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Der Chef der Euro-Arbeitsgruppe, Thomas Wieser.
© picture alliance / dpa/Julien Warnand

Griechenland: „Der Grexit ist kein Thema“

Als Vorsitzender der Euro-Arbeitsgruppe koordiniert und organisiert Thomas Wieser die Vorbereitungen der Treffen der Euro-Finanzminister. Im Interview mit Euractiv.de schließt der Österreicher den Euro-Austritt Griechenlands aus.

Schon geht angeblich wieder das Gespenst des Grexit um. Den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone prophezeit unter anderem der mögliche nächste US-Botschafter bei der EU, Ted Malloch. Droht wirklich der Grexit?

Den Aussagen des möglichen US-Botschafters würde ich nur wenig Beachtung schenken. Faktum ist, dass der sogenannte zweite Review (die Überprüfung des Rettungsprogramms, Anm. d. Red.) schon seit längerem feststeckt. Und Faktum ist, dass der Internationale Währungsfonds der Schuldentragfähigkeit Griechenlands ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt hat. Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen: Im angelsächsischen Raum wird jene des IWF geteilt, in Europa sehen wir das deutlich differenzierter. Denn das Wachstum in Griechenland ist seit einigen Quartalen deutlich positiv. Die Steuereinnahmen haben so zugenommen, dass für 2017 ein Primärüberschuss (Budgetüberschuss vor Zinsen, Anm.) zwischen zwei und drei Prozent erwartet wird und für 2018 weit über drei Prozent. Das sind zwar vorläufige Zahlen, aber das weist darauf hin, dass eine sehr negative Bewertung der griechischen Schuldenentwicklung eine mechanistische Fortschreibung ganz alter Trends ist.

Doch bisher ist es nicht gelungen, den IWF zu überzeugen und so beim aktuellen Rettungsprogramm für Griechenland an Bord zu holen. Daran hängt aber zumindest aus deutscher Sicht das Schicksal des Programms…

Es ist für eine Reihe von Ländern unabdingbar, dass der IWF ein eigenes Programm für Griechenland hat. Daher muss man die Sichtweisen der vier betroffenen Institutionen – EU-Kommission, EZB, ESM (Euro-Rettungsfonds) und IWF – weitgehend deckungsgleich bekommen. Dabei waren wir in den letzten Wochen unerwarteter Weise sogar halbwegs erfolgreich.

Aber es bleibt doch dabei, dass der IWF weitere Schuldenerleichterungen für Griechenland wünscht und das für die Europäer und vor allem Deutschland nicht in Frage kommt.

Nein. Zu den Schuldenerleichterungen gibt es eine Vereinbarung vom 5. Mai 2016, die genau dargelegt hat, welche Schuldenmaßnahmen (wie die Streckung der Laufzeiten und der Aufschub der Rückzahlungen, Anm. d. Red.) kurz-, mittel- und langfristig gemacht würden. Die kurzfristigen haben wir bereits umgesetzt und zur Reduktion der langfristigen griechischen Schuldenlast um 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geführt. Und am Ende des Programms 2018 werden – wenn notwendig – weitere Maßnahmen folgen…

Diskussionen über einen neuen Schuldenschnitt auf die eine oder andere Art und Weise gibt es nicht?

Nein, höchstens über die Detailausgestaltung vereinbarter Schuldenerleichterungen. Doch die großen Unterschiede zwischen den europäischen Institutionen und dem IWF liegen in der Einschätzung des mittelfristigen Fiskalpfades (Haushaltsentwicklung, Anm. d. Red.). Der IWF hält für dessen Einhaltung nach Ende des Programms zusätzliche (Spar-)Maßnahmen für nötig, die EU-Kommission nicht. Wir haben uns vorläufig auf die Vorgangsweise geeinigt, dass erstens allfällige zusätzliche Maßnahmen als Steuersenkungen oder öffentliche Investitionen in die griechische Volkswirtschaft fließen, sollten sie sich als überschießend herausstellen. Und die zuletzt positive Steuerentwicklung soll in die Projektionen einfließen.

Das heißt, der Grexit steht überhaupt nicht zur Debatte?

In unseren Kreisen gibt es keinen, der ihn für sinnvoll, wünschenswert, denkbar oder befürchtenswert hält. Das ist kein Thema, sondern wird höchstens von irgendwelchen Hedgefonds verbreitet.

Kann oder muss die Einigung mit dem IWF bis zum Treffen der Euro-Finanzminister nächste Woche gelingen?

Die Zeit bis nächste Woche ist wahrscheinlich zu knapp, um alles auf Punkt und Beistrich zu finalisieren. Ich wäre schon zufrieden, wenn wir beim Treffen der Eurogruppe signifikante Fortschritte in den Verhandlungen mit der griechischen Regierung feststellen könnten. Womöglich schaffen wir eine Einigung bis zum nächsten Treffen im März.

Wird die Debatte nicht schwieriger, je näher die Parlamentswahlen in den Niederlanden am 15. März rücken?

Die Debatte wird jedenfalls schwieriger. Doch die niederländische Verfassung sagt, dass es auch nach den Wahlen keine Probleme gibt, wenn das griechische Programm im Rahmen der bereits genehmigten Parameter bleibt. Und innerhalb derer soll sich die Lösung bewegen.

Wann läuft die Frist für die Einigung dann aus? Vor den Wahlen in Frankreich ab April oder den nächsten fälligen Milliardenrückzahlungen im Sommer?

Der wirkliche Zeitdruck ergibt sich daraus, dass jede weitere Verzögerung in der internationalen Diskussion schlecht für die griechische Volkswirtschaft ist. Sie belastet das Wachstum, die Investitionsneigung der Unternehmen und den privaten Konsum.

Doch wenn der IWF nicht an Bord kommt, ist das Rettungsprogramm hinfällig und muss neu aufgestellt werden. Das wäre langwierig, oder?

Es gibt viele Aussagen von IWF-Generaldirektorin Christine Lagarde, dass der IWF nach wie vor festen Willens ist, sich am Griechenland-Programm zu beteiligen. Es gibt keinen Anlass, daran zu zweifeln.

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Wolfgang Tucek

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