Privilegien nicht bekannt: Kommunen bei Elektroautos ahnungslos
Seit drei Jahren genießen Fahrer von E-Autos Privilegien. Theoretisch zumindest. Praktisch wissen viele Kommunen davon nichts, zeigt eine Umfrage.
Dieselfahrzeuge werden aus immer mehr Innenstädten verbannt, Fahrverbote zwingen die Halter älterer Autos zum Umdenken. Wer sich ein Elektroauto leisten kann und anschaffen will, findet inzwischen immerhin einige Modelle auch von deutschen Herstellern. Die Nachfrage steigt. Das ist ganz im Sinne der Regierung, die schon vor drei Jahren E-Autobesitzern im Straßenverkehr etliche Privilegien eingeräumt hat – zum Beispiel reservierte Parkplätze oder die Benutzung von Busspuren.
Doch die Erleichterungen, die per Elektromobilitätsgesetz (EmoG) 2015 verabschiedet wurden, sucht man in vielen Städten bis heute vergeblich. Denn: Das Gesetz ist nur in gut der Hälfte aller Kommunen bekannt. 43 Prozent wissen vom EmoG gar nichts, wie die Regierung in ihrem ersten Evaluierungsbericht einräumen muss, der dem Tagesspiegel vorliegt und kürzlich dem Verkehrsausschuss des Bundestages präsentiert wurde.
Viele Kommunen kennen das Gesetz gar nicht
Demnach sagten in einer Umfrage im Auftrag des Bundesverkehrs- und Bundesumweltministeriums nur 22 Prozent der Kommunen, dass sie das EmoG und seine Bevorrechtigungen anwenden. In elf Prozent der Kommunen ist dies für „nächstes Jahr“ geplant. 24 Prozent haben das EmoG nicht angewandt – und der Rest kennt das Gesetz überhaupt nicht.
„Die Kommunikation mit den Kommunen ist seitens des Bundes beispielsweise durch eine Kommunikationskampagne zu verbessern“, empfehlen die mit der Umfrage beauftragte Kanzlei Noerr und das Deutsche Dialog Institut. Oppositionspolitiker werden deutlicher: „Wenn bei über 40 Prozent der Kommunen das Gesetz nicht bekannt ist und nur ein Viertel der Städte davon Gebrauch macht, wird deutlich, dass die Bundesregierung zu wenig getan hat, um für die Umsetzung zu werben“, sagte Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. Ohne kommunales Engagement vor Ort werde der Durchbruch bei der Elektromobilität nicht gelingen. „Die Bundesregierung muss mit Praxisleitfäden und Workshops stärker die Werbetrommel für das Gesetz rühren“, schlägt Kühn vor.
Die Zulassungen von E-Autos steigen
Dort, wo das Gesetz Anwendung findet, steigen laut Bericht Bestands- und Neuzulassungszahlen von E-Fahrzeugen. Allerdings stoßen die Kommunen auf zahlreiche praktische Hürden: So werden Parkplätze, die für E-Fahrzeuge reserviert sind, häufig von Benzinern oder Dieselwagen besetzt. Außerdem ist das Aufladen eines E-Autos während des Parkens nicht vorgeschrieben. Die Kommunen klagen zudem, dass die Benutzung von Busspuren den ÖPNV behindert. Auch müssten zusätzliche Schilder angebracht werden, um auf die Ausnahmen hinzuweisen. Kostengünstigere Hinweise an Parkautomaten verbietet die Straßenverkehrsordnung. Auch wünschen sich die Kommunen, dass weitere E-Fahrzeuge – etwa Transporter und Lastwagen – in das Gesetz aufgenommen werden.
Und: Die Umweltkriterien für die berechtigten Fahrzeuge – ein maximaler CO2-Ausstoß von 50 Gramm pro Kilometer und eine elektrische Reichweite von 40 Kilometern bei Plug-in-Hybriden – sind nach Meinung der Kommunen nicht mehr zeitgemäß.
Kritik an der Nutzung von Busspuren
„Die Bundesregierung muss Fehler im Gesetz korrigieren“, fordert denn auch der Grünen-Politiker Kühn. Busspuren und Fußgängerzonen sollten nicht mehr für E-Autos freigegeben werden, weil sie mit Bussen und Fahrrädern schon heute belegt seien. Auch müssten die Mindestreichweiten von Hybridwagen deutlich nach oben gesetzt werden. Kühn: „Es kann nicht sein, dass schwere SUV-Hybride begünstigt werden, obwohl sie in der Praxis kaum elektrisch unterwegs sind.“ Henrik Mortsiefer