Oxfam-Studie zu Ungleichheit: Männer besitzen 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen
Die Ungleichheit ist groß – auch zwischen Frauen und Männern. Weil Pflege und Hausarbeit an ihnen hängen bleiben, sind viele Frauen von Armut bedroht.
Tendai Chauke muss sich um Wasser für ihre siebenköpfige Familie kümmern. In ihrem Dorf in Simbabwe heißt das: In der Trockenzeit drei bis vier Kilometer bis zur nächsten Quelle laufen und mit schwerem Eimer auf dem Kopf zurück.
In der Regenzeit ist es wenigstens nur ein Kilometer. Kochen, Waschen, sich um die fünf Kinder kümmern kommen dazu. Und die Arbeit auf dem Feld. Zeit für einen bezahlten Job bleibt nicht. Ihr Mann hilft Tendai im Haus nur begrenzt, er holt immerhin das Feuerholz zum Kochen.
Das Beispiel von Tendai stammt aus dem jüngsten Bericht zur globalen Ungleichheit, veröffentlicht von der Entwicklungsorganisation Oxfam. Denn die ist nicht nur zwischen Reichen und Armen groß sondern auch zwischen Frauen und Männern. „Im Schatten der Profite“ ist die Studie betitelt, die Oxfam vor Beginn des Weltwirtschaftsforums vorlegt, zu dem sich ab Dienstag die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft im Schweizer Wintersportort Davos treffen, um aktuelle Fragen zu diskutieren. Der Untersuchung zufolge besitzen Männer 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen.
Ein Grund dafür: Weltweit leisten Frauen und Mädchen den Großteil der Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit – pro Tag, schätzt Oxfam, 12,5 Milliarden Stunden. Würden sie dafür zum Mindestlohn bezahlt, läge der Gegenwert bei elf Billionen Dollar im Jahr, rechnet die Entwicklungsorganisation vor: 24 Mal mehr als Apple, Google und Facebook zusammen verdienen.
Im Alter fehlt Frauen das Geld zum Leben
Die Folge: Frauen haben durch unbezahlte Arbeit ein höheres Armutsrisiko. Weltweit verdienten sie im Schnitt 23 Prozent weniger als Männer. Die verfügten über ein um die Hälfte höheres Vermögen. Die Altersvorsorge, wenn es sie überhaupt gibt, sei bei Frauen deutlich schlechter. Dabei arbeiten sie global im Schnitt, so die Studie, pro Tag mehr als Männer – sieben Stunden und 28 Minuten zu sechs Stunden und 44 Minuten. Männer jedoch werden für gut fünf Stunden bezahlt, Frauen nur für drei.
Und die Klimakrise verschärfe die Situation, sagt Oxfam. Weil es in immer mehr Gebieten nicht ausreichend Wasser gibt, müssen Frauen und Mädchen beträchtliche Wege zurücklegen, um Wasser zu holen. Mehr Überschwemmungen und Dürren beeinträchtigten die Landwirtschaft, es wird schwerer, Gemüse anzubauen. In der Folge müssten Frauen im globalen Süden noch mehr Stunden in die Versorgung ihrer Familien investieren als bislang.
„Diese Zahlen sind Ausdruck eines Wirtschaftssystems, das vor allem für wohlhabende Männer funktioniert“, sagt Ellen Ehmke von Oxfam Deutschland. „Weltweit erbringen Frauen und Mädchen jedes Jahr Pflege- und Sorgeleistungen, die das Vermögen der Superreichen bei Weitem übersteigen.“
Doch während die einen Dividenden kassierten, tauche die Leistung der anderen nicht einmal in den Wirtschaftsstatistiken auf. Hausarbeit, Pflege- und Fürsorgetätigkeiten in Familien, Haushalten und Gemeinschaften würden als unproduktiv betrachtet.
In Deutschland übernehmen ebenfalls die Frauen die Sorgearbeit
Auch in Deutschland gilt Oxfam zufolge: Wer pflegt, verliert. Selbst wenn Mütter hierzulande nach der Geburt wieder arbeiten gingen, verdienten sie im Schnitt 61 Prozent weniger als die Väter. Dazu kommt, dass auch in Deutschland die Hausarbeit und die Versorgung von Kindern und Pflegebedürftigen meist an den Frauen hängen bleibt. Sie leisten 52 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer.
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschland (KFD) kritisiert das seit langem und fordert deshalb etwa mehr Elternzeit und zwar gekoppelt an die Verpflichtung, dass beide Partner mindestens sechs Monate nehmen.
Außerdem sei eine bessere Anerkennung von Pflege bei der Rente nötig, sagt Heide Mertens, Abteilungsleiterin bei der KFD. Gerade in Deutschland stehen viele Frauen im Alter finanziell schlecht da. Nach Angaben der OECD erhalten Frauen hierzulande 46 Prozent weniger Rente als Männer. In keinem OECD-Land ist die Rentenlücke damit so groß wie in Deutschland.
Andreas Peichl, der am ifo-Institut das Zentrum für Makroökonomie leitet und zur Ungleichheit forscht, warnt jedoch davor, die Daten überzuinterpretieren. „Bei den meisten Ehepartnern übernimmt der Mann dafür einen Großteil der Rechnungen“, sagt Peichl.
Die Zahlen würden daher kaum etwas über die tatsächliche finanzielle Situation der Frauen aussagen. Um Zweifel wie diese auszuräumen, lässt das Bundesfamilienministerium derzeit untersuchen, ob die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern in Deutschland tatsächlich mit der ungleichen Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit zusammenhängt. Ergebnisse soll es noch in diesem Jahr geben.
Oxfam zufolge hat die Bundesregierung aber nicht nur eine Verantwortung für die Situation der Frauen in Deutschland. Nur ein Prozent der deutschen Entwicklungsgelder würde bislang explizit für die Frauenförderung eingesetzt. Oxfam fordert, diesen Anteil auf zehn Prozent zu erhöhen. Das könnte womöglich auch Familien wie der von Tendai Chauke helfen. Weil sie nicht arbeiten gehen kann, fehlt sogar zeitweise das Geld für die Schulgebühren der Kinder.
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