In Kurzarbeit: Keine Messe, keine Arbeit
Auch Arbeitgeber im öffentlichen Dienst dürfen ihre Mitarbeiter wegen Corona in Kurzarbeit schicken. Geregelt wird das im Tarifvertrag „TV Covid“
„Von den Stunden her arbeite ich momentan in Teilzeit“, erzählt Mirjam Priemer. Die 33-Jährige ist PR-Managerin bei der Messe Berlin, ihr Arbeitstag endet derzeit meist schon um 13 oder 14 Uhr. Eine freie Entscheidung ist das aber nicht. Priemer ist ausgebildete Soziologin und eigentlich vollzeitbeschäftigt. Seit Anfang Mai ist sie jedoch von Kurzarbeit betroffen: Zunächst war sie 75 Prozent ihrer regulären Stundenzahl tätig, derzeit sind es sogar nur 60 Prozent.
Bei der Messe Berlin sind derzeit rund 60 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit beschäftigt. Denn Corona und das Verbot von Großveranstaltungen hat dem Betrieb, der gerade auf große Events baut und in seinen Hallen in Charlottenburg regelmäßig 100 000 und mehr Besucher empfängt, hart getroffen. So fand in diesem Jahr die Internationale Tourismusbörse (ITB) nicht statt, die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) und das „YOU Summer Festival“ Mitte Juni mussten abgesagt werden.
Gezahlt wird nach dem TVöD
Kurzarbeit bei der Messe Berlin, auch das ist nur wegen Corona möglich. Der Betrieb gehört zu 99,7 Prozent dem Land Berlin. Priemer und die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen werden deshalb nach dem Tarif für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt – und der sieht eigentlich keine Kurzarbeit vor. Im März haben sich aber die Gewerkschaft Verdi, der Deutsche Beamtenbund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) auf einen Tarifvertrag geeinigt, der Kurzarbeit vorerst bis Ende des Jahres auch in Kommunen und kommunalen Betrieben wie der Messe Berlin möglich macht. Mit dem „Tarifvertrag Covid“, kurz „TV Covid“, sollen auch hier wirtschaftliche Einbußen aufgefangen werden können, ohne dass Personal entlassen werden muss.
Die Abmachung gilt bundesweit. In Berlin kommt sie allerdings nur teilweise zur Anwendung. Denn eine kommunale Ebene gibt es im Land Berlin nicht. Betroffen sind aber die landeseigenen Betriebe wie eben die Messe Berlin oder auch die Berliner Wasserbetriebe, die Stadtreinigung oder die Degewo Aktiengesellschaft. Wie viele dieser Unternehmen bisher Kurzarbeit eingeführt haben, lässt sich noch nicht sagen. Die Berliner Sektion des VKA, die für solche Anfragen zuständig ist, kann keine Zahlen nennen. Dafür sei die Situation noch zu frisch.
Bevor Mirjam Priemer Anfang Mai in Kurzarbeit ging, musste sie Überstunden abbauen. „So konnte ich meine Osterferien um ein paar Tage verlängern“, erzählt sie. Auch habe sie im April an manchen Tagen weniger gearbeitet.
Normalerweise hat Priemer die Möglichkeit, in Gleitzeit zu arbeiten, in Kurzarbeit hat sie nun feste Arbeitszeiten. Unpraktisch daran: Statt wie früher ihre Arbeitszeit den anfallenden Aufgaben anpassen zu können, endet Priemers Tag nun zu einer bestimmten Uhrzeit. An einem Tag mehr zu arbeiten und am nächsten Tag entsprechend früher aufzuhören, geht nicht mehr. „Da kommt es natürlich vor, dass ich auswählen muss, was ich heute noch schaffe und womit ich erst am nächsten Morgen beginnen kann“, sagt Priemer. Die Messe Berlin versuche aber, möglichst flexible Lösungen zu finden. „Alle zwei Wochen wird überprüft, ob das derzeitige Stundenkontingent für die anstehende Arbeit ausreicht, ob erhöht oder verkürzt werden muss“, sagt Priemer.
Auf 90 Prozent stockt die Messe das Kurzarbeitergeld auf
Finanziell sind die Beschäftigten abgesichert. Denn wie es „TV Covid“ vorsieht, stockt die Messe Berlin das gesetzliche Kurzarbeitergeld von 60 Prozent, beziehungsweise 67 Prozent für Beschäftigte mit Kindern, auf 90 Prozent – oder bei Einkommen unter einer bestimmten Tarifstufe – auf 95 Prozent des bisherigen Nettolohns auf.
„Hier und da hat man natürlich ein bisschen weniger Budget“, meint Mirjam Priemer. Finanzielle Not spüre sie aber nicht. Das liege auch an der neuen Corona-Normalität: „Ich habe in den letzten Wochen und Monaten einfach nicht so viele Ausgaben. Vieles, mit dem ich mich sonst belohne, konnte ich lange nicht machen, erst jetzt haben auch die Restaurants wieder geöffnet.“
Wie ihre Kolleginnen und Kollegen in der PR-Abteilung der Messe Berlin arbeitet Priemer jetzt im Homeoffice. Ihre Abteilung führt einen Kalender mit den An- und Abwesenheitszeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zweimal die Woche besprechen sich die Teams digital.
Ein Vorteil der Kurzarbeit: Man hat mehr Freizeit, sagt sie. „Was man normalerweise tut, also Freunde treffen oder mit anderen Sport machen, hat Corona ja ausgehebelt“, sagt Priemer. Stattdessen setzt sie sich nun nach Arbeitsende oft aufs Rad und erkundet Berlin oder das brandenburgische Umland.
Und wie sieht es mit der Zukunft aus? Bei Priemers Arbeitgeberin läuft das Messegeschäft unter veränderten Bedingungen langsam wieder an. Eine Messe zu IT im Gesundheitsbereich und die Internationale Funkausstellung finden digital beziehungsweise mit stark eingeschränkten Besucherzahlen statt. Mittelfristig werde die Kurzarbeit deshalb vermutlich reduziert oder teilweise aufgehoben, sicher sei das aber natürlich nicht. Was man für die Zeit nach Corona mitnehmen könnte? „Wir haben auf jeden Fall gezeigt, dass wir auch als Team arbeiten können, ohne die ganze Zeit im gleichen Büro zu sitzen“, sagt Priemer. Trotzdem freut sie sich gerade sehr darauf, mit den Kolleginnen und Kollegen wieder ganz normal Mittagessen zu gehen.
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