Verdacht auf Preisabsprachen: Nach Mehl und Kartoffeln jetzt Zucker-Kartell
Bittersüß: Wettbewerbskontrolleure der EU haben Razzien bei mehreren Zuckerproduzenten durchgeführt. Die Unternehmen stehen im Verdacht, die Preise künstlich erhöht zu haben.
Berlin - Den Teufel überzuckern – davon ist die Rede in Shakespeares Tragödie „Hamlet“. Meint in etwa: Sich zuckersüß und tadellos geben – tatsächlich aber in böse Machenschaften involviert sein. Solche vermutet die Europäische Kommission jetzt offenbar auch bei Unternehmen der Zuckerindustrie. Wie die Generaldirektion Wettbewerb am Donnerstag bekannt gab, wurden bereits Ende April Unternehmen in mehreren europäischen Ländern durchsucht. Dazu gehörten auch Niederlassungen des in Deutschland beheimateten Europamarktführers Südzucker, wie ein Sprecher dem Tagesspiegel bestätigte. Dem Verdacht nach sollen sich größere Akteure der Branche heimlich bei den Preisen abgesprochen haben. Inspiziert wurden nach derzeitigem Kenntnisstand allerdings keine Räumlichkeiten in Deutschland. „Von deutschen Herstellern wurden lediglich Tochterfirmen im Ausland überprüft“, heißt es beim Branchenverband Wirtschaftliche Vereinigung Zucker. Zu den erfolgreichsten deutschen Produzenten gehören nach Südzucker die Unternehmen Nordzucker und Pfeifer und Langen.
Der größte Produzent ist Frankreich
Unter Verdacht sind nach Tagesspiegel-Informationen außerdem bis zu sechs andere, vornehmlich französische Produzenten. Vor Deutschland verfügt Frankreich über die größte Zuckerindustrie in Europa. Der Markt ist streng reguliert: Die Zuckerverordnung von 2006 legt fest, dass 85 Prozent des europäischen Bedarfs aus eigenem Anbau gedeckt werden müssen. Im Gegenzug dürfen europäische Produzenten ihren Zucker nicht an Länder außerhalb Europas liefern. 15 Prozent des europäischen Zuckerbedarfs müssen aus anderen Anbauländern, möglichst aus Entwicklungsländern, bezogen werden, denen damit der Zugang zum Weltmarkt geöffnet werden soll. Europa hat sich so in den zurückliegenden Jahren vom Zuckerexporteur zum -importeur gewandelt. Die Spielräume der europäischen Hersteller sind stark begrenzt. Dafür haben sie – gemeinschaftlich – ein Quasimonopol. Und sich in der Vergangenheit wiederholt gegen eine diskutierte Rücknahme der Verordnung ausgesprochen.
EU-weit sind 106 Zuckerfabriken registriert. Der Jahresbedarf liegt weitgehend konstant bei 17 Millionen Tonnen Zucker. Deutschland steuert dazu nach Verbandsangaben einen steigenden Anteil von zuletzt etwas mehr als vier Millionen bei.
Auch andere Segmente könnten betroffen sein
Die Kommission in Brüssel untersuche den Verdachtsfall jetzt weiter, hieß es am Donnerstag – woher die Behörde ihre Hinweise hat und welche Länder und Unternehmen noch im Fokus stehen, dazu will sie sich vorerst nicht äußern. Nur so viel: „Es geht um weißen Zucker in seinen verschiedenen Formen.“ Von etwaigen Preisabsprachen könnten demnach sowohl handelsübliche Ein-Kilo-Packungen als auch das Geschäft mit verarbeitenden Betrieben der Süßwaren- und Getränkeindustrie oder Chemiebranche betroffen sein. Bestätigt sich der Verdacht, hätten Verbraucher nicht nur bei Mehl und Kartoffeln, sondern auch bei Zucker, Gummibärchen oder Limonade jahrelang zu viel bezahlt. Um welche Beträge es geht, ist jedoch nicht bekannt.
Bei Südzucker gibt man sich gelassen: „Wir gehen davon aus, dass die Durchsuchungen keine Folgen für uns haben werden“, betonte Vorstandschef Wolfgang Heer. Gleichzeitig mit Bekanntwerden der Ermittlungen veröffentlichte das Unternehmen am Donnerstag seinen Jahresbericht. Der Zuckerproduzent schloss das vergangene Geschäftsjahr mit einem Rekordgewinn von fast 974 Millionen ab. Das operative Ergebnis stieg um fast ein Drittel – auch wegen der Entwicklung des Zuckerpreises. 2012 lag der zeitweise 30 Prozent höher als im Vorjahr – ist in den vergangenen Monaten aber wieder leicht zurückgegangen.