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Früher waren die Strände an der türkischen Riviera voll.
© p-a/dpa

Tourismus in Terrorzeiten: Lieber Andalusien als Antalya

Aus Angst vor weiteren Anschlägen buchen die Deutschen weniger Reisen nach Ägypten, Tunesien und in die Türkei.

Einen sorgenfreien Urlaub wünscht man sich, doch bei vielen Deutschen sind die Sorgen schon vor der Reise zuletzt ziemlich groß gewesen. Nach Angaben von Tui, dem größten Touristikunternehmen Europas, haben sich in den vergangenen Tagen vermehrt Kunden über die Sicherheitslage in den Baderegionen informiert. Sie alle haben Angst vor Terroranschlägen, wie es sie in Tunesien gegeben hat, in Ägypten – und vor allem in der Türkei. Dort häufen sich Selbstmordattacken und Bomben vor allem im Südosten des Landes.

Vor allem das Attentat zwischen Blauer Moschee und Hagia Sofia in Istanbul, bei dem zwölf deutsche Touristen starben, traf den Reisemarkt. Die Branche erwirtschaftet immerhin zwölf Prozent der türkischen Gesamtwirtschaft und stellt jeden zehnten Arbeitsplatz. Doch die türkische Regierung scheint die Lage nicht in den Griff zu bekommen. Erst am 19. März kam es in Istanbul wieder zu einer Explosion. Zwei Tage zuvor wurden die deutsche Botschaft in Ankara und das Generalkonsulat in Istanbul wegen Terrorwarnungen geschlossen.

Für die Urlaubsbranche kommt das zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Die Buchungsphase für die Sommersaison läuft, schon Anfang Januar lagen die Zahlen 40 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Trotzdem hofft die Branche, dass es noch etwas wird mit Buchungen in die Türkei. „2016 dürfte für die Türkei eher ein Spätbucherjahr werden – vorausgesetzt, die Lage entspannt sich“, sagt Sibylle Zeuch, Sprecherin des Deutschen Reiseverbands (DRV). In Tunesien und Ägypten seien die Buchungsrückgänge sogar noch dramatischer als in der Türkei.

Die Touristen würden nun verstärkt in den westlichen Mittelmeerraum reisen. „Spanien, Italien, Portugal, auch Bulgarien und Deutschland profitieren derzeit davon“, sagt Zeuch. Die Anbieter würden vor allem ihr spanisches Angebot derzeit aufstocken. Aber das, was nachgekauft werde, sei später auch teurer. „Man sollte sich rechtzeitig entscheiden und nicht auf Last Minute hoffen.“ Derweil sind die Krisenmanagement- Seminare des DRV gut nachgefragt. Hier lernen Mitarbeiter von Reisebüros und Veranstaltern, wie sie bei Naturkatastrophen und politischen Unruhen in Urlaubsorten am besten reagieren. Und reagieren müssen sie, denn die Terrorangst drückt zunehmend aufs Geschäft.

40 Prozent weniger Touristen

Reisen in die Türkei blieben auch beim Tui-Konzern mit minus 40 Prozent hinter dem Vorjahr zurück. „Vor dem letzten Attentat hatten wir eine positive Tendenz, die Buchungszahlen zogen leicht an“, sagt Sprecherin Susanne Stünckel. Istanbul spiele für Tui zwar keine große Rolle als Urlaubsziel, die Nachrichten vom Bosporus wirken sich aber negativ auf die Nachfrage für die Riviera und die Ägäis aus, wo die Sicherheitslage eigentlich unverändert ist. Anders in Frankreich: Hier brummt das Geschäft an der Côte d’Azur auch nach den November-Anschlägen in Paris. Für Umbuchungen und Stornierungen habe es nicht viele Anfragen gegeben. Allein für Istanbulreisen bieten Tui und weitere große Reiseveranstalter wie Thomas Cook gebührenfreie Stornierungen an. Das Angebot gilt für Buchungen mit einer Ankunft bis zum 31. März, DER Touristik verlängert die Frist bis zum 30. April.

Wer danach an den Bosporus reist, kann nur auf die Kulanz der Anbieter hoffen. Ein Recht auf Stornierung und Umbuchung gibt es nicht, denn momentan hat das Auswärtige Amt keine Reisewarnungen ausgegeben, lediglich Sicherheitshinweise. Demnach sollten öffentliche Plätze und touristische Attraktionen gemieden werden – keine schöne Aussicht für einen Istanbul-Trip. Bei Tui beobachtet man schon einen kräftigen Preisnachlass, was aber nicht nur an der Angst vor Terror liege, sondern auch an Russland – nach Deutschland zweitwichtigster Entsendemarkt für den türkischen Tourismus.

Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets Ende 2015 an der türkisch-syrischen Grenze hat Russlands Präsident Wladimir Putin Sanktionen gegen Ankara verhängt, tausende Reisen russischer Türkei-Urlauber wurden storniert. „Darauf haben die Hoteliers reagiert. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist jetzt unschlagbar“, sagt Tui-Sprecherin Stünckel. Die DRV-Prognosen, dass Spanienreisen nun teurer werden könnten, bestätigt sie. „Das Land ist jeden Sommer ausgebucht, das wird nun noch früher der Fall sein.“

Spanien und Italien bleiben Spitzenreiter

Wann sich die Buchungssituation gerade für die türkischen Badeorte wieder normalisiert, sei schwer zu sagen. „Wenn es wie im Januar deutsche Opfer bei Anschlägen gibt, hat das einen größeren Effekt als ohnehin schon.“ Beim Türkei-Spezialisten Öger Tours versucht man die Lage positiv zu sehen. „Die Nachfrage ist derzeit schwächer als im Vorjahr, aber noch auf einem vergleichsweise hohen Niveau.“

Die vielen deutsch-türkischen Reisenden und Stammkunden würden trotz der angespannten geopolitischen Lage fliegen. Generell steht die Türkei in der Gunst deutscher Urlauber gut da und belegt seit Jahren Platz drei der beliebtesten Auslandsziele hinter Italien und Spanien. Europas zweitgrößter Reisekonzern Thomas Cook, zu dem Öger Tours gehört, hat gerade verkündet, dass die Buchungen insgesamt im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent abgenommen haben. Die Londoner Börse reagierte, die Aktien fielen um mehr als vier Prozent.

Terrorangriffe auf touristische Ziele treffen besonders die Papiere von Reisekonzernen, Hotelketten und Flughäfen. Der Konzern Fraport betreibt auch den Flughafen in Antalya, für den 2016 ein deutlicher Rückgang im Wachstum erwartet wird. Nach der Vorlage des Geschäftsberichts stürzte die Fraport-Aktie deshalb um bis zu acht Prozent ab – und das noch drei Tage vor dem letzten Anschlag in Istanbul.

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