Der Kampf um Gamestop geht weiter: Kleinspekulanten fürchten Absprachen der Hedgefonds
Der Krieg der Kleinanleger gegen die Wall Street geht in eine neue Runde. Im Zentrum steht eine Institution, von der viele nicht wissen, dass es sie überhaupt gibt.
Im Kampf einer Armada von Hunderttausenden meist jugendlichen Kleinanlegern gegen die Hedgefonds der Wall Street gerät eine Institution ins Rampenlicht, von der nicht viele wissen, dass es sie überhaupt gibt. Es geht um sogenannte Clearinghäuser. Diese haben in der vergangenen Woche den selbsternannten Kriegern buchstäblich den Geldhahn abgedreht, damit diese nicht weiter Aktien der Firma Gamestop kaufen konnten.
Seither macht in den Internetforen eine Theorie die Runde, wonach diese Clearinghäuser sich mit den Hedgefonds verbündet hätten, denen die Pleite droht, wenn viele Leute Aktien kaufen.
"DeepFuckingValue" bläst zum Angriff
Einer der wortgewaltigen Anführer der politisierten Kleinanleger, die sich in der Tradition der Occupy-Wall-Street-Bewegung sehen, ist ein Mann, der unter dem Tarnnamen „DeepFuckingValue“ im Internet unterwegs ist und dort vor allem bei „WallStreetBets“ auf dem Portal Reddit seine Anhänger aufwiegelt.
Seine Thesen finden jetzt bereits bei der Justiz Gehör. Der texanische Generalstaatsanwalt Ken Paxton teilte mit, Informationen von Online-Brokern wie Robinhood und anderer angefordert zu haben, um herauszufinden, ob bei den Beschränkungen des Handels mit Aktien von Gamestop und einigen anderen Firmen alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
Es gebe anscheinend Absprachen von Hedgefonds mit Handelsplattformen und Web-Servern zur Abwehr von Bedrohungen ihrer Marktdominanz, sagte Paxton. Die Unternehmen der Wall Street dürften nicht zu ihrem eigenen Vorteil den öffentlichen Zugang zum freien Markt beschränken, teilte der Staatsanwalt mit. „Es stinkt nach Korruption.“
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Schadenfreude über die Niederlage der Hedgefonds
Auch die Politik merkt auf. Die prominente linke Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez von den US-Demokraten nahm die Jungspekulanten in Schutz, ebenso wie der Rechtsausleger Ted Cruz, Senator der Republikaner.
Tatsächlich erfüllt es viele Leute mit Schadenfreude, dass es den Kleinanlegern gelungen ist, den großen Hedgefonds Melvin Capital in die Knie zu zwingen. Er konnte nur mit einer 2,75-Milliarden-Spritze durch Investoren vor der Pleite gerettet werden. Auch andere Hedgefonds gerieten in eine prekäre Lage. Traditionelle Großinvestoren mussten Verluste bei Hedgefonds ausgleichen, die ihnen die Kleinanleger zugefügt haben, die sich über entsprechende Gewinne freuen.
Wofür Clearinghäuser gebraucht werden
Hier kommen die Clearinghäuser ins Spiel. Ein Clearinghouse ist die zentrale Schnittstelle des Börsenhandels. Wenn eine Person eine Aktie kauft und ein anderer diese Aktie verkauft, dann findet kein direkter Handel zwischen Personen statt, sondern dazwischen sitzt die Clearingstelle, die den Deal vermittelt. Da ein Aktienkauf oder -verkauf juristisch erst später gültig wird – das kann zwei Tage dauern, bis die Verträge rechtsgültig niedergelegt sind – geht die Clearingstelle das Risiko ein, dass zwischen dem vermittelten Deal und der Rechtsgültigkeit eine Seite des Vertrags pleite geht. In diesem Fall sitzt die Clearingstelle auf hohen Verlusten, weil ein Vertragspartner nicht zahlen oder nicht liefern kann.
Deshalb muss die Clearingstelle eine sogenannte Margin verlangen, das ist eine zurückgelegte Summe, auf die die Clearingstelle zurückgreifen kann. Kommt es nun zu plötzlich steigendem Handel, bei dem eine Aktie oder ein Optionsschein innerhalb kurzer Zeit stark steigt oder stark fällt, muss die Clearingstelle die Margin sofort erhöhen, sonst besteht die Gefahr, dass der Handel zusammenbricht.
Wenn der Broker gleichzeitig Clearinghaus ist
Die Hauptclearingstelle für den Aktienhandel in den USA wird von der Firma DTCC betrieben, die kaum ein Mensch kennt und auch nicht zu kennen braucht. Problematisch wird es, wenn Banken oder Brokerhäuser den Handel für die Anleger abwickeln und dabei stellvertretend auch Clearingfunktionen übernehmen. US-Broker wie Robinhood, wo sich die meisten Anti-Wall-Street-Kleinspekulanten und Daytrader tummeln, haben selber solche Clearingfunktionen übernommen, um Geld zu sparen.
Als in der vergangenen Woche Kleinspekulanten die Kurse von Gamestop und einiger anderer Aktien immer weiter nach oben trieben und Hedgefonds die Pleite drohte, weil sie auf fallende Kurse gesetzt hatten, wurde das Risiko für Clearingstellen zu hoch. Broker wie Robinhood und Charles Schwab, die gleichzeitig Clearingstellen sind, deaktivierten die „Kaufen“-Taste. Die Kleinanleger waren plötzlich vom Handel ausgeschlossen.
Wie der Krieg der „Reddit Army“ („Financial Times“) gegen die Hedgefonds weitergeht, wird sich an diesem Montag zeigen, wenn an der Wall Street der Handel wieder losgeht.
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