Städte im Stau: Kommunen fühlen sich vom Bund im Stich gelassen
Diesel-Fahrverbote, marode Infrastruktur, Verkehrschaos: Der Städtetag schlägt Alarm und fordert mehr Geld und Unterstützung des Bundes
Die großen deutschen Städte fühlen sich von der Bundesregierung im Stich gelassen und fordern bei der Gestaltung einer nachhaltigen städtischen Mobilität mehr rechtliche und finanzielle Unterstützung. In einem 40-seitigen Positionspapier, das am Freitag veröffentlicht wurde, formuliert der Deutsche Städtetag eine umfangreiche „Agenda für eine Verkehrswende aus kommunaler Sicht“.
Hilfe erwarten die Kommunen vor allem bei der Beseitigung des riesigen Investitionsstaus: „Akut notwendig ist zunächst eine Investitionsoffensive von Bund und Ländern mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 20 Milliarden Euro für mindestens zehn Jahre“, sagte der Städtetagspräsident und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe, in Berlin. Die Städte seien bereit, im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten mitzuwirken. Berücksichtigt hat der Städtetag in der Summe bereits die aufgestockten Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG). Die Bundesregierung hatte angekündigt, die GVFG-Mittel von derzeit 330 Millionen Euro bis 2021 auf eine Milliarde jährlich steigen zu lassen.
"So geht es nicht weiter"
In den Städten mangele es an „Luft, Raum, Zeit und Geld“, sagte Lewe. Die Infrastruktur der meisten Großstädte sei nach wie vor an die Bedürfnisse des Autoverkehrs angepasst, doch das Verkehrsaufkommen und die Pendlerzahlen stiegen, zugleich wünschten sich Bürgerinnen und Bürger attraktive Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum. Die Städte müssten gleichzeitig Umweltauflagen und Klimaschutzziele beachten. „So geht es nicht weiter, weil die Städte ersticken“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Städtetages.
Nach dem am Dienstag veröffentlichten Kommunalpanel 2018 der KfW-Bank ist der Investitionsbedarf der Kommunen noch einmal deutlich gestiegen. Der Rückstand sei auf knapp 159 (Vorjahr: 126) Milliarden Euro geklettert. Allein für den Erhalt, Ausbau und die Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur fehlen laut KfW 38 Milliarden Euro.
Das Programm "Saubere Luft" greift noch nicht
Der Bund werde seiner Verantwortung bislang nicht gerecht – nicht nur finanziell, sondern zum Beispiel auch beim Thema Luftreinhaltung, kritisierte der Städtetag. „Die Rathäuser sind der Abladeort für Fahrverbote“, sagte Dedy. Das Problem werde sich im Laufe dieses Jahres verschärfen, wenn die Verwaltungsgerichte weiterer sechs Städte über mögliche Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge entscheiden. Während in den Städten die Zeit dränge, finde in der Großen Koalition ein politisches „Pingpong“ zwischen Umwelt- und Verkehrsministerium bei der Frage statt, wie man die Luft verbessern könne. „Das Sofortprogramm ,Saubere Luft’ des Bundes greift nicht, Diesel-Nachrüstungen werden nicht angefasst und Software-Updates scheinen nicht erfolgreich zu sein“, sagte Helmut Dedy. Nötig seien Hardware-Nachrüstungen an älteren Dieselwagen, die die Industrie finanzieren müsse, bekräftigte er eine alte Forderung des Städtetages.
Um mehr von der Digitalisierung, vernetzten Verkehrsangeboten oder Sharing-Modellen zu profitieren, fordert der Städtetag zudem „gesetzliche Barrierefreiheit“, wie Präsident Lewe sagte. Schon bei der Einrichtung eines Zebrastreifens oder dem Ausweis von Carsharing-Parkplätzen stünden den Kommunen rechtliche Hürden im Weg.