Calliope: Kindercomputer aus Berlin erobert die Schulen
Mit dem Calliope lernen Grundschüler programmieren. Zehntausende werden in Berlin produziert. Das interessiert sogar Chinesen.
Über den Einsatz von mehr Computern in den Schulen wird oft diskutiert. Auch Gesche Joost will Jungen und Mädchen die digitale Technik näherbringen und das schon in der Grundschule. Mit der von ihr mitgegründeten, gemeinnützigen Calliope gGmbH hat die Designprofessorin von der Universität der Künste einen ganz besonderen, gleichnamigen Rechner entwickelt: Eine blaue sechseckige Platine, die gut auf eine Handfläche passt. Für alle, die mit Informatik wenig am Hut haben, sieht das Ding erst einmal abschreckend kompliziert aus. Und doch können schon Drittklässler den Minicomputer programmieren und damit spielerisch lernen, wie Laptops oder Smartphones eigentlich funktionieren. „Wir wollen die Blackbox Computer öffnen“, sagt Joost.
Das Display des Calliope ist eine kleines Quadrat aus fünf mal fünf LED-Lämpchen. Mit ein paar Mausklicks können die Schüler dafür sorgen, dass sie in Form eines Smileys leuchten oder Buchstaben und Zahlen anzeigen. Allerdings muss der Minirechner dafür noch mit einem Kabel an einen herkömmlichen Computer angeschlossen werden, auf dem die Oberfläche zur Programmierung des Calliope läuft. Das hat sich in der Praxis bisher auch als eine der größten Hürden herausgestellt: Denn viele Grundschulen haben die Computer dafür nicht.
16.500 Minirechner sind deutschlandweit bereits im Einsatz
„Wir arbeiten jetzt an einer App, damit man den Calliope künftig auch mit einem Smartphone oder Tablet verwenden kann“, sagt Joost. Doch ansonsten läuft das Projekt besser als erhofft. 16.500 der Minirechner sind deutschlandweit bereits im Einsatz. In fast allen Bundesländern laufen inzwischen Pilotprojekte oder wurden geplant. So werden auch 100 Berliner Schulen mit den Geräten ausgestattet, derzeit werden die Lehrer geschult. Im Saarland werden die Calliope-Computer sogar flächendeckend eingeführt.
Und so läuft auch die Produktion in Berlin Schöneberg auf Hochtouren. Denn hergestellt werden die Kleincomputer bei Schleicher Electronic. Das Unternehmen mit 85 Mitarbeitern stellt sonst Steuerungstechnik für Werkzeugmaschinen her, einer der wichtigsten Kunden ist beispielsweise der Weltmarktführer für Drahtbiegemaschinen aus Reutlingen. „Wir dachten eigentlich nicht, dass wir uns eine Produktion in Deutschland leisten können“, sagt Joost. Doch da Calliope vergleichsweise geringe Stückzahlen benötigt und auch bei den Lieferzeiten flexibel ist, konnten die Berliner Preise bieten, die auch nicht höher lagen als die chinesische Konkurrenz. „Wir können das immer mal flexibel einschieben“, sagt Schleicher-Manager Florian Feddeck. 25.000 Minicomputer wurden schon produziert, die nächste Charge von 20.000 läuft derzeit von den Bändern.
Wie die Bauteile auf die Platine gesetzt werden, hat sich am Montag Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries angesehen. Ihr Haus hatte auch die Entwicklung gefördert. Mit dem Calliope-Team sprach sie darüber, wie mehr Schulen für die Technologie begeistert werden können. Denn obwohl die Geräte bislang sogar kostenlos vergeben werden ist die Skepsis bei vielen Bildungspolitikern groß. Der Bund könne da wenig tun, sagt Zypries. Schließlich sei Bildung Ländersache und die lassen sich da ungern reinregieren. „Der Weg über einzelne Städte ist wahrscheinlich schneller, als über die Kultusminister“, sagt Zypries. Sie selbst ist derzeit beispielsweise mit anderen Partnern dabei, die Computer an Schulen in ihren Wahlkreis Darmstadt zu bringen.
Weiterentwicklung für China
Doch auch die Unterstützung der Sponsoren, mit deren Hilfe die Computer den Schulen kostenlos überlassen werden, sorgt gerade für Ärger. So kritisierten Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vor allem die Rolle von Google. Der Konzern versuche, „in der Gesellschaft eine gewisse Mentalität pro Digitalisierung zu erzeugen“, kritisieren Gewerkschafter in der „taz“ und sprechen gar von einem „großen Masterplan, wie Google die digitale Bildung an sich reißt“. Die Calliope-Macher können das nicht nachvollziehen. Schließlich hätte Google keinen inhaltlichen Einfluß und auch Unternehmen wie Bosch, die Telekom-Stiftung oder SAP würden das Projekt unterstützen. Gern hätte Calliope sich auch primär auf hiesige Sponsoren gestützt. Doch während Google mehr als eine Million Euro beisteuerte, kaufte Siemens gerade einmal zwanzig der Minicomputer, die im Einzelverkauf 35 Euro kosten.
Dafür stößt der Calliope inzwischen auch im Ausland auf Interesse: Nach Mexiko und Usbekistan wurden schon Exemplare verschickt. Zudem hat kürzlich eine Chinesin gefragt, ob sie das Gerät weiterentwickeln könne. Sie hat daraus eine Version mit 12 mal 12 LED-Leuchten gemacht, damit auch chinesische Schriftzeichen dargestellt werden können. Schleicher ist derzeit mit ihr im Kontakt und spekuliert schon darauf, künftig vielleicht den chinesischen Markt mit Minicomputern aus Berlin zu beliefern.
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