Autogipfel im Kanzleramt: Müssen Tankstellen bald Ladesäulen für E-Autos anbieten?
Vor dem Treffen mit der Autoindustrie betont Merkel die Bedeutung der E-Mobilität und die Versorgung mit Ladestationen. Dabei geht es vor allem auch um Geld.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor dem Spitzentreffen mit der Autoindustrie an diesem Montagabend die Ziele für die Mobilität der Zukunft genannt. Mobilität solle „klimafreundlich, flexibel, kostengünstig und bequem sein“, sagte die CDU-Politikerin in ihrem wöchentlichen Video-Podcast. „Neue Technologien, getrieben durch die Digitalisierung, aber auch neue Antriebstechnologien, verändern die Mobilität in unserem Land gravierend.“
Vorstandsvorsitzende und -mitglieder von BMW, Daimler und Volkswagen sowie die Chefs von wichtigen Zulieferern wie etwa Bosch, Continental und ZF kommen zu dem Autogipfel ins Kanzleramt. Wie beim vorangegangenen Gipfel am 24. Juni treten auch die Betriebsratsvorsitzenden der Unternehmen an, der Chef des Autoindustrieverbandes VDA und der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität, mehrere Bundesminister, Fraktionsvorsitzende und Ministerpräsidenten mit Autostandorten.
Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann wird ebenfalls nicht fehlen. Anders als beim Gipfel im Juni erwarten Teilnehmer aus der Industrie dieses Mal keine besonders kontroverse Auseinandersetzung mit der Politik. Die Bundesregierung hat ihre Klimabeschlüsse gefasst, der „Masterplan“ zum beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur liegt vor und die Politik ist bereit, die Kaufprämie für Elektroautos zu erhöhen.
Ein Ladepunkt für zehn E-Autos
Im August 2019 waren in Deutschland rund 220.000 E-Fahrzeuge zugelassen. Nach Zahlen der Bundesnetzagentur gab es zu diesem Zeitpunkt rund 21.100 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Die Relation zwischen Ladepunkt und Fahrzeugen entsprach damit in etwa der Zielgröße der EU-Kommission von 0,1 öffentlichen Ladepunkten pro Elektrofahrzeug. „Es ist klar, dass die Elektromobilität unterwegs ist“, sagte ein Verbandsvertreter. Nun gehe es um eine Nachjustierung des Zeitplans, um Details – und natürlich auch noch einmal um Geld.
„Frau Merkel lädt uns nicht ein, weil sie Geld verschenken will“, heißt es in einem Autokonzern. „Es wird um die Lastenteilung gehen.“ So erwartet die Regierung, dass sich die Industrie erneut paritätisch an der Erhöhung der vor drei Jahren eingeführten Kaufprämie beteiligt. Im Klimaschutzprogramm heißt es, „die von Bund und Herstellern getragene Kaufprämie“ solle ab 2021 für „Pkw mit Elektro-, Hybrid- und Wassers/Brennstoffzellenantrieb verlängert und für Autos unter 40.000 Euro angehoben“ werden. Details und Zahlen wurden bislang nicht genannt. Außerdem ist vorgesehen, die Kaufprämie für Nutzfahrzeuge mit alternativen Antrieben „attraktiver“ zu machen.
Masterplan verpflichtet Automobilindustrie und Energiewirtschaft
In ihrem Podcast sagte Merkel, es gehe nun um den Aufbau einer Infrastruktur für die E-Mobilität – „damit Menschen Vertrauen haben, sich ein E-Auto zu kaufen“. Was die Regierung dafür zur Zeit plant? Sie peilt unter anderem eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte an – auch wenn zum Beispiel der Energieverband BDEW 350.000 für ausreichend hält.
Der Bund will diese Infrastruktur bis 2025 fördern. Allein die Betreiber privatwirtschaftlicher Ladesäulen sollen 50 Millionen Euro im Jahr 2020 bekommen. Um den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu koordinieren, will das Bundesverkehrsministerium noch in diesem Jahr eine Leitstelle einrichten. Diese soll den Bedarf berechnen und den Aufbau eines deutschlandweiten Schnellladenetzes steuern.
Die Regierung prüft bis Mitte 2020, ob durch eine sogenannte Versorgungsauflage an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden können. Das Verkehrsministerium soll bis Ende 2019 zudem ein Konzept vorlegen, wie ein „schneller und großvolumiger Ladeinfrastrukturaufbau“ bis 2025 ausgestaltet werden soll.
Erstes Ziel: 1000 Schnellladestandorte. Die Automobilindustrie und die Energiewirtschaft werden in dem Masterplan der Regierung verpflichtet, in intelligente, nicht-öffentliche Ladeinfrastruktur zum Beispiel auf Betriebsgeländen zu investieren. Die Automobilindustrie muss nach dem Masterplan bis Ende 2022 fünf Prozent der Mitarbeiterparkplätze mit intelligenter Ladeinfrastruktur ausstatten.
Ausbau privater Ladeinfrastruktur
Bei dem Treffen am Montag werde es außerdem um die Zukunft der Arbeit in der Autoindustrie gehen, sagte die Kanzlerin im Podcast. „Wir werden darüber reden, wie Menschen die Transformation von dem klassischen Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität schaffen können.“ Hier helfe etwa die Nationale Strategie Weiterbildung: „Denn wir wollen unsere Fachkräfte mitnehmen auf dem Weg in eine moderne, klimafreundliche Zukunft.“
Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, erwartet, „dass am Montagabend konkrete Maßnahmen beschlossen und nicht nur unverbindliche Prüfbitten formuliert werden“. Die deutsche Automobilindustrie stehe vor einer extrem anspruchsvollen Zeit, „die politisch aktiv begleitet werden muss“, meinte der SPD- Politiker, der im VW-Aufsichtsrat sitzt.
Weil forderte „ein klares Commitment für 100 000 öffentliche Ladepunkte bis spätestens 2021“. Zudem seien die angekündigten Änderungen im Mietrecht und im Wohnungseigentumsrecht überfällig, mit denen der Aufbau privater Ladeinfrastruktur erleichtert werden soll. Weil sprach sich außerdem dafür aus, die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld zu erleichtern.
FDP kritisiert fehlende Schnellladepunkte
Die FDP kritisierte die Förderpolitik der Regierung. Gerade einmal jede sechste Ladestation sei als Schnellladepunkt geplant, sagte die Verkehrspolitikerin Daniela Kluckert. „Obwohl bereits bekannt ist, dass gerade stundenlange Ladezeiten und die geringe Verfügbarkeit von Ladesäulen vom Kauf eines Elektroautos abhalten, wird der sogenannten Reichweitenangst seitens der Regierung nichts entgegengesetzt.“
Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervorgeht, sind zwar bei einem dritten Förderprogramm des Bundes zur Errichtung von Ladeinfrastruktur 3511 Ladepunkte bewilligt worden, davon 752 Schnellladepunkte. Errichtet worden sei aber noch kein einziger. Das Programm richtet sich vor allem an Kommunen. Kluckert sprach von einer „Farce“.