PR-Angriff oder wahre Verehrung?: Maschmeyer und Freunde - verdächtig positive Kommentare
In Online-Foren wird der umstrittene Unternehmer Carsten Maschmeyer oft dann bejubelt, wenn es Kritik gibt. Dieselben Fans schwärmen auch von Veronica Ferres und Mirko Slomka. Ist das gesteuerte PR oder wahre Verehrung?
Je bewusster den Benutzern der Foren dieser ärgerliche Nebeneffekt des Internets wird, desto stumpfer wird diese Manipulationswaffe. Irgendwann wird es mehr oder weniger nutzlos bleiben, zumal ein großer Teil dieser Fake-Beiträge in einem so offensichtlich einfältigen Claqueur-Stil verfasst sind, dass sie eher zur allgemeinen Belustigung beitragen.
schreibt NutzerIn tweet4fun
Es läuft gerade richtig gut für Carsten Maschmeyer. Mit seinem neuen Buch „Die Millionärsformel“ hat er einen Bestseller geschrieben, er ist neuer Juror in der beliebten Vox-Gründershow „Die Höhle der Löwen“, im Netz wird er dafür in vielen Foren und Kommentarspalten bejubelt. Es läuft auffallend gut für den umstrittenen Unternehmer. Vielleicht zu auffallend?
Wer sich die Berichterstattung über Maschmeyer genauer ansieht, dem fallen Unregelmäßigkeiten auf. Nicht in den Texten selbst, sondern in den Kommentaren, die unter den Artikeln erscheinen. Wird Maschmeyer dort von Lesern kritisiert, melden sich plötzlich vermeintliche Fans zu Wort. Sie verteidigen den Unternehmer, schwärmen von seinen vermeintlichen Leistungen, sie betonen, was für ein toller Mensch er angeblich ist. Immer wieder fallen dieselben vermeintlichen Fans auf, die sich so äußern – und sie stimmen ihre Jubelarien nicht nur unter den Berichten über Maschmeyer an. Sondern sie werden auch aktiv, wenn es um seine Frau, Schauspielerin Veronica Ferres, geht, und um seinen guten Freund, Fußballtrainer Mirko Slomka.
Fans und Likes kann man heute kaufen
Dass man sich seinen guten Ruf erarbeiten muss, gilt heute nur noch bedingt. Mit nur wenigen Klicks kann man sich im Netz Fans und Likes kaufen, Agenturen wie „Fanslave“ bieten schon für 89 Euro „1000 echte Fans“ an. Die feinere Art der Rufoptimierung nennt sich Reputationsmanagement.
Spezialisierte Agenturen überwachen und beeinflussen das Bild einer Person oder eines Unternehmens in der Öffentlichkeit. Per Suchanfrage kontrollieren sie jeden Beitrag, der bei Google und Co. über ihren Mandaten erscheint. Bei negativen oder unrichtigen Angaben wird versucht gegenzusteuern. Eine mögliche Methode: Mit Fake-Profilen Beiträge in sozialen Medien oder Online-Foren zu veröffentlichen, um das jeweils gewünschte Bild zu verbreiten – und damit die öffentliche Meinung in gewisser Weise zu manipulieren.
Die negativen Kommentare werden verdrängt
Doch woher kommt der Verdacht, dass Maschmeyer, Ferres und Slomka sich solcher Mittel bedienen könnten?
Carsten Maschmeyer, 56, wird mit dem Ruf des „Drückerkönigs“ (NDR) verbunden. Tausende Anleger haben mit dem von ihm gegründeten Finanzdienstleister AWD einen Teil ihrer Ersparnisse verloren. 2008 hat Maschmeyer AWD für rund 1,2 Milliarden Euro an die Swiss Life verkauft, heute ist er als Investor tätig. Dabei gibt es auch negative Schlagzeilen, wie kürzlich über seine Investitionen in die dubiosen Cum-Ex-Fonds der Sarasin-Bank, in die auch seine Frau Veronica Ferres,50, und sein Freund Mirko Slomka, 48, investiert hatten.
Diesen Ruf machen Leser zum Thema, als Maschmeyer dem Tagesspiegel vor zwei Wochen ein Interview gibt über seine Rolle als Start-up-Investor und TV-Juror. „Von dem würde ich keinen Euro annehmen“, schreibt ein Nutzer in der Kommentarspalte auf Tagesspiegel.de. „Wenn er was für sein Image tun will ... könnte er doch beispielsweise jährlich 100 lebenslange Partnerschaften für prekäre Rentner verlosen“, spielt ein anderer Leser auf die AWD an – doch auf diese negativen Bemerkungen folgt plötzlich ein regelrechter Sturm positiver Kommentare. Und zwar genau so viele, bis alle negativen Bemerkungen nach hinten verdrängt sind. Wer nur schnell über die Kommentare fliegt, ist deshalb beeindruckt von so viel Zuspruch für den umstrittenen Unternehmer.
„Super Einstellung“, schreibt einer der vermeintlichen Fans. Maschmeyer sei jemand, der „langfristig denkt und investiert. Er will start ups wirklich unterstützen und das nicht nur mit Geld“. „Was besseres kann man sich doch als junger Unternehmer nicht wünschen“, erklärt ein anderer. „Weiter so, Herr Maschmeyer“, wünscht sich ein weiterer Nutzer. Auch Maschmeyers Buch „Die Millionärsformel“ wird gelobt: „Maschmeyer hat mit seinem Buch meiner Enkelin die Augen geöffnet, DASS und WIE man sparen muss, wenn man nicht irgendwann in die Luft gucken will.“
Namen so schön wie von Rosamunde Pilcher
14 der 23 Kommentare sind in diesem Stil verfasst. Keiner der Nutzer hat zuvor einen Text auf Tagesspiegel.de kommentiert, alle haben sich kurz nach Erscheinen des Interviews in der Community registriert, noch dazu, sehr unüblich, mit einem vermeintlichen Klarnamen und zugehöriger E-Mail-Adresse. Es sind Namen, wie sie sich Rosamunde Pilcher nicht schöner hätte ausdenken können: Kristina Larsson, Caroline Weysenhoff, Cathy Kleemann, Marie Storz. Andere der vermeintlichen Fans heißen dagegen bodenständig Manfred Bauer, Stefan Szabo, Dennis Goldmann, Karin Frauert, Marcus Kraft.
Offensichtliche Fake-Beiträge werden von der Community-Redaktion des Tagesspiegels normalerweise nicht veröffentlicht. Schließlich sollen sich Leser offen austauschen können und nicht mit Nutzern diskutieren, die es gar nicht gibt – oder die ein Meinungsbild gar manipulieren wollen. Doch ein so orchestriert wirkendes Vorgehen wie nach dem Maschmeyer-Interview gab es auf Tagesspiegel.de bisher nicht, weshalb es Anlass zur Recherche ist. Sie zeigt: Solche Jubelarien auf Maschmeyer sind kein Einzelfall. Und sie sind ebenso zu finden unter Texten über Ferres und Slomka, verfasst von denselben vermeintlichen Fans.
Mindestens 30 Mitglieder zählt der "Fanclub"
Mindestens 30 Mitglieder zählt der Fanclub. Nachzulesen sind ihre Beiträge in den Kommentarspalten zahlreicher Medien wie Bild.de, Welt.de, Focus.de, Sport1.de, Blick.ch, Gründerszene.de, DasInvestment.com, Finanzen.net und MyHeimat.de.
Beispiel Slomka. Als Sport 1 am 6. April 2016 einen Text darüber veröffentlicht, dass Hannover-96-Präsident Martin Kind Gespräche mit Slomka führt, gibt es im Online-Forum zunächst negative Kommentare von Lesern: „Slomka? Das wäre der nächste große Fehler von Kind!“, „damit legt er sich doch nur selbst ein Ei ins Nest“, „alter Wein in neuen Flaschen? Meist unbekömmlich bzw. funktioniert selten“.
„Slomka ist einfach der beste Trainer, der momentan zu haben ist“
Plötzlich mischt sich wieder der Fanclub ein. „Die Stadt und der Verein hätten es verdient, wenn der erfolgreichste und sympathischste Trainer wieder zurückkäme!“, meint Marcus Kraft. „Zugreifen bei Slomka. Wer soll es denn sonst machen?“, erklärt Stephan-Alexander von Wiese. „Slomka ist einfach der beste Trainer, der momentan zu haben ist“, schreibt Peter Charpentier. „Wäre schön, wenn er wieder zurückkommt“, teilt Sinja Marschalke mit. „Ich sage: Keine Experimente und Slomka eine Chance geben“, betont Deniz Meyer. Die negativen Kommentare? Sind nur noch nach viel scrollen zu finden, mindestens zwölf der 28 Kommentare kommen vom Fanclub.
Die Facebook-Profile zeigen keine oder kaum Aktivität
Über ihre Facebook-Profile können sich Nutzer in vielen Communities anmelden. Doch wer die Profile der vermeintlichen Maschmeyer-Ferres-Slomka-Fans anschaut, findet oft keine oder wenig Aktivität. Beispiel Graf Taunus, der oft auch als "Cream Sahne" kommentiert, Marcus Kraft, Caroline Weysenhoff, Stephan-Alexander von Wiese, Marie Storz, Manfred Bauer, Kevin Schneider oder Florian Bauer.
Die meisten Profile wurden Ende Januar, Anfang Februar angelegt, als auch Maschmeyers Buch „Die Millionärsformel“ erschienen ist. Zufall?
„Die Millionärsformel“ hat auf Facebook wiederum eine eigene Fanpage, im Impressum der Seite steht die Hannoveraner Maschmeyer Group. Hier liken und kommentieren die vermeintlichen Fans Beiträge. Wer jedoch ihre Namen und Fotos in Suchmaschinen wie Google sucht, findet keine weiteren Treffer. Das ist ungewöhnlich in einer Zeit, in der Menschen zahlreiche digitale Spuren hinterlassen.
Das gleiche Facebook-Foto nutzt auch eine Bulgarin
Zwei Ausnahmen gibt es – und sie weisen deutlich auf Fake-Profile hin: Für das Profil von Kristina Larsson wurde ein Foto des polnisches Models Aneta Bykowsk verwendet. Ihr Fotograf Piotr Widerynski teilt auf Anfrage mit, keine Kristina Larsson zu kennen und das Bild nicht für ein solches Profil verwendet zu haben. Beim Abgleich des Fotos von Sinja Marschalke findet sich das gleiche Bild auf Youtube, dieses Mal heißt die Nutzerin jedoch Wanja Kutsarova und kommt aus Bulgarien.
Angeblich aber sind Larsson und Marschalke glühende Fans von Ferres: „Ich hab schon so viel Gutes über das ,Superweib‘ gehört“, schreibt Larsson am 2. März auf Ferres’ offizieller Facebook- Seite, auf der am 1. März für eine Wiederholung des Films „Das Superweib“ im Ersten geworben wird. Auch Marschalke ist begeistert: „War schön, den Film mal wieder zu sehen. Ich finde sowie, dass Öff-Rechtl. Sender mehr deutsche Filme bringen sollten.“ Auch Manfred Bauer, Marie Storz und Co. bejubeln die Schauspielerin.
„Endlich bekommt meine Vroni den Fame, den sie verdient"
Noch größer ist die Euphorie unter einem Beitrag auf Bild.de, in dem vor einem Monat über Ferres’ neuen Film mit Robert De Niro berichtet wird. „Super – freue mich total, dass man Veronica mal in einer Komödie sieht! Das ist für uns auch mal schön, nicht immer nur diese ganz ,jungen Dinger‘ zu sehen, sondern ,echte‘ Frauen mit Klasse!!!“, lobt Manfred Bauer. Mareike Suhr schwärmt: „Die Frau ist enorm wandelbar. Mir scheint auch, dass sie vor allem mit älteren Herren aus dem Filmbusiness gut zurecht kommt.“ Deniz Meyer fantasiert: „Stellen Sie sich mal Ferres bspw. in House of Cards vor. Das wäre was!“ Graf Taunus jubelt: „Endlich hat nach Christoph Waltz mit Veronica Ferres wieder eine Deutsche so viel Erfolg in Hollywood!“, „Endlich bekommt meine Vroni den Fame, den sie verdient. Glückwunsch!“, teilt Sinja Marschalke mit.
Zuvor hatten andere Nutzer über Ferres gelästert als „wenig respektable Frau“, „warum gerade die?“, „bei der wird mir immer speiübel“ – das konnte der Fanclub offensichtlich nicht stehen lassen. Mindestens 23 der 89 Kommentare kommen aus seiner Runde.
"Der Typ gibt echt einleuchtende Tips"
Auch zu Maschmeyer sind zahlreiche solcher Beispiele zu finden. Als die „Welt“ ihn am 10. Februar zur „Millionärsformel“ interviewt, verteidigen ihn die Fans im Forum. „Verstehe gar nicht, wo bei einigen Leuten hier das Problem liegt. Der Typ gibt echt einleuchtende Tips“, schreibt Dennis Goldmann. „Ich finde Maschmeyers Gedanken über die finanzielle Unabhängigkeit sehr reizvoll“, stimmt Deniz Meyer zu.
Als die „Rhein-Neckar-Zeitung“ am 16. Februar über die Klage von MLP gegen Maschmeyer berichtet, sind die Reputationsretter ebenfalls im Einsatz. „Und wieder einmal war MLP ganz offensichtlich im Unrecht und versucht die Wahrheit zu verdrehen. ist ja nicht das erste mal“, kommentierte Florian Brauer. Er könne „eine neutrale Position der Redaktion zu einem offenen Verfahren nicht erkennen“, kritisiert Deniz Meyer die „RNZ“.
Auch Maschmeyers umstrittenen AWD-Geschäften geben die Fans einen ganz eigenen Dreh. Als die „Gründerszene“ am 18. Januar fragt, ob Maschmeyer ein guter Investor ist, mischt sich in der Kommentarspalte wieder einmal Sinja Marschalke ein: „Verstehe ich was falsch? Hat der nicht mit AWD sehr erfolgreich gearbeitet? Warum fragt man dann jetzt, ob er ein guter Investor ist?“. Als Focus.de am 10. Februar über ein Interview von Maschmeyer im „Stern“ berichtet, gibt es 42 Kommentare, darunter fast 20 von den fleißigen Fans: „Ein anständiger Mann, der aus seinen Fehlern lernt“, betonte Graf Taunus. „Einfach, aber wahr und ehrlich!“, lobt Deniz Meyer Maschmeyers Finanztipps. „Menschlich anständig“ nennt Manfred Bauer den umstrittenen Unternehmer.
Ist dies alles gesteuerte PR oder doch wahre Fanverehrung?
Gerne würde man wissen, was die Fans bewegt, sich so sehr für Maschmeyer, Ferres und Slomka einzusetzen. Ist dies alles gesteuerte PR oder doch wahre Fanverehrung?
Doch so aktiv wie die Fans in den Foren sind, so schweigsam reagieren sie auf eine Anfrage per Mail an die Adressen, die sie unter dem Tagesspiegel-Interview angegeben haben. Keiner der Fans antwortet, außer Marie Storz – jedoch erst, nachdem es bei Maschmeyer ein Anfrage zu den Auffälligkeiten unter dem Interview gibt. Sie habe bisher mit der Presse noch nie zu tun gehabt und fühle sich etwas unsicher, schreibt Storz. „Vielleicht können Sie mir ja erstmal per Email Ihre Fragen schicken beziehungsweise sagen, worum es geht?“, fragt sie – was wiederum nach einem sehr erfahrenen Umgang mit Journalisten klingt. Auf die Bitte, sich telefonisch zu melden, gibt es keine weitere Rückmeldung.
Werden die Kommentare direkt von der Maschmeyer Group gesteuert?
Die Agenturen von Ferres und Slomka teilen mit, keine Unternehmen mit Reputationsmanagement beauftragt zu haben. Auch „Die Höhle der Löwen“-Sender Vox verneint einen solchen Auftrag, Maschmeyers Verlag Ariston reagiert nicht auf die Anfrage. Markus Wieser von Maschmeyers Kommunikationsagentur CNC Communications ("Reputation aufbauen und schützen) betont, dass solche Dienstleistungen „eindeutig nicht zu unserem Beratungsspektrum“ gehörten. „Im Übrigen würden wir unseren Mandanten auch immer empfehlen, solche Manipulationen nicht vorzunehmen“, erklärt Wieser. Bisher seien die Mandanten „auch noch nie mit einem derartigen Ansinnen an uns herangetreten, auch nicht Herr Maschmeyer“.
Maschmeyer habe es "nicht nötig, Claquere anzuheuern"
Werden die Kommentare dann also direkt von der Maschmeyer Group aus gesteuert, die auch im Impressum der Facebook-Seite steht? „Die These, dass Herr Maschmeyer es nötig hätte, Claqueure anzuheuern oder ,Gefälligkeitskommentatoren‘ zu aktivieren, ist abwegig“, teilt ein Mitarbeiter mit. „Die kommentarabgebenden Personen sind uns nicht bekannt, wir haben Sie auch nicht beauftragt.“ Deshalb stelle sich auch nicht die Frage, ob es nicht eher Maschmeyers Reputation schadet, wenn in einem so auffälligen Stil orchestrierte Kommentare von vermeintlichen Fans verfasst werden – aber genau diese Frage stellt sich eben doch, so auffällig, wie die Kommentare sind.
„Wir würden unseren Kunden von so einem Vorgehen abraten“
„Wir würden unseren Kunden von so einem Vorgehen abraten“, erklärt Jannis Ritterspach, der mit seiner Berliner Agentur Xava Media Reputationmanagement betreibt. „Die Gefahr ist zu groß, dass die Manipulation erkannt wird. Dadurch wird der Ruf eher ruiniert.“
Das dürfte so oder so kaum Maschmeyers Anliegen sein. Schließlich läuft es gerade sehr gut für ihn. Seine Fans jubeln.
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