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Nicht ausgelastet. Die Internationale Energiebehörde IEA hat ihre Prognose für die weltweite Öl-Nachfrage für 2014 um 180 000 Barrel pro Tag gesenkt.
© picture-alliance/ dpa

Öl und Benzin immer billiger: Krisen drücken den Spritpreis

Der Öl-Preis ist so niedrig wie seit 14 Monaten nicht mehr. Warum Krieg und Krisen in den Lieferländern den Sprit billiger machen.

In den Sommerferien ging es bergab: Fünf Wochen lang sanken der Ölpreis und die Spritpreise an den Tankstellen – während sich gleichzeitig die Krisen im Gazastreifen, im Irak und in der Ukraine von Tag zu Tag zuspitzten. Vergangene Woche näherte sich der Preis für ein Fass (159 Liter) Nordseeöl der 100-Dollar-Marke. Anfang Juni waren es noch 15 Dollar mehr. Öl ist so billig wie seit 14 Monaten nicht mehr. Ein Liter Super-Benzin E10 kostete am Dienstag an Berliner Tankstellen im Schnitt 1,504 Euro.

„Früher reichte schon ein Streik der Ölarbeiter in Nigeria, um den Spritpreis nach oben zu treiben“, sagt Rainer Wiek vom Hamburger Energie-Informationsdienst (EID). Heute brenne es in wichtigen Ölförderregionen – und der Preis für Benzin bleibe seit Wochen „stabil niedrig“. Spekulationen auf Versorgungsengpässe beim Rohöl? Fehlanzeige. Die Internationale Energiebehörde (IEA) spricht im Gegenteil von einer Ölschwemme, der gleichzeitig eine geringe Nachfrage gegenüberstehe. „Der Markt konzentriert sich ganz auf die Fundamentaldaten: Angebot und Nachfrage“, stellt Rainer Wiek fest. „Es wird weniger spekuliert.“

Es wird nicht mehr auf Hamsterkäufe und Engpässe spekuliert

Für den Mineralölwirtschaftsverband (MWV), die Interessenvertretung der Sprit-Branche, zeigt sich an der Entwicklung, dass die Spritpreise nicht willkürlich rund um Wochenenden, Feiertage und Ferien angepasst werden – zulasten der Autofahrer: „Das sind Weltmarktpreise, die sich nicht an nationalen oder regionalen Ferienkalendern orientieren“, teilte MWV- Hauptgeschäftsführer Klaus Picard mit.

Tatsächlich reagiert dieser Öl-Weltmarkt rationaler als in der Vergangenheit auf die Krisen- und Konjunkturszenarien. Die betriebs- und gesamtwirtschaftlichen Folgen von Sanktionen, geopolitischen Konflikten und Unsicherheit sind spürbar: Es wird weniger Öl nachgefragt. Russlands Wirtschaft zum Beispiel fällt nicht nur wegen der Sanktionen zurück, sondern auch, weil die Petrodollars nicht mehr rollen. Rund 40 Prozent der Einnahmen des russischen Staates stammen aus dem Export von Rohöl. Statt auf Hamsterkäufe und Engpässe zu spekulieren, wetten die Finanzinvestoren auf weiter fallende Nachfrage und Notierungen. „Die Fonds schichten um“, sagt Wiek vom EID. Eine überraschend schwache Konjunktur in China dämpfte die Wachstumserwartungen für die Weltwirtschaft zusätzlich. Kursgewinne bei der US-Währung machen Öl in den Ländern außerhalb des Dollarraums teurer und bremsen so ebenfalls die Nachfrage. Die IEA hat ihre Prognose für die weltweite Öl-Nachfrage für 2014 um 180 000 Barrel pro Tag gesenkt. Dem steht ein steigendes Angebot gegenüber: „Zur guten Versorgung der Produktmärkte trägt die starke Rohölförderung der USA von 8,7 Millionen Barrel pro Tag bei, dem höchsten Stand seit 1987“, erklärte der MWV.

Mehr Transparenz zahlt sich für die Verbraucher aus

Die Verbraucher nehmen die Auswirkungen der Großwetterlage an der Zapfsäule gerne zur Kenntnis. „Wer wach durch die Welt fährt, tankt günstiger“, meint Rainer Wiek und verweist auf die inzwischen mehr als 30 Dienstleister, die über die Markttransparenzstelle des Bundeskartellamts Spritpreise per App oder Internet verbreiten. Seit September 2013 müssen Tankstellen ihre Preise melden. „Mehr als 14 000 von 14 500 deutschen Tankstellen werden inzwischen erfasst“, sagt ein Kartellamtssprecher. Sachlich begründete Beschwerden von Verbrauchern gebe es kaum. Auch habe das Kartellamt noch keinen Tankstellenbetreiber wegen falscher oder verspäteter Meldungen abmahnen müssen. Das System sei in kurzer Zeit ohne großen bürokratischen Aufwand installiert worden und werde von Anbietern und Autofahrern gut angenommen. „Es gibt aber nach wie vor riesige Preisunterschiede und große Schwankungen“, sagt der Behördensprecher. Es lohne sich deshalb, die Dienste der Markttransparenzstelle zu nutzen.

Ob mehr Transparenz den Preis an der Zapfsäule drückt, lässt sich nicht verifizieren. Zu vielfältig sind die Einflüsse auf den Endverbraucherpreis, der sich hierzulande zu 60 Prozent aus Mineralöl- und Mehrwertsteuer zusammensetzt. Geblieben ist die knappe Marge, mit der im Tankstellengeschäft kalkuliert wird. Für Beobachter wie Rainer Wiek ist der enge Spielraum für passable Renditen ein Zeichen dafür, dass die Spritpreise einigermaßen fair sind. „Aber die Preisänderungsspirale dreht sich schneller als früher.“

Dass es mit den Preisen auch schnell wieder nach oben gehen könnte, deutete am Dienstag der weltgrößte Ölförderer Saudi Aramco an. Der Staatskonzern aus Saudi-Arabien wird rund 40 Milliarden Dollar pro Jahr bereitstellen, um die Ölproduktionskapazitäten stabil zu halten und die Gasproduktion zu verdoppeln. Ohne neue Förderkapazitäten könne der langfristig steigende Energie-Bedarf der Welt nicht gedeckt werden.

Henrik Mortsiefer

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