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Der Parthenon-Tempel in Athen - aufgenommen am 17. Februar 2017. Das Symbol für die Blütezeit der griechischen Kultur und Wirtschaft.
© REUTERS/Marko Djurica

Stimmungsbericht aus Griechenland: Kleinunternehmer zwischen Aufruhr und Aufgabe

Während die Kreditgeber die Athener Regierung Tsipras unter Druck setzen, ächzen Freiberufler und Selbständige unter der Steuerlast.

Souvlaki-Spieße und Würste gehen kiloweise über die Tresen der Fleischereien in diesen Tagen, als gäbe es keine Krise. Ganz Griechenland grillt. Doch selbst während des Karnevals und dem traditionellen Tsiknopempti-Fest kurz vor Beginn der Fastenzeit wollen die Proteste nicht pausieren: Irgendwer demonstriert immer gegen Pensionskürzungen oder Steuererhöhungen in Athen.

Am sogenannten „rauchigen Donnerstag“ sind es ironischerweise die Feuerwehrleute, die wegen eines neuen Gesetzes vor das Parlament ziehen. Dann legen die Bauern mit ihren Traktoren die Straßen im Land lahm. „Ich verstehe sie“, sagt Nikos Papadopoulos, „ohne Proteste kann man nichts erreichen“. Er ist von der linksgerichteten Regierungspartei Syriza und der einzige Landwirt im Parlament. Eine bemerkenswerte Sache bei 300 Abgeordneten – und so viel nationalem Stolz auf Land und Boden.

Käufer und Verkäufer stehen in Athen auf dem Fleischmarkt Varvakeios Agora an einer Fleischtheke. Zahlreiche Einwohner Athens versorgten sich vergangene Woche vor dem in Griechenland "Tsiknopempti" genannten Feiertag mit Fleisch Im Alltag können sich viele Kunden nur noch selten Fleisch leisten.
Käufer und Verkäufer stehen in Athen auf dem Fleischmarkt Varvakeios Agora an einer Fleischtheke. Zahlreiche Einwohner Athens versorgten sich vergangene Woche vor dem in Griechenland "Tsiknopempti" genannten Feiertag mit Fleisch Im Alltag können sich viele Kunden nur noch selten Fleisch leisten.
© Demetrios Ioannou/ZUMA Wire/dpa

Griechenlands Bauern rebellieren gegen die große Neuordnung der Sozialversicherung und gegen die kleinen Renten. Ein paar Monate lang hat sie die Regierung beruhigen können. Jetzt aber blockieren die Traktoren wieder Straßenkreuzungen und Grenzübergänge. 380 Euro Rente sollten die Landwirte in einem ersten Schritt erhalten, erklärt der Abgeordnete Papadopoulos aus Larissa, und später einmal 700 Euro, „damit man leben kann“.

Für die geplanten 38 Prozent Abgaben vom Einkommen an die Sozialkassen hat die Regierung mehrjährige Übergangszeiten vorgesehen. Doch die Bauern stellen sich stur. Ein Versöhnungsgespräch diese Woche mit Vize-Ministerpräsident Yiannis Dragasakis, der grauen Eminenz der Regierung, verlässt ein Teil der Bauernführer noch vor dem Ende. Dragasakis, der Ex-Kommunist, spricht gleichwohl von einer „guten, analytischen Diskussion“.

Schlechte Umfragewerte für die Links-Rechts-Koalition

Zwei Jahre ist die Links-Rechts-Koalition von Syriza und Anel – der kleinen Partei der „Unabhängigen Griechen“ – nun im Amt. Die jüngste Runde der Steuererhöhungen von Benzin bis zum Kaffee, vor allem aber die Neubemessung der Einkommenssteuer und die Einführung einheitlicher Sozialversicherungsbeiträge für alle im Land haben der Regierung das Genick gebrochen, will man den Umfragen glauben. Die überbieten sich in Negativprognosen. Zwölf, gar 16 Prozentpunkte soll Syriza hinter den Konservativen der Nea Dimokratia liegen. Drei Viertel der Griechen glauben nicht mehr, dass Alexis Tsipras die volle Legislaturperiode bis 2019 durchhält. Denn da sind noch Berlin und die Kreditgeber mit ihrer neuen Grexit-Debatte. Sie werden die dünne Mehrheit der Regierung von drei Stimmen bald aufreiben, lautet eine mittlerweile weit verbreitete Ansicht in Athen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat bereits den Chef der Nea Dimokratia und möglichen nächsten Regierungschef, Kyriakos Mitsotakis, empfangen. (Lesen Sie hier einen Kommentar dazu).

Ein Lotto-Rubbellosverkäufer sitzt vor einem Einkaufszentrum in Athen (aufgenommen am 18. Februar 2017).
Ein Lotto-Rubbellosverkäufer sitzt vor einem Einkaufszentrum in Athen (aufgenommen am 18. Februar 2017).
© AFP/ Angelos Tzortzinis

Es gibt ein Ultimatum, oder ein Wunschziel – oder ein bereits als unrealistisch abgehaktes Datum: Wenn sich die Finanzminister der Euro-Zone am Montag treffen, soll die Überprüfung der griechischen Haushaltsplanung durch die Geldgeber abgeschlossen werden. Erst dann wird die nächste Kreditrate freigegeben. Es ist das alte Spiel. Man streitet über die Berechnungen des anderen, über angebliche Lücken im Haushalt, über die Zukunft und deren Erträge. Athen bockt. Die Kreditgeber satteln noch drauf.

3,6 Milliarden Euro wollen sie jetzt zusätzlich aus dem Land herausquetschen, klagt die Regierung. Die eine Hälfte vor, die andere nach dem Auslaufen des Kreditprogramms im August 2018. Tsipras und sein Finanzminister versuchen, die Geldgeber für einen Kompromiss zu gewinnen: Ein Punkt weniger Mehrwertsteuer gegen die Verpflichtung zum Weitersparen.

Für Griechenlands Kleinunternehmer sind die Auflagen ein "Albtraum"

Für griechische Unternehmer sind die jüngsten Steuer- und Sozialversicherungsreformen heute schon ein Albtraum. „Wir arbeiten nur für sie“, sagt Christiana Valaka über die Regierung. Die 31-jährige Griechin betreibt zusammen mit ihrem Bruder ein Schwimmbecken für Kleinkinder im Norden Athens. 29 Prozent Einkommenssteuer zahlen die Geschwister monatlich im Voraus für ihren Minibetrieb, und seit Neuestem 28 Prozent für Renten- und Krankenversicherung – 1500 Euro. Dazu kommen fünf Prozent Solidaritätsabgabe sowie eine Sondersteuer für Selbstständige. Alles in allem etwa 65 Prozent des Einkommens für die Staatskasse und ihre Gläubiger. Die Kundschaft sei nicht das Problem, sagt Valaka. Im Athener Norden lebt ein immer noch wohlhabendes Bürgertum. Dennoch fragt sich die Schwimmlehrerin, wie lange sich das Geschäft noch rechnet.

Griechenlands Premier Alexis Tsipras, einst gewählt als Hoffungsträger der Linken in Griechenland, hat nun schlechte Umfragewerte. Die Konservativen, die das Land in den Ruin gewirtschaftet haben, bereiten sich derweil auf einen Machtwechsel vor.
Griechenlands Premier Alexis Tsipras, einst gewählt als Hoffungsträger der Linken in Griechenland, hat nun schlechte Umfragewerte. Die Konservativen, die das Land in den Ruin gewirtschaftet haben, bereiten sich derweil auf einen Machtwechsel vor.
© imago/Pacific Press Agency

Für Agiris Konstantinopoulos rechnet es sich nicht mehr. Der Bauunternehmer in zweiter Generation kehrt seinem Land den Rücken. „Sich diesem Markt auszusetzen, ist schädlich geworden“, erklärt der 40-Jährige. Die öffentliche Hand hat kaum Aufträge zu vergeben, die Privatkunden verkaufen viel eher ihre Häuser, als dass sie einmal ein neues bauen lassen. „Das sind viele hungrige Hunde für einen Knochen“, sagt Konstantinopoulos über die Branche. Bis zu 65 Prozent Nachlass bieten die Bauunternehmer mittlerweile. „Selbstmörderisch“, nennt das der Bauingenieur. Im Herbst will er mit seiner Familie nach Großbritannien umziehen und dort sein Glück versuchen.

Von Mitsotakis, dem 48-jährigen Oppositionsführer, erhofft sich zumindest die griechische Wirtschaft Korrekturen bei den Steuern und Versicherungsbeiträgen. Doch die Vorgaben der Kreditgeber bleiben, egal, ob sich der Internationale Währungsfonds IWF am jüngsten Kreditprogramm beteiligt oder nicht. Eine Studie des Verbands der Kleinunternehmer zeigt, wie weit das Land im achten Jahr der Krise und Kredite abgebrannt ist: 37 Prozent der Familien leben mit weniger als 10.000 Euro im Jahr. Für die Hälfte der griechischen Haushalte sind die Renten der Eltern und Großeltern die Haupteinnahmequelle geworden.

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