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Unseriöse Abmahnungen: Neue Maschen bei Internetbetrügern

In der Abofalle: Mit dem „Kaufen“-Button sollten Verbraucher beim Online-Einkauf besser geschützt werden. Doch Betrüger schreckt das nicht – sie haben neue Maschen entwickelt.

Gerd Billen macht einen ganz zufriedenen Eindruck. „Die Evaluation der Button-Lösung hat ergeben: Der Gesetzgeber hat seine Aufgabe erfüllt“, sagte der Staatssekretär im Verbraucherministerium kürzlich in Berlin. Die Zahl der Verbraucher, die von Kostenfallen im Internet betroffen waren, sei durch die im August 2012 eingeführte Regelung um bis zu 95 Prozent zurückgegangen.

Das hört sich nicht so schlecht an. Zumal bis vor zwei Jahren noch rund 22 000 Beschwerden zu den sogenannten Abobetrügern bei den Verbraucherzentralen eingegangen waren – und das Monat für Monat. Verschwunden sind die Abofallenbetreiber, die Verbraucher mit vermeintlich kostenfreien Leistungen im Internet locken und dann im Kleingedruckten horrende Preise aufrufen, jedoch längst nicht: Einer aktuellen Infas-Umfrage zufolge sind in den vergangenen zwei Jahren 5,6 Millionen Bundesbürger Opfer einer Abofalle geworden. Das sind sogar 200 000 mehr als 2011, also vor der Einführung des Buttons. Allerdings habe die Zahl der Internetnutzer seither insgesamt zugenommen, schreiben die Marktforscher.

Tatsächlich, bestätigen Verbraucherschützer und Anwälte, gibt es die unseriösen Service-Anbieter im Netz noch immer. Ihr illegales Geschäftsmodell hat sich dabei nicht verändert. Typisch sind etwa Routenplaner, Rezeptratgeber, Horoskop- oder Stammbaumseiten oder Webseiten für Frei-SMS. Besonders perfide: Häufig wählen die Betrüger Internetadressen, die denen seriöser Anbieter stark ähneln, sich etwa nur durch einen zusätzlichen Bindestrich vom Original unterscheiden.

Füllt der Nutzer nun die angeblichen Pflichtfelder aus – etwa um das Kochrezept in Gänze lesen zu können –, kann es passieren, dass er sich mit einem Zwei-Jahres-Abo für mehrere hundert Euro einverstanden erklärt. Jedenfalls nach Lesart der Betrüger, die den Kostenhinweis im Kleingedruckten am Fuß der Seite oder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstecken. Sie verschicken nun fleißig Rechnungen, erhöhen mitunter durch Mahnschreiben und Inkassodrohungen den Druck. Und hoffen, dass der eine oder andere verunsicherte Verbraucher zahlt – statt sich zum Beispiel für einen Bruchteil des Geldes im Laden ein hochwertiges Kochbuch zu kaufen.

Wie Anbieter das Gesetz umgehen

„Zahlungspflichtig bestellen“ – mit diesem Hinweis müssen Anbieter im Internet seit August 2012 kennzeichnen, dass ein Kunde im nächsten Schritt einen Kaufvertrag mit ihnen abschließt. Der Gesetzgeber fordert von den Händlern sehr eindeutige Formulierungen. Möglich seien auch Formulierungen wie „Kaufen“, „Einkauf abschließen“ oder „Zahlungspflichtigen Vertrag abschließen“, erläutert der Bundesverband Digitale Wirtschaft. Wenn ein Anbieter einfach „Bestellen“, „Anmeldung“ oder „Weiter“ auf seine Buttons schreibt, reiche das nicht. Betroffen sind auch Seiten, die über mobile Geräte wie Smartphones oder Tablet-Computer aufgerufen werden, sowie Apps. Die Betrüger kümmert die Vorgabe in vielen Fällen aber gar nicht. Sie versuchen es einfach.

Und auch die Button-Lösung gibt ihnen gewisse Spielräume. „Der Button ,Kostenpflichtig bestellen’ sagt ja nichts über die Laufzeit des vermeintlichen Vertrags aus“, benennt IT-Rechtsexpertin Astrid Auer-Reinsdorff eines der beliebten Schlupflöcher. Soll heißen: Bei einer geringen Gebühr von wenigen Euro für eine Dienstleistung sind Verbraucher eher arglos. Dass die Gebühr monatlich über Jahre anfällt, steht – siehe oben – versteckt im Kleingedruckten.

Wie dreist die Betrüger bisweilen vorgehen, zeigt eine aktuelle Warnung der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Sie war auf gefälschte Gerichtsurteile aufmerksam geworden, mit denen Abofallen-Betreiber versuchen, ihre Opfer einzuschüchtern. Die beiden angeblichen Entscheidungen des Amtsgerichts Mainz (AZ: 33 C 358/15) und des Oberlandesgerichts Frankfurt (AZ: 8 C 257/15) gaukeln vor, dass durch Abofallen geschlossene Verträge rechtskräftig sind. Die Urteile – verbreitet über eine Internetseite der „premiummediaserviceltd“ – sind jedoch frei erfunden, wie bereits an den Aktenzeichen zu erkennen ist. Beide enden auf 15, wären also aus dem Jahr 2015.

Niemals Geld überweisen

Doch ganz egal, wie penetrant die angeblichen Dienstleister Gebühren einfordern – Verbraucherschutz-Staatssekretär Billen rät: niemals Geld überweisen. Gar nichts zu tun, ist Experten zufolge aber die falsche Taktik. „Wichtig ist, dass man etwaige finanzielle Forderungen nicht ignoriert“, betont Auer-Reinsdorff, die als Anwältin in Berlin tätig ist. Flattert eine Forderung ins Haus, sollten Betroffene E-Mails oder Schreiben zu dem Vorgang sichten und dann umgehend reagieren. „Gegebenenfalls ist das Widerrufsrecht noch nicht erloschen.“ Gleichzeitig weist die Juristin darauf hin, dass Aboverträge grundsätzlich unwirksam sind, wenn der Preis nicht angegeben ist. Das sei bereits vor der Button-Lösung so gewesen.

Weniger gut sieht es für Verbraucher aus, die auf eine andere Masche hereingefallen sind. Großhandelsplattformen bieten viele Waren billiger an, als private Verbraucher sie normalerweise bekommen. Mitunter, warnt die Verbraucherzentrale Sachsen, verbergen sich hinter den Schnäppchen aber Abofallen. Die Seite von grosshandel-b2b.biz bietet demnach extrem günstige Preise. Hinweise auf Nutzungsgebühren für 24 Monate und eine Einrichtungspauschale seien so am Rand des Anmeldeformulars versteckt, dass sie leicht übersehen werden könnten. Das Tückische: Privatkunden müssen damit rechnen, dass sie die Gebühren von 275 Euro tatsächlich zahlen müssen. „Wenn ich als Verbraucher ein Angebot nutze, das sich ausdrücklich an Gewerbetreibende richtet, kann ich mich nicht auf den üblichen Verbraucherschutz berufen“, erläutert Astrid Auer-Reinsdorff. „Eine rechtliche Handhabe habe ich also in diesem Fall nicht.“

Simon Frost

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