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Ein Pfeil zeigt auf der Digital-Konferenz Next Berlin 2013 den Weg zur Bühne für Start-ups.
© dpa picture-alliance

Miele, Samwer, Wohlfarth, Cramer: Mit diesen Prominenten stellt sich der Start-up-Verband neu auf

Christian Miele, Urenkel des Miele-Gründers soll Chef des Start-up-Verbandes werden. Im Führungsteam setzt er auf prominente Gesichter aus der Gründerszene.

Christian Miele hat ein ambivalentes Verhältnis zu seinem Namen. Einerseits ist er stolz auf seinen Ururopa Carl Miele, den Gründer des großen Haushaltsgeräteherstellers. Und wenn der Nachfahre mal ein neues Haushaltsgerät anschaffen müsste, dann stünde auf dem Ersatz natürlich Miele.

Auf dem Schulhof musste er sich dagegen manchen Spruch und den Werbejingle eines Entkalkungsmittels anhören. „Meine Mitschüler wollten mich mit Calgon füttern – es war die Hölle ;-))“, schrieb er auf Twitter in einer Diskussion über die Vorzüge und Nachteile, einen Firmennamen zu tragen.

Auch heute wird er immer wieder auf den Namen und das Unternehmen angesprochen, das derzeit von seinem Onkel Markus Miele geleitet wird.

Christian Miele hat nach seinem Studium sein eigenes Ding gemacht und ist seit zehn Jahren Teil der Berliner Gründerszene, zunächst als Manager und Unternehmer, jetzt als Partner beim Wagniskapitalgeber E.ventures. An diesem Dienstag soll Miele zum neuen Vorsitzenden des Bundesverbands Deutsche Start-ups gewählt werden.

Dann ist er der Cheflobbyist der Szene und muss gegenüber Bürgermeistern oder Bundesministern für mehr Unterstützung und weniger Bürokratie kämpfen. Ursprünglich sollte schon im November gewählt werden. Doch der Termin wurde verschoben, Miele wollte erst den Bericht der Wirtschaftsprüfer abwarten.

Der Netzwerker Christian Miele ist neuer Chef des Start-Up-Verbandes.
Der Netzwerker Christian Miele ist neuer Chef des Start-Up-Verbandes.
© TSP/distriman

 Politik ist Neuland

Mieles Vorgänger Florian Nöll hat den Verband vor sieben Jahren gegründet. Auch Nöll war zuvor Jungunternehmer, doch seine mit Abstand bekannteste Gründung war der Verband. So wurde er stark als Funktionär wahrgenommen. Als er dann auch noch für die CDU um ein Mandat im Berliner Abgeordnetenhaus kämpfte, konnte Berlins Regierender Bürgermeister Nölls Forderungen als parteipolitisch motivierte Attacken abtun. Bei Miele ist das anders. „In der Politik muss ich erst lernen, mich zurecht zu finden“, gibt er zu. Das sei für ihn „Neuland“.

Seine Sporen verdiente er sich wie so viele Berliner Gründer bei Oliver Samwers Firmenschmiede Rocket Internet, wo er den Einrichtungsshop Westwing und den Zahlungsdienst Payleven mit aufbaute. Nach anderthalb Jahren wechselte Miele zum Kreditvermittler Kreditech, eines der ersten Fintechs. Und schließlich gründete er selbst.

Rocket Internet CEO Oliver Samwer wird im Beirat des Verbandes sitzen.
Rocket Internet CEO Oliver Samwer wird im Beirat des Verbandes sitzen.
© REUTERS / Hannibal Hanschke

Netzwerken ist eine Stärke Mieles

Sein erstes eigenes Unternehmen, eine Buchungsplattform für Last-Minute-Tickets, war ein Flop, das gibt er offen zu. „Wir haben alle möglichen Fehler gemacht, die man machen kann“, erinnert er sich. So setzte er groß auf TV-Werbung, obwohl das Produkt nur in Berlin, Köln, Hamburg und München angeboten wurde.

Kunden in Bielefeld oder Nürnberg sahen die Werbung im Fernsehen, konnten die App aber nicht nutzen. So musste Miele den 30 Mitarbeitern sagen, dass es nicht weitergeht. „Die Erfahrung hat mich nachhaltig geprägt“, sagt der Gründer, auch wenn die Leute anschließend zum größten Teil bei befreundeten Unternehmern untergekommen seien.

Netzwerken ist eine Stärke Mieles. Angefangen hat er damit schon in seiner Zeit bei Rocket, als er zusammen mit einigen Kollegen eine Art Selbsthilfegruppe für junge Manager gründete. Aus der Chat-Gruppe wurde eines der wichtigsten virtuellen Netzwerke der Szene. Inzwischen sind in dem so genannten Builders Network über 1000 Gründer und Investoren organisiert, die sich über den Kommunikationsdienst Slack austauschen und einander helfen.

Miriam Wohlfarth von Ratepay wird ebenfalls dem Vorstand angehören.
Miriam Wohlfarth von Ratepay wird ebenfalls dem Vorstand angehören.
© RatePAY

 Verbandsvorsitz will Miele ehrenamtlich ausführen

Miele selbst ist inzwischen Partner bei E.ventures, einem Wagniskapitalgeber, der über verschiedene Fonds insgesamt mehr als 1,5 Milliarden Euro von Otto, Oetker oder Porsche in Start-ups investiert. Fragt man den 32-jährigen, was seine größten Erfolge als Investor sind, sagt er: „Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht, ob ich in dem Job gut bin.“ Denn Wagniskapitalfonds haben Zyklen von zehn Jahren, erst dann zeigt sich, ob die Firmen das Startkapital vermehrt haben.

Anders als sein Vorgänger will Miele den Verbandsvorsitz nicht hauptberuflich ausüben, sondern ehrenamtlich, neben seinem Job. Um das unter einen Hut zu bekommen, hat er sich ein komplett neues Team zusammengestellt. Mit Christoph Stresing und Franziska Teubert sind zwei Geschäftsführer gekommen, die sich um das Tagesgeschäft kümmern.

Die Strukturen werden geändert: Zusätzlich zum Vorstand, dem neben Miele etliche bekannte Unternehmerinnen und Unternehmer wie die Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer oder Miriam Wohlfarth von Ratepay angehören sollen, wird es künftig noch weitere Gremien geben, besetzt mit prominenten Namen.

So konnte Miele Oliver Samwer (Rocket Internet), Klaus Hommels (Lakestar), Johannes Reck (Getyourguide), Valentin Stalf (N26), Hakan Koc (Auto1), Niklas Östberg (Delivery Hero) und Jochen Engert (Flixbus) für den Beirat gewinnen. Darüber hinaus sucht er den Schulterschluss mit der alten Wirtschaftswelt: So wird auch ein Kuratorium eingerichtet, in dem unter anderem Brigitte Mohn, Brigitte Zypries, Ann-Kristin Achleitner, Roland Berger, Maximilian Viessmann und René Obermann sitzen werden.

 Mit großen Namen mehr bewegen

Mit Hilfe der großen Namen hofft Miele, in der Politik mehr bewegen zu können als bisher. Zwar reden Parteien seit Jahren über die Relevanz von Start-ups, in der Praxis aber dominieren oft andere Themen. Um das zu ändern, will Miele „leicht verdauliche Forderungen präsentieren“ und sich in den ersten zwei Jahren auf zwei Kernthemen fokussieren: Die Mitarbeiterbeteiligung und den Zukunftsfonds.

Valentin Stalf N26 Chef sitzt im Beirat des Bundesverband Deutscher Start-ups.
Valentin Stalf N26 Chef sitzt im Beirat des Bundesverband Deutscher Start-ups.
© Doris Spiekermann-Klaas

„Mitarbeiterbeteiligung ist wichtig, um Talente im Land zu halten und aus dem Ausland anzuziehen“, sagt Miele. Doch bei den steuerlichen und bürokratischen Vorgaben, um Angestellte über Aktienoptionen am Unternehmen zu beteiligen, liegt Deutschland nach einer Studie des Wagniskapitalgebers Index Ventures europaweit auf dem vorletzten Platz.

Noch wichtiger ist die Mobilisierung von mehr Wagniskapital. In der Startphase gibt es inzwischen viele, auch staatliche, Förderprogramme. Auch später bekommen erfolgreiche Unternehmen zwar so viel Geld wie nie, mehr als fünf Milliarden Euro dürften es in diesem Jahr werden.

„Bauchschmerzen, wenn ich sehe wie die Gewinne aus dem Land fließen“

Doch in der Wachstumsphase, wenn dreistellige Millionenbeträge benötigt werden, kommt das Geld meist aus den USA oder Asien. „Mit Steuergeldern finanzieren wir die riskanteste Phase und wenn die Geschäftsmodelle funktionieren, sind wir nicht in der Lage nachzuschießen“, sagt Miele. „Ich bekomme da Bauchschmerzen, wenn ich sehe wie die Gewinne dann aus dem Land fließen.“

Schon in mehreren Koalitionsverträgen wurde vereinbart, das zu ändern. Doch bislang lässt der „große nationale Digitalfonds“ auf sich warten. Zwar hat die Bundesregierung einen Beteiligungsfonds für Zukunftstechnologien mit einem Volumen von bis zu zehn Milliarden Euro angekündigt (Tagesspiegel Background berichtete). Aber viele Fragen sind noch offen.

„Wir müssen dringend damit beginnen unsere Vision eines gründungsfreundlichen Deutschlands und Europas zu verwirklichen, damit wir im globalen Wettbewerb bestehen können“, sagt Beiratsmitglied Oliver Samwer. „Wir brauchen dafür sowohl die traditionelle Wirtschaft, aber auch die innovativen Start-ups. Christian Miele vereint die alte Welt und die neue Welt in seiner Person und verkörpert diesen Schulterschluss wie kein zweiter.“

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