Der neue ICE 4: Komfortabler, effizienter, langsamer
Die Deutsche Bahn stellt ihren neuen Paradezug ICE 4 vor – und hofft auf 50 Millionen Fahrgäste mehr pro Jahr.
Komfortabler, effizienter, betriebssicherer und auch ein bisschen schöner als seine Vorgänger – aber nicht schneller: Mit diesen Eigenschaften ihres neuen Paradezuges ICE 4 will die Deutsche Bahn im Fernverkehr punkten. 50 Millionen Fahrgäste mehr im Jahr erhofft sich der Vorstand Verkehr, Berthold Huber, durch die neue Flotte in Verbindung mit dem vorgesehenen Ausdehnen des Fernzugnetzes. Am Mittwoch stellten Bahn-Chef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Zug der Zukunft, der zum Rückgrat des Fernverkehrs werden soll, im Berliner Hauptbahnhof erstmals vor. Mit dem neuen Zug werde ein Technologiesprung vollzogen, sagte Dobrindt.
Das Wichtigste: Der Zug ist bereits planmäßig für Tests und die Zulassung unterwegs, die in den nächsten Wochen erwartet wird. Auch dank eines neuen Verfahrens, das die Zulassung vereinfache, sagte Grube.
Finanziell und zeitlich liege man im Rahmen, hatte zuvor der Projektleiter der Bahn für den ICE 4, Ulrich Höbel, versichert. Der Kauf von 130 Zügen im Wert von 5,3 Milliarden Euro ist der bisher größte Einzelauftrag der Bahn. Gebaut werden sollen nach derzeitigem Stand 85 zwölfteilige und 45 siebenteilige Züge. Generalunternehmer ist Siemens; aber ein Drittel des Auftrags geht an den Konkurrenten Bombardier, mit dem Siemens hier zusammenarbeitet. Im Hennigsdorfer Bombardier-Werk bei Berlin erfolgt der Innenausbau aller Endwagen und eines Mittelwagens pro Zug, was auch dort Arbeitsplätze sichert.
Der neue ICE 4 werde die Kunden begeistern, ist Birgit Bohle, Chefin des Fernverkehrsbereichs der Bahn, überzeugt. Zum ersten Mal in einem ICE gibt es Platz für Fahrräder – jeweils acht reservierungspflichtige pro Zug. Für Rollstuhlfahrer sind vier Plätze vorgesehen; zudem gibt es im Zug auf jeder Seite einen Hublift.
Die Sitze sollen bequemer sein als bisher, und die Rückenlehne stört beim Verstellen nicht länger den hinteren Sitznachbarn. In der 1. Klasse sind im Kopfteil der Sitze zudem Leseleuchten integriert. Auch die Reservierungsanzeigen befinden sich im gesamten Zug gut lesbar in den Kopfstützen. Große – und gut sichtbare – Regale nehmen auch sperriges Gepäck auf. Ein Clou ist die tageszeitabhängige LED-Lichtsteuerung mit ihren verschiedenen Farbtönen – von Blau bis Rot.
Steckdosen sind in der 1. Klasse für jeden Sitz vorhanden, in der 2. Klasse müssen sich zwei Fahrgäste jeweils einen Anschluss teilen. Dies könne sich noch ändern, heißt es. Freies W-Lan ist für die 1. und 2. Klasse vorgesehen; weil die Datenmenge begrenzt ist, ist aber ein unbeschränktes Surfen nicht möglich.
Auch technisch betritt die Bahn mit dem ICE der vierten Generation Neuland. Zum ersten Mal ist es gelungen, die Antriebstechnik komplett unter jeweils einem Wagen unterzubringen. Bei einem zwölfteiligen Zug gibt es sechs dieser „Powercars“; die siebenteilige Variante kommt mit drei „Powercars“ aus. Dadurch ist es möglich, Züge mit mindestens fünf und höchstens 14 Wagen zu bilden; eine Flexibilität, die bisher nicht möglich war, weil sich beim Vorgänger ICE 3 der Antrieb noch auf mehrere Wagen verteilte. Eine klassische Lokomotive hat nur der ICE 1 an jedem Ende; der ICE 2 fährt mit nur einem Lokantrieb. Erst mit dem ICE 3 war der Antrieb auf mehrere Wagen verteilt. Während der ICE 3 Tempo 330 erreichen kann, begnügt sich die Bahn beim ICE 4 je nach Variante mit 230 km/h oder 250 km/h. Durch eine hohe Beschleunigung erreiche man bei vielen Stopps eine ähnliche Fahrzeit wie beim schnelleren ICE, verbrauche aber erheblich weniger Strom, sagte Höbel. Gegenüber dem ICE 1 reduziere sich der Energieverbrauch um 22 Prozent, sagte Grube stolz.
Zuverlässiger soll im neuen Zug die Klimaanlage sein, die erstmals zwei Kältekreisläufe erhalten hat. Funktionieren soll sie von minus 25 Grad bis plus 45 Grad. Und auch die Technik für die Toiletten hat man optimiert.
Sieben zwölfteilige Züge laufen bereits. Zusammen haben sie nach Bohles Angaben schon über 250 000 Kilometer absolviert. Zwei Züge erhält die Bahn sofort für weitere Tests; die anderen bleiben noch Versuchsträger bei Siemens. Im Sommer 2023 soll der letzte der 130 Züge auf der Schiene stehen. Ein ehrgeiziges Ziel. Um es zu erreichen, muss pro Werktag ein Wagen fertig werden. Eine weitere Serie kann bestellt werden.
Zufrieden sind zumindest schon Lokführer. „Der Zug fährt wie eine Eins. Er beschleunigt ruckfrei und bremst sanft“, schwärmt Ausbildungslokführer Markus Paetow, der den Premierenzug nach Berlin gefahren hatte. Noch in diesem Herbst sollen auch die ersten Fahrgäste einsteigen können. Der Zug fährt zunächst zwischen Hamburg und München. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 soll er auch nach Berlin kommen. Nach und nach wird er die erste und zweite ICE-Generation ablösen.