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Produktiv: Die Pharmabranche erwirtschaftet 26 Prozent des Industrieumsatzes in Berlin.
© picture-alliance/dpa

Gesundheitsindustrie: Neue Pillen aus Berlin

Die Pharmabranche forscht in der Hauptstadt: Gesundheitssenator Mario Czaja sieht Potential für die Gesundheitswirtschaft in Berlin und will diese nun stärken.

Dass Berlin zu den industriearmen Regionen des Landes gehört, ist bekannt. Umso stärker wollen Politik und Verbände auf die wachsende Gesundheitsbranche setzen. Am Mittwoch berieten sich dazu auf dem Kongress „Berlin Health Week“ mehr als 300 Vertreter aus Wirtschaft, Medizin und Politik. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) zufolge könnten sich Berlin und Brandenburg als „eine der führenden Gesundheitsregionen in Europa“ profilieren.

Wegen der Konzentration von Wissenschaft, Gesundheitsversorgung und produzierenden Mittelstandsfirmen habe die Gesundheitswirtschaft das Potenzial, „der Motor für die wirtschaftliche Erholung unserer Stadt zu sein“, sagte Czaja. Das hört man derzeit vor allem in der Pharmabranche gern. Inzwischen sitzen fast 30 Unternehmen in Berlin, dem Vernehmen nach sind Vertreter des Landes mit zwei weiteren Pharma-Mittelständlern darüber im Gespräch, sich ebenfalls in Berlin anzusiedeln.

Berliner Pharmahersteller setzten mehr als sechs Milliarden Euro um

Beim Lobbyverband VFA, der die forschenden Arzneimittelhersteller vertritt, gibt man sich ohnehin zuversichtlich: Berlin sei der richtige und inzwischen immerhin viertgrößte deutsche Standort der Branche. Nach VFA-Angaben arbeiten zwar derzeit (erst) acht Prozent der deutschen Pharma-Beschäftigten in Berlin, sie erwirtschaften aber 14 Prozent des Umsatzes der gesamten Branche. Nach Zahlen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln stieg der Umsatz der Berliner Pharmahersteller von 2011 auf 2012 um fast acht Prozent auf 6,03 Milliarden Euro.

Doch Berlin scheint für die Branche nicht nur im internen Vergleich ein besonders produktiver Standort zu sein, sondern auch im Vergleich zu anderen Branchen: Die Pharmafirmen stellen jeden zehnten Industriearbeitsplatz in Berlin zur Verfügung. Das sind knapp 9300 Beschäftigte. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten sie nach Berechnungen des IW 26 Prozent des gesamten Industrieumsatzes in der Hauptstadt. Gleichzeitig, betont der VFA, investiere man viel in den Standort: 9500 Euro sollen es im Jahr 2011 pro Mitarbeiter gewesen sein. Neben Bayer mit rund 4500 Berliner Mitarbeitern sind Berlin Chemie mit 1800 und Pfizer mit etwa 1500 Mitarbeitern die großen Unternehmen der Branche.

Zahlreiche Forschungsinstitute sitzen in der Hauptstadt

Birgit Fischer, einst für die SPD Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen und seit 2011 VFA-Hauptgeschäftsführerin, sieht in Berlin gerade für forschende Firmen einen Vorteil: Nirgendwo in Deutschland werden mehr klinische Studien durchgeführt. Rund 3000 sind es pro Jahr. Das dürfte daran liegen, dass neben zahlreichen Forschungsinstituten die größte Universitätsklinik Europas, die Charité, hier ihren Sitz hat.

Insgesamt lässt sich die Wirtschaftskraft der Gesundheitsbranche jedoch nur schwer messen, schon weil die Abgrenzungen schwer fallen: Zählen etwa Pflegedienste dazu? Was ist mit Mischkonzernen? Wie viel Arbeit geht dort ausschließlich in die Arzneimittel- und Medizingeräteforschung, und wie viel in die reguläre Chemie- und Maschinenproduktion? Geschätzt arbeiten in Berlin und Brandenburg mehr als 300.000 Menschen in der Gesundheitsbranche, die wohl 16 Milliarden Euro im Jahr umsetzt. Damit sich mehr Firmen und Forscher in Berlin niederlassen, gibt es das Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg. In dem Netzwerk arbeiten von den beiden Bundesländern bezahlte Experten daran, Krankenhäuser, Hochschulen, Verwaltungen und Unternehmen zu vernetzen.

Hannes Heine

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