Energiewende: Mehr Firmen werden von EEG-Umlage befreit
116 Firmen hätten durch Stromsparen 2015 ihre Privilegien verlieren können. Aber die Regierung will ihnen keine Effizienzvorgaben machen. Grüne Julia Verlinden findet das falsch.
2305 Firmen wollen 2016 von der Ökostrom-Umlage befreit werden. So viele Anträge liegen dem zuständigen Bundesamt (Bafa) derzeit vor, berichtet die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Julia Verlinden zur sogenannten „Besonderen Ausgleichsregelung“. So werden Unternehmen von der EEG-Umlage befreit, die entweder in einem scharfen internationalen Wettbewerb stehen, oder bei denen der Strompreis einen hohen Anteil an ihren Produktionskosten hat. Obwohl für die großen Stromverbraucher die Vorgabe gilt, zugleich ihre Energieeffizienz zu verbessern, sinkt die Zahl der Antragsteller nicht. Im Gegenteil, 2014 hatten noch 2098 Unternehmen Befreiungsanträge gestellt, 2015 waren es schon 2154.
Julia Verlinden wollte nun wissen, wie die Regierung mit dem Zielkonflikt von Unternehmen umgeht, die mit ihrem Stromverbrauch knapp an den Schwellenwerten für die Befreiung von der Umlage liegen. Für solche Unternehmen kann es betriebswirtschaftlich sinnvoller sein, auf Energieeffizenzmaßnahmen zu verzichten, damit der Stromverbrauch nicht unter den Schwellenwert sinkt, denn dann würde die volle EEG-Umlage von derzeit 6,354 Cent pro Kilowattstunde Strom fällig. In der Antwort von Energiestaatssekretär Rainer Baake (Grüne), die dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es im „Wege der Änderung des EEG“ erarbeite das Wirtschaftsministerium einen Vorschlag, wie „eine Benachteiligung von Unternehmen, die durch Effizienzinvestitionen unter die Schwellenwerte fallen, vermieden werden kann“. Allerdings findet sich im am Freitag in die Verbändeanhörung geschickten Referentenentwurf für das neue EEG kein solcher Vorschlag.
Die Bundesregierung hat aber ermittelt, dass 2015 insgesamt 116 Unternehmen „in unmittelbarer Schwellenwertnähe“ gelegen haben. „Welche konkreten Energieeffizienzpotenziale für diese Unternehmen bestehen, ist der Bundesregierung nicht bekannt“, heißt es. Effizienzinvestitionen seien „Bestandteil der betrieblichen Entscheidungssphäre“ und folgten „wirtschaftlicher Rationalität“. Julia Verlinden kommentiert das so: „Die Bundesregierung gesteht Fehlanreize ein, beabsichtigt aber nicht, diesen Missstand zu beseitigen.“
Wie „im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung Effizienz berücksichtigt werden könnte“, habe die Regierung über ein Gutachten herauszufinden versucht, heißt es in der Antwort. Dabei sei festgestellt worden, dass für die begünstigten Unternehmen „keine Benchmarks existieren, die unmittelbar und mit vertretbarem Aufwand angewandt werden können“. Deshalb habe die Regierung auch nicht vor, von der bei der EEG-Novelle 2014 beschlossene Verordnungsermächtigung, doch noch Effizienzanforderung an die begünstigten Unternehmen zu stellen, Gebrauch zu machen.
Haushalts- und Gewerbekunden, die die volle EEG-Umlage bezahlen müssen, kostet die Begünstigung dieser steigenden Zahl von Unternehmen etwa 1,6 Cent pro Kilowattstunde. Die großen Stromverbraucher dagegen profitieren mit etwa 4,2 Cent pro Kilowattstunde von der Regelung. Das geht aus einem Gutachten von Ecofys und dem Fraunhofer ISI für das Wirtschaftsministerium vom Januar 2015 hervor. Die beiden Institute haben eine ganze Reihe von Gutachten für das Wirtschaftsministerium vorgelegt, die sich durchweg mit der Höhe der Strompreise für die energieintensive Industrie im europäischen Vergleich, ihre Wettbewerbssituation und die Wirkung der Besonderen Ausgleichsregelung auf diese Wettbewerbsfähigkeit befasst. Sie scheinen aber eher als Argumentationshilfe für Nachfragen des EU-Wettbewerbskommissars nach der Begründung für die Beihilfe, denn als Grundlage für eine Änderung der Ausnahmeregelung für die Industrie gedacht zu sein.
Dagmar Dehmer