Kantinen in Berlin: Mittagspause
Am liebsten wird in Betriebskantinen Currywurst gegessen. Das muss nicht ungesund sein. Woran man gute Küchen erkennt – und welche Vorschriften es gibt, erklären Experten.
Mit weiß grundierten Gesichtern, dunkel umrandeten Augen und zurückgebundenem Haar gönnen sich Schauspieler in der Kantine des Berliner Ensembles eine Pause von den Premierenproben. Einige sitzen an Holztischen, auf rotem Samt bezogenen Bänken mit Blick auf die Fotos zahlreicher Theaterproduktionen, andere im Garten unter freiem Himmel.
Währenddessen bereitet die Köchin Therese Bart in der Küche Schweineschnitzel mit Spargelragout, Fischfilet mit Zitronen-Kräutersauce und Tofu auf Fenchel-Paprika-Gemüse zu. „Am Tag kommen hier im Schnitt 350 Essen auf den Tisch“, sagt die 25-Jährige, die hier auch ihre Ausbildung gemacht hat. Besonders beliebt seien Steaks und Königsberger Klopse.
Der Kantinenleiter Michael Mellahn hat an einem ruhigen Tisch Platz genommen, um das orientalische Buffet für die Premierenparty zu planen. Am Schiffbauerdamm kümmern sich vier Köche und rund 20 Mitarbeiter um das Wohl der Gäste, berichtet der Koch und Gastronom, der seit 2000 die Kantine leitet. Verwendet werden in der Küche überwiegend regionale Produkte. Die Gerichte kosten bis zu sechs Euro und entsprechen damit in etwa dem Durchschnittspreis von dem, was in Berliner Kantinen verlangt wird. Bei schönem Wetter sind mittags etwa 70 Prozent der Gäste „Externe“.
Auch Externe sind willkommen
Viele Betriebsküchen stehen nicht nur den eigenen Mitarbeitern zur Verfügung, auch Besucher sind willkommen. Und die nutzen in der Regel die recht günstige Möglichkeit, Mittag zu essen, gern. Nicht immer aber entsprechen die Speisepläne dem, was Ernährungswissenschaftler fordern. Und nicht immer wollen die Mitarbeiter auch das essen, was gesund ist.
Laut einer Forsa-Umfrage gehen 14 Prozent der Arbeitnehmer in der Mittagspause zum Imbiss oder Bäcker, nur 26 Prozent besuchen die Kantine. Am liebsten stellen sie sich dort an der Essensausgabe an, wenn es Currywurst gibt, hat der Menüanbieter Appetito herausgefunden. Auf Platz zwei der Beliebtheitsskala steht gebackener Alaska-Seelachs.
Auch wenn es sich danach anhört, ein solches Essen muss nicht ungesund sein, so lange man nicht täglich Currywurst verzehrt und auf Salat dazu verzichtet. „Die Herausforderung liegt in schmackhaften, saisonalen und vor allem abwechslungsreichen Speisen“, sagt Holger Pfefferle von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Eine gute Kantine biete Gemüse und Obst, Vollkornprodukte, fettarme Milch- und Milchprodukte sowie zuckerarme Getränke an. Außerdem gehören hochwertige pflanzliche Fette, Seefisch und mageres Fleisch dazu. Werden entsprechende Gerichte angeboten, sei auch Fastfood weniger gefragt.
Kantinen können sich zertifizieren lassen
Im Rahmen des Projektes „Job & Fit – Mit Genuss zum Erfolg!“, unterstützen die Ernährungsexperten der DGE Betriebskantinen dabei, gesundes und abwechslungsreiches Essen auf den Tisch zu bringen. Grundlage dafür ist der DGE Qualitätsstandard für die Betriebsverpflegung, der inzwischen in der vierten Auflage erschienen ist. Außerdem können Kantinenmitarbeiter sich in Seminaren fortbilden und Ideen für eine abwechslungsreiche Kost in einer Rezeptdatenbank recherchieren. Kantinen, die so kochen, wie es die DGE-Standards fordern, können sich zertifizieren lassen. Bundesweit können rund 200 Betriebe mit dieser Auszeichnung werben. In Berlin tragen etwa die Gastfroh GmbH, die für die Kantine im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zuständig ist, und die Pirrung Mensa Vitae GmbH, die das Betriebsrestaurant der Bundesanstalt für Materialforschung (Unter den Eichen 87) und des Robert Koch-Instituts (Nordufer 20) leitet, das Logo.
Viele Betriebsrestaurants haben ein hohes gastronomisches Niveau erreicht, dennoch gibt es bei zahlreichen Kantinen in Sachen Gesundheit noch Nachholbedarf, sagt Pfefferle. Selbst bei gesunder Kost kämen in den Kantinenküchen meist „Convenience-Produkte“ zum Einsatz, vorgefertigte Lebensmittel also, bei denen der Nahrungsmittelhersteller Be- und Verarbeitungsstufen übernimmt, um die weitere Zubereitung zu vereinfachen: von küchenfertig zerlegtem Fleisch und geputztem Gemüse über Tiefkühlgemüse und -obst bis zu sogenannten aufbereitbaren Lebensmitteln wie Kartoffelpüree oder tischfertige Salaten und Desserts. Da ist die Frische natürlich nicht mehr so gegeben und das geht auf Kosten der Vitamine, sagt Pfefferle.
Firmen müssen nur Pausenräume anbieten
Viele Unternehmen haben erkannt, dass ihre Kantine im Rahmen des Gesundheitsmanagements ein wichtiger Faktor sein kann, denn auch eine vollwertige Ernährung wirkt sich positiv auf die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern aus. Dennoch betreibt nicht jede Firma eine Kantine. Und Mitarbeiter haben auch keinen Anspruch auf ein Betriebsrestaurant. Gemäß der Arbeitsstättenverordnung sind nur Pausenräume vorzusehen, erklärt ein Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Gibt es eine Kantine, muss sie nach den rechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit der Gäste betrieben werden. So müssen nach den Verordnungen des europäischen Lebensmittelrechts die Speisen von hygienisch einwandfreier Qualität sein. Das Lebensmittelhygienegesetz zielt auf das Herstellen und Behandeln von Lebensmitteln und auf eine intakte Kühlkette.
Außerdem sind die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes zu beachten. Nach der Lebensmittelinformations-Verordnung der EU müssen seit Dezember 2014 die Verbraucher über die 14 Hauptallergene informiert werden, beispielsweise glutenhaltige Getreide. Und die Bestimmungen der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung müssen eingehalten werden. Hingewiesen werden muss danach beispielsweise auf die Verwendung von Konservierungsstoffen und Phosphaten.
Ein Konzern wie Siemens mit mehreren Standorten und mehreren Kantinen in Berlin leistet sich ein eigenes Küchenteam für die Verpflegung der Mitarbeiter. Allein in der Kantine im Verwaltungsgebäude Nonnendammallee gehen täglich rund 1000 Gerichte über die Theke, sagt Christoph Strobl, der Siemens-Regionalleiter der Restaurant Services Nord.
Rund 60 Prozent der Mitarbeiter nutzen mittags die Kantine. Externe müssen allerdings draußen bleiben.
Veränderte Ernährungsgewohnheiten werden beim Erstellen des Speiseplans berücksichtigt, sagt Strobl. Die Currywurst gibt es bei Siemens allerdings nicht in der Kantine – sondern an einem extra Stand.
Katja Gartz
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