Umbruch in der Automobilwirtschaft: Ministerpräsidenten sorgen sich um Standort Deutschland
Die Regierungschefs von fünf Auto-Bundesländern wollen die Zukunft des deutschen Fahrzeugbaus sichern. Erste Maßnahmen: Schnelle Umrüstung von Diesel-Autos und Förderung der Batterieproduktion für E-Mobile.
Stephan Weil sagte es mit Nachdruck: „Deutschland muss Autoland Nummer eins bleiben.“ Der niedersächsische Ministerpräsident von der SPD ist nicht nur Miteigentümer von Volkswagen (das Land ist mit 20,2 Prozent beteiligt), sondern hat auch eine vielfältige Zulieferindustrie im Land. Große Autowerke und davon abhängige Mittelständler – das prägt auch die Wirtschaftsstruktur von Baden-Württemberg (Daimler und Porsche), Bayern (BMW und Audi), Nordrhein-Westfalen (Ford) und Hessen (Opel). Auf Initiative des Stuttgarter Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann – dem „Auto-Grünen“ – setzten sich am Freitag die Ministerpräsidenten dieser fünf Länder zusammen, um Maßnahmen auf den Weg zu bringen, dass Deutschland die Nummer eins bleibt beim Autobau, der nicht zuletzt vom Export lebt und damit davon, dass Wagen „made in Germany“ besser sind als andere.
Vor allem der Diesel-Skandal, ausgehend von VW, hat den Ruf der deutschen Autobauer aber geschädigt. Erstmals haben deutsche Ermittler, wie am Freitag bekannt wurde, jetzt einen mutmaßlich Verantwortlichen für manipulierte Abgaswerte von Dieselfahrzeugen verhaftet, gegen den in den USA ein Strafverfahren läuft. Der 60-jährige Ingenieur von Audi soll Mitarbeiter angewiesen haben, eine Software einzubauen, mit der die US-Kontrolleure getäuscht werden sollten – weil die Motoren aus dem führenden Auto-Land die strengen Vorgaben nicht erfüllen konnten. Dem leitenden Ingenieur werden Betrug und unlautere Werbung vorgeworfen, teilte die Münchner Staatsanwaltschaft mit. Ob er an die USA ausgeliefert wird, ist noch unklar.
Der Diesel ist das Problem
Dieselmotoren sind aber auch in Deutschland zunehmend ein Problemthema. Sie verursachen zu viel Abgas und Feinstaub, weshalb verbreitet Fahrverbote in Großstädten drohen. Die fünf Ministerpräsidenten gehen davon aus, dass trotz der Entwicklung hin zur Elektromobilität Verbrennungsmotoren und damit auch der Diesel „noch eine ganze Zeit lang unverzichtbar sein werden“, wie Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) sagte. Daher soll die Umrüstung von Dieselfahrzeugen auf die neueste Euro-5-Norm forciert werden. Das sei in überschaubarer Zeit möglich, sagte Bayern Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) – und zwar zu Lasten der Industrie, nicht der Kunden. Landeseigene Autoflotten sollen zügig umgerüstet werden. Die Auto-Länder fordern, die beschleunigte Flottenumstellung hin zu schadstoffarmen Dieselautos auch finanziell zu unterstützen – eine Forderung an die Adresse des Bundes. Laut Bouffier geht das „ohne neues Geld“, weil die schon beschlossene Förderung für die E-Mobilität gar nicht voll abgerufen werde.
Kretschmann sorgt sich in dem laufenden „gewaltigen Transformationsprozess“ um die deutsche Technologieführerschaft im Autobau. Zur Förderung der E-Mobilität versprachen die fünf Ministerpräsidenten daher eine Offensive bei der Ladeinfrastruktur mit dem Ziel, dass für eine Fahrt von der Nordsee bis zum Bodensee stets eine Ladestation in Reichweite sein soll. Der Bund sei aufgerufen, hier einheitliche Standards vorzulegen. Zudem sollen die Rahmen- und Investitionsbedingungen für den Aufbau einer Batteriezellfertigung in Deutschland verbessert werden – die Kernfrage der künftigen Produktion von Elektroautos in Deutschland. Die Ministerpräsidenten schlagen daher vor, die Batteriezellfertigung als Industrieprojekt von gemeinsamem europäischem Interesse einzustufen und damit die Förderbedingungen zu verbessern. Der neue NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warb für den an der Uni Aachen entwickelten Street Scooter, den die Deutsche Post bereits nutzt. „Es geht um hunderttausende Arbeitsplätze in ganz Deutschland“, sagte Laschet zur Rechtfertigung der Aktion der Länder.
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