zum Hauptinhalt
Neuanfang. Ein schrittweiser Wiedereinstieg in den Job und Workshops zur Selbsthilfe erleichtern das Zurückkommen.
© SSilver - Fotolia

Krankheit und Beruf: Licht am Ende des Tunnels

Wer eine Krebs-Therapie überstanden hat, kehrt verändert in das Berufsleben zurück. Wie man den richtigen Weg für sich findet – und wo es Unterstützung gibt.

Nathalie Sandberg* hatte beruflich stressige Zeiten hinter sich: Zuerst ging ihr Arbeitgeber in Konkurs, dann wurde die Firma von einer anderen übernommen. Sie verlor ihren Arbeitsplatz und fand vor drei Jahren einen neuen. Bei einem Energiedienstleister, der deutschlandweit tätig ist, sollte sie von Berlin aus ein kleines Team mit zwei Mitarbeitern aufbauen. Alles lief gut, der Job machte ihr Spaß. Er war ihr „sicherer Hafen“, erzählt sie.

Es war nach dem Ende ihrer Probezeit, als sie einen Knoten in ihrem Körper ertastete. Sie ging zum Arzt. An einem Freitag, sie weiß den Tag noch genau, bekam sie die Diagnose: Brustkrebs.

Allein 2011 sind laut Berliner Krebsregister etwa 17 400 Menschen in der Stadt neu an Krebs erkrankt. Tendenz steigend: Für 2014 gehen Experten von 19 060 aus. Doch auch die Heilungschancen werden besser – und für viele wird es möglich, nach der Rehabilitation wieder Arbeiten zu gehen. Doch die Welt sieht dann oft ganz anders aus.

„Komplett aus dem Leben geworfen“, fühlte sich Nathalie Sandberg nach ihrer Diagnose. Was nun? Sie ging die Sache – wie bislang fast alles in ihrem Leben – pragmatisch an, vereinbarte einen Termin mit einem Chirurgen. Dann telefonierte sie mit ihrem Bereichsleiter, versicherte sich, dass es sich um ein vertrauliches Gespräch handelt, teilte ihm ihren Befund mit, und dass sie in den nächsten Monaten nicht arbeiten könne. Den direkten Gesprächsstil, dass er nicht um die Sache herumredete, empfand Sandberg als sehr angenehm. Diese offene Kommunikation half ihr später auch bei der Rückkehr in den Job.

Manchen wird gekündigt - unzulässigerweise

Sandberg arbeitet für ein größeres Unternehmen. Das macht die Sache einfacher. Ab einer bestimmten Betriebsgröße lassen sich langzeitige Ausfälle leichter auffangen. Wer für kleinere Firmen tätig ist, hat es häufig schwerer. Sandberg hat während der Chemotherapie Frauen kennengelernt, die während der Therapie gekündigt wurden. Obwohl das rechtlich nur unter ganz bestimmten Bedingungen zulässig ist.

Krebs-Patienten erleben „Druck von allen Seiten“, weiß Susanne Kaszinski von der Berliner Beratungsstelle für Beruf, Bildung und Arbeit „Kobra“: Der Arbeitgeber fragt nach, die Krankenkasse ruft immer wieder an, auch Ärzte oder die Arbeitsagentur stehen auf der Matte. Wichtig, sagt Kaszinski, ist es, für sich selbst den en richtigen Zeitpunkt für die Rückkehr zu finderichtigen Zeitpunkt für die Rückkehr zu finden. In den Workshops erarbeitet sie mit Patienten deshalb Kriterien zur Selbsteinschätzung. Arbeits- und Leistungsfähigkeit, emotionale Stabilität werden reflektiert. „Wo stehe ich jetzt?“ Auch die Erkenntnis, dass es definitiv jetzt noch nicht so weit ist, kann für Betroffene entlastend wirken.

Nathalie Sandberg hatte das Glück, dass ihr Chef sehr verständnisvoll war. Er kannte das Problem, bei ihm in der Familie war selbst jemand an Krebs erkrankt. Er gab ihr die Zusicherung: Dein Job ist sicher. Um die zwei neuen Mitarbeiter, die sie hätte einarbeiten sollen, kümmerte sich jemand anders. „Ich konnte mich auf mich selbst konzentrieren“, sagt Sandberg. Ohne Sorge, hinterher vielleicht ohne Arbeit dazustehen. Manchen Krebserkrankten droht dagegen der Jobverlust – und damit ein Abrutschen in die Armut.

Die Ärzte schauen von Vierteljahr zu Vierteljahr

Wirklich abschätzen, wie lange eine Therapie dauert, kann man vorab nicht. „Von Vierteljahr zu Vierteljahr“, schauen die Ärzte, wie es läuft und wie viel Zeit man noch zur Rehabilitation braucht. Bei Sandberg kam nach der ersten Operation eine Chemotherapie. Dann hatte sie mit Folgeerkrankungen zu kämpfen. Anschließend eine weitere OP. Insgesamt war sie fast eineinhalb Jahre im Krankenstand.

Das „Hamburger Modell“ erlaubt Angestellten eine stundenweise, flexible Rückkehr in den Beruf. Finanziell abgesichert sind sie dabei durch das Krankengeld – bis sie wieder ihr volles Gehalt beziehen.

Den einen, richtigen Weg für den Wiedereinstieg gibt es nicht. Verschiedene Punkte sind laut Susanne Kaszinski gut abzuklären: Wie viele Stunden wird man zu Beginn arbeiten? Kann man dieselben Aufgaben übernehmen wie früher oder muss man Aufgaben tauschen? Wie steht es mit Dienstreisen und ist der Arbeitsort noch geeignet? Für stark immungeschwächte Personen zum Beispiel ist Arbeit in einem Großraumbüro ein Gesundheitsrisiko.

Und will man überhaupt zurück? Für viele sei die schwere Krankheit auch ein Anlass, sich beruflich umzuorientieren, weiß Kaszinski, sie bewerten Sinnhaftigkeit plötzlich anders. Manche wechseln auch in die Selbstständigkeit, weil sie dort flexibler auf ihre Bedürfnisse eingehen können, zum Beispiel Pause machen, wenn es nötig ist.

Sandberg hat mit zwei Stunden pro Tag wieder angefangen. „Ich arbeite in einer Männerbranche, die Kollegen haben erst mal gelacht“, erzählt sie. Nach eineinhalb Jahren Krankenstand musste sie erst wieder einen Arbeitsrhythmus finden. Zu den zwei Stunden reine Arbeitszeit pro Tag kamen außerdem jeweils noch fast eine Stunde An- und Rückfahrt. Nach insgesamt vier Stunden auf den Beinen, fiel Sandberg zuhause erschöpft auf das Sofa, zu müde, um sich ein Abendessen zu machen.

Eine häufige Folgeerscheinung nach einer Krebstherapie ist das Fatigue-Syndrom. Der Körper ist nicht mehr so belastbar, braucht sehr viel mehr Zeit, sich zu regenerieren. Dazu kommen Nachwirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten. Sandberg taten die Füße und Knochen weh, sie hatte Gelenkschmerzen. Am Anfang nur zwei Stunden pro Tag, „ich bin hart geblieben“, sagt sie. Nach zwei Wochen hatte sie wieder mehr Kondition und konnte sich nach der Arbeit auch wieder etwas kochen. Nach vier Wochen steigerte sie auf vier Stunden pro Tag, dann folgte eine Vier-Tage-Woche mit sechs Stunden. Seit Anfang dieses Jahres ist sie wieder in Vollzeit tätig.

Es hilft ihr, dass der Arbeitgeber flexibel reagiert

Die Flexibilität ihres Arbeitgebers, ihre Stunden so zu schieben, wie sie es brauchte, ist ihr dabei sehr entgegengekommen. Es läuft gut, sagt Sandberg, sie ist inzwischen in einem „guten Zustand“, sagt sie. Doch es gibt Tage, an denen sie Schmerzen hat oder wieder erschöpft ist. Viel stärker erschöpft als sie das von früher her kennt.

Nach wie vor hat Sandberg viele Termine bei Ärzten. Alle drei Monate geht sie zur Nachsorge und lässt sich auf Gebärmutterhalskrebs testen, alle sechs Monate geht sie zur Mammographie. Bei jedem Test hofft sie, dass alles gut sein wird und kann doch erst nach dem Ergebnis wieder richtig durchatmen. Für Nathalie Sandberg ist das alles „die Arbeit der Kranken“. Die Krebs-Nachsorge ist zu ihrem Nebenjob geworden.

*Name von der Redaktion geändert

Zur Startseite