Berliner Spezialität: Der große Currywurst-Test
Die Curry erlebt eine Renaissance – gleich an mehreren prominenten Orten der Stadt wurden neue Buden eröffnet. Es ist also höchste Zeit, mal wieder über den Papptellerrand zu blicken.
Fazit: Es gibt unfassbar viele Currywürste in Berlin. Zu viele, als dass ein Mann sie alle essen könnte. Nicht mal von jedem Stand, jeder Bude nur eine. Nicht in zwei Tagen Testphase.
Bilanz: Der Testesser, also ich, hat es in zwei Tagen und Nächten auf zehn Currywürste an unterschiedlichen Standorten gebracht. Zehn! Wer das nicht heroisch nennt, soll eine Currywurst bei Gabis Imbiss am Karl-August-Markt essen, und zwar die mit dem Schärfegrad 10 ++, danach ist er erst mal tot, mundtot, möglicherweise auch mehr.
Zehn Currywürste in zwei Tagen und Nächten! Um das zu überleben, braucht es Zwischenbiere. Wer nach der Menge der Zwischenbiere fragt, wird wegen überbordender Neugier ebenfalls zum Schärfegrad 10++ verurteilt, danach und nach Wiederbelebung kann er es ja mal mit einem Fass versuchen. Gegen das Sodbrennen von zu vielen zu süßen Saucen haben die Zwischenbiere trotzdem nicht geholfen.
Gott, die Currywurst. Ist nicht schon alles gesagt worden darüber? Auch von allen? Wer sie erfunden hat, ist klar. Auch wenn der Schriftsteller Uwe Timm einst behauptete, eine Lena Brücker habe sie 1947 in Hamburg auf dem Großneumarkt kreiert. Eine steile These, für die alleine der Umstand spricht, dass der Hamburger Hafen deutlich näher am Currypulver war als die Kantstraße in Charlottenburg. Timm sagt noch, dass die Currywurst die glückliche Verbindung des Fernsten mit dem Nächsten ist, des Currys mit der Wurst. Das lassen wir gelten, ansonsten: Herta Heuwer, 4. September 1949, Kantstraße Ecke Kaiser-Friedrich-Straße, was allein schon durch die Gedenktafel bewiesen wird, die Herta Heuwer zu Ehren 2003 am Haus mit der Hausnummer 101 angebracht wurde.
Bildergalerie: Das Berliner Currywurst-Museum
Es ist also alles gesagt, alles dokumentiert (die Gedenktafel für Lena Brücker in Hamburg muss eine Fälschung sein, bitte noch mal Schärfegrad 10 ++ für die Plagiatoren). Aber dann eröffnete „Curry 36“, das sind die von der berühmten Bude am Mehringdamm, in der vergangenen Woche am Bahnhof Zoo eine Filiale. Dann hatte eine Woche zuvor die „Wursterei“ sich gleich gegenüber dem baldigen Waldorf Astoria positioniert. Und dann wurde der hässliche Familienzwist zwischen Waltraud Ziervogel, der Wirtin von „Konnopke“, und ihrem Sohn Mario Ziervogel publik, der keine Gewinner haben kann und an dessen vorläufigem Ende zahlreiche Fernsehteams Mutter Waltraud und Sohn Mario interviewten und Sohn Mario am Senefelderplatz der Mutter Waltraud eine U-Bahnstation weiter unter dem Bahnhof Eberswalder Straße Konkurrenz macht. Und somit war die Currywurst wieder in aller Munde.
Hin zum Ursprung. „Zum dicken Mann“, der gleich in der Nähe von Herta Heuwer agiert. In der Region mithin, die einst Rotlichtbezirk um den Busbahnhof Charlottenburg war und auch heute noch leicht schmuddelig ist, auch wenn der „Hecht“ gleich hinter der Bude, das einstige Domizil der Zahnlosen und Mutlosen, der Zuhälter und Nutten, inzwischen zur hippen Absackerkneipe aufgestiegen ist. Aber gehört das nicht ein bisschen zusammen: Currywurst und Schmuddel? Kann man sich Currywurst mit Schampus vorstellen? Man muss, leider, aber davon später.
Der Klassiker bleibt: Currywurst, Flaschbier, Pommes- Schranke! Ich habe in der Testphase auf die Pommes verzichtet, aus Diätgründen. Was soll ich sagen zum „Dicken Mann“: Die dortige Currywurst fühlt sich offensichtlich ihrem früheren Standortimage verpflichtet, mit einem Darm, der nur mühsam zu durchdringen ist an diesem Testtag und mit einer Sauce, die trotz der frühen Nachmittagsstunde lautstark nach Zwischenbier schreit. Der Alte am Nebenstehtisch, hatte sichtbar, wiewohl ohne Currywurst, dieselbe innere Stimme schon mehrfach gehört. Hackedicht: „Ist gut die Wurst, junger Mann?“ Nein, ist sie nicht.
Lange Schlange vor der neuen "Curry 36"-Filiale am Bahnhof Zoo
Aber es gibt kein Entrinnen, Geschichte wird gemacht, es geht voran! Vor „Curry 36“ am Bahnhof Zoo pulsiert das Leben wie in besten Zeiten. Die City West ist tot? Lächerlich. Eine, wahrscheinlich rumänische, Band spielt auf, Gitarre, Bass, Klarinette, Hackbrett, durchaus gekonnt, Touristen tanzen dazu und vor der Currywurst steht eine Schlange aus etwa 50 Leuten, was einer Wartezeit von 25 Minuten entspricht. Dafür wird die Biowurst vom Havelländer Apfelschwein geboten, für 1,90 Euro. Ich wähle die konventionelle Wurst, die für 1,60 Euro, nicht als Sparmaßnahme, sondern aus traditionellen Gründen. Das wird mir gedankt. Das ist es doch, das ist doch die glückliche Verbindung des Fernsten mit dem Nächsten, die Wurst von angenehmer Konsistenz, nicht zu weich, nicht zu kross, wenn Rinderanteile mit im Schwein stecken sollten, sind sie nicht aufspürbar und die Sauce ist würzig, die Begleitung hat die schärfere Variante gewählt und sagt, dass sie, also die Sauce, die Hölle sei, und wunderbar. Rundum, Touristen, Einheimische, BVGer, junges Volk, altes Volk: zufriedene Gesichter.
Verdauungsspaziergang auf die andere Straßenseite, die Ein- und Ausfahrt zum Busbahnhof Zoo ist ja etwas breiter, dann bin ich bereit für die „Wursterei“. Wir lieben Wurst, sagen sie dort. Dass direkt gegenüber der Haupteingang des Waldorf Astoria liegt, sieht man auch daran, dass in der „Wursterei“ die Wurst auf dem Lavastein gegrillt wird, daran, dass die Fassade der Bude mit Holz vertäfelt, der große Stehtisch mit Rosmarinbüschen und Bambus dekoriert ist und das Brötchen zur Wurst kein labbriges Brötchen ist, sondern kräftiges Landbrot und mit der Tim-Mälzer-Zange gereicht wird. Dass sie dort Wurst lieben, es ist zu schmecken, kostet ja auch 2,20 Euro, dass sie eine Affinität zum Land haben auch, die Sauce schmeckt fruchtig. Dass sie es etwas gehobener haben wollen, kann man der ausliegenden Karte entnehmen (Karte in der Currybude, geht das überhaupt?), „Wähle dein Lieblingscurry“ steht da, zum Beispiel „Curry Mumbai (harmonisierend) frisch, fruchtig, blumig mit wenig Schärfe“. Harmonisierend aber ist gelogen, im Ketchup ist so viel Zucker, dass man es bis zum Wittenbergplatz hört: „Zwischenbier, Zwischenbier!“
Um abzukürzen, denn es muss ja noch zu Konnopke gehen: „Wittys“ am Wittenbergplatz bietet sehr wohlschmeckende bioenergetische Currywurst an, „Krasselts Imbiss“ die grundsolide Variante, allerdings auch Scampis, Spieße und Hühnerbrust, was ich nicht brauche, wenn ich Currywurst will.
Die beliebtesten Berliner Imbisse in Bildern
Kudamm 195, am späten Abend, die Zwischenbiere zeigen Wirkung, Promis, die sonst hier, siehe oben, volksnah noch Currywurst in den Absackerschampus tunken, es gibt in der Welt der Currywurst nichts, was es nicht gibt, sind auch keine da, was eventuell die Qualität der Wurst hätte vergessen lassen.
Konnopke, der Klassiker, der Scheidungsgrund für Altkanzler Schröder von Gattin Hillu, die ihm die Wurst nicht gönnte. Wenn’s denn so stimmt. Es ist, wie es immer ist: voll. Es sind Kamerateams da, die Mutter Waltraud interviewen. Es sind Touris da, die überall in der Welt von Konnopke gehört haben und die Wurst ist: ohne Darm, für meinen Geschmack zu labberig, irgendwie glitschig, die Sauce, die weltberühmte, langweilig.
Beim Sohn Mario. Warum streiten Mutter und Sohn eigentlich? Wo sie doch exakt das Gleiche anbieten, die gleiche Wurst, die gleiche Sauce, nur ein anderer Standort. Zwischenbier, Zwischenbier.
Der Tester, also ich, ist jetzt etwas erschöpft. Auch liegt die Wurst vom Bistro am Anhalter Bahnhof noch schwer im Magen und schlägt aufs Gemüt. Currywursttester in Berlin mögen Heroen sein, sie sind es, unbedingt, aber sie sind auch arme Schweine.
Kein Mitleid bitte. Ich habe am Samstagmorgen bei Gabis Imbiss am Karl-August-Platz die Curry, Schärfegrad 4 zum Abschluss gegessen. Stimmt nicht, ich habe sie genossen. Der Magen beruhigt sich, angenehme Schärfe reizt den Gaumen, die Wurst mundet. Sie muss von Herta Heuwer sein. Ein versöhnliches Testende.
Aber ’ne Bulette mit Senf wäre auch nicht schlecht.
Von kultig bis nobel: Wo man in Berlin eine gute Currywurst essen kann
Wittys Organic Food
Wittenbergplatz 5, Ecke Ansbacher Straße, Schöneberg. Täglich 11 bis 20 Uhr , Telefon 211 94 94 www.wittys-berlin.de
Curry 36
Mehringdamm 36, Kreuzberg. Täglich 9 bis 5 Uhr, Telefon 251 73 68, www.curry36.de, neu am Bahnhof Zoo
Ziervogels Kult-Curry
Schönhauser Allee 20 (U-Bahnhof Senefelderplatz, Prenzlauer Berg. Montag bis Freitag 10 bis 22 Uhr, Sonnabend 12 bis 22 Uhr Telefon 47377100, www.kult-curry.de
Gabis Imbiss
u.a. Wochenmarkt Karl-August- Platz, Charlottenburg. Mittwoch von 8 bis 13 Uhr und Sonnabend 8 bis 14 Uhr.
Wursterei
Hardenbergstraße 29d, Charlottenburg (am Bahnhof Zoo). Täglich von 10 Uhr bis 1 Uhr, Internet www.wursterei.de
Konnopkes Imbiss
Schönhauser Allee 44b, Prenzlauer Berg (unter der Hochbahn U-Bahnhof Eberswalder Straße). Montag bis Freitag 10 bis 20 Uhr, Sonnabend 12 bis 20 Uhr, Telefon 442 77 65
Curry 66
Grünberger Straße 66, Friedrichshain. Sonntag bis Donnerstag 11 bis 24 Uhr, Freitag und Sonnabend 11 bis 1 Uhr
Curry 195
Kurfürstendamm 195, Charlottenburg. Montag bis Donnerstag 11 bis 5 Uhr, Freitag und Sonnabend 11 bis 6 Uhr, Sonntag 12 bis 5 Uhr, Telefon 881 89 42
Krasselts Imbiss
Steglitzer Damm 22, Steglitz. Montag bist Mittwoch 9 bis 24 Uhr, Donnerstag bis Sonnabend Sonnabend 9 bis 1 Uhr, Sonntag 10 bis 24 Uhr
Currywurst-Museum
Schützenstraße 70, Mitte, Nähe Checkpoint Charlie. Täglich 10 bis 22 Uhr (letzter Einlass ist um 20 Uhr). www.currywurstmuseum.com, Eintritt kostet 11 Euro, für Kinder 7 Euro (ling)
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität