Regierender zu Digitalisierung: Michael Müller: "Berlin muss die Smart City werden"
Smarte Lösungen sollen die boomenden Städte vor dem Kollaps bewahren. Berlin will Vorreiter sein und lädt sich Experten ein.
Manhattan, New York. Stefan Jenzowsky steigt aus dem Wagen, schließt die Tür. Das selbstfahrende Auto entfernt sich. In zwei Stunden soll es Jenzowsky nach dessen Meeting an gleicher Stelle abholen. Es ordnet sich ein in die Reihe der vielen anderen Autos, die leer durch Manhattan kurven – auf der vergeblichen Suche nach einem Parkplatz.
Jenzowskys Zuhörer lachen. Die Geschichte des Siemens-Managers ist nur eine Vision. Aber sie macht klar, worum es geht: Smart wird eine Smart City erst, wenn es gelingt, einzelne intelligente Systeme zu einem Ganzen zu vernetzen. Autonome Fahrzeuge ohne Parkplätze nützen der Stadt der Zukunft nichts.
Wie smart ist smart? Und welche Systeme helfen dabei, Städte intelligent zu machen? 250 Experten hatten Berliner Wirtschaftsverwaltung und die landeseigene Förderbank IBB am Mittwoch in den Spreespeicher eingeladen, um Antworten auf Fragen zur urbanen Zukunft zu finden. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) will die „Creating Urban Tech“ zu einem Fixpunkt für Unternehmen und Wissenschaftler machen. Der Trend zur Verstädterung ist ein weltweiter. Bis Mitte des Jahrhunderts werden nach Schätzungen der Vereinten Nationen etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Gebieten leben. Allein in diesem Jahr erwarte Berlin 45 000 zusätzliche Einwohner, sagte Yzer. „Wir wollen angesichts dieser Entwicklung ein Ausrufezeichen setzen.“
Wie wird aus Müll neue Energie?
Bei Smart City geht es unter anderem um die intelligente Steuerung der Stadt. Wie können sich Menschen dort bewegen, ohne dass die Gefahr eines Verkehrsinfarkts zunimmt? Wie verbrauchen mehr Abnehmer weniger Energie? Und wie weniger Trinkwasser? Wie wird aus Müll neue Energie? Die Digitalisierung soll helfen, die Herausforderungen in sich verdichtenden Ballungsräumen zu bewältigen. Zum Beispiel, indem die Unmengen an Daten, die in Ampeln, Stromzählern oder Bussen entstehen, zusammengeführt und zu intelligenten Lösungen verbunden werden können.
Berlin hat im April dieses Jahres seine Smart-City-Strategie verabschiedet und bewirbt sich beispielsweise bei der EU-Kommission um Fördergelder. Gemeinsam mit der Wirtschaft und Forschungsinstituten soll unter anderem die Gartenstadt Lichterfelde Süd zu einem vernetzten Vorzeigekiez werden. Für Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) sind solche Beispiele nur ein Anfang. „Berlin muss in Deutschland die Smart City werden“, formulierte er bei der Eröffnung der Konferenz einen klaren Führungsanspruch. „Nur mitzumachen, das ist mir für die Bundeshauptstadt zu wenig.“
Die Digitalisierung sei ein entscheidender Katalysator für die Entwicklung der Städte und eine Chance für Berlin, sagte Müller weiter. Er verwies unter anderem auf einen entsprechenden Arbeitskreis, in dem sich Berliner Wissenschaftler und Manager im Sommer zusammengefunden hatten. Dieser werde bereits im Herbst Ergebnisse präsentieren. Auch die Initiative für 100 Digitalprofessuren in Berlin, unter anderem basierend auf einer Idee von Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner, sei ein Signal. „Wir wollen den nächsten Schritt gehen.“
Kein freies W-Lan: "Das ist sehr schlecht"
Ein Milliardenmarkt sind Schnellladestationen für Elektroautos oder Blockheizkraftwerke für Bürogebäude schon heute. Im laufenden Jahr werden in den Smart Citys dieser Welt rund 1,1 Milliarden Ampeln, Stromzähler, Müllcontainer über Sensoren vernetzt sein, glauben die Marktforscher von Gartner. Schon 2017 werde sich die Zahl auf 2,7 Milliarden mehr als verdoppelt haben. Neben dem Geschäft der Technologiekonzerne von Siemens über Cisco und IBM bis hin zu Bosch und SAP warnen Wissenschaftler, die große gesellschaftliche Bedeutung von Smart City nicht zu unterschätzen.
Boyd Cohen, Professor für Entrepreneurship und Stadtforscher, sieht zunächst die Politik in der Pflicht. Sie müsse die Herausforderungen, vor denen Metropolen stehen, definieren. Auf der Suche nach Lösungen solle sie jedoch vor allem auf die Kreativität der Menschen vertrauen – und die Bevölkerung aktiv in den Prozess einbeziehen. „Berlin zeigt viele gute Ansätze“, sagte er. Standorte wie der Euref-Campus, der Cleantechpark oder Adlershof gehörten dazu, auch die E-Mobility-Strategie sei richtig. Auf freies W-Lan hingegen warteten die Berliner seit Jahren. „Das ist sehr schlecht.“