuge entsprächen nach dem Softwareupdate in Europa den gesetzlichen Vorgaben. mit rtr