Deutsche Wirtschaft in der Krise?: Keine Angst vorm Absturz
Russland-Sanktionen, Abschwung, Streiks: Die schlechten Nachrichten auch für die Wirtschaft häufen sich. Doch die wahren Gefahren lauen woanders. Ein Kommentar.
Auf die Wirtschaft kommt es an. „It’s the economy, stupid!“, der Slogan, mit dem es einst Bill Clinton zum US-Präsidenten gebracht hat, stimmt noch heute.
Gemessen daran müsste es schlecht stehen um unser Land. Die Ukraine-Krise kostet die Firmen Aufträge und gefährdet Arbeitsplätze. Die Europäische Zentralbank schafft die Zinsen ab und vergemeinschaftet die Anlageprobleme der Banken. In Deutschland legen kleine Gewerkschaften im Kampf um Privilegien und Macht das öffentliche Leben lahm. Erstmals seit einem Jahr schrumpft die Wirtschaft, und auch die Verbraucher, die bislang tapfer gegen die Krise angekauft haben, verlieren langsam das Vertrauen.
Steuert die Wirtschaft jetzt auf eine ernste Krise zu? Wohl eher nicht. Zwar dürfte sich der Konflikt mit Russland noch verschärfen. Aber das Land ist gerade einmal der elftwichtigste Handelspartner Deutschlands. Einbußen im Export sind daher ärgerlich, aber verkraftbar. Spannender wird es, wenn Putin als Retourkutsche für Sanktionen kein Erdgas oder Erdöl mehr liefert – ein Schritt, der zwar für die Russen wirtschaftlicher Selbstmord wäre, auf den sich die Europäer aber vorbereiten sollten, etwa mit der Suche nach alternativen Quellen und dem Auffüllen der eigenen Speicher.
Das Vermögen ist in Deutschland sehr ungleich verteilt
Nein, noch ist unser Wohlstand nicht in Gefahr. Über fünf Billionen Euro haben die Deutschen angehäuft. Allerdings ist das Vermögen höchst unterschiedlich verteilt. Ein Fünftel der Deutschen hat gar nichts, die anderen umso mehr. Nicht nur der Ökonom Thomas Piketty weiß: Wer hat, dem wird gegeben. Reiche werden noch reicher, während die Reallöhne in den letzten 15 Jahren bei über der Hälfte der Arbeitnehmer gesunken sind. Für einen Wohlfühlkapitalismus, der seine Legitimation aus dem Wohlstandsversprechen für alle bezieht, ist das schwer auszuhalten. Die Aussicht auf den Mindestlohn und steigende Tarifvergütungen nimmt dem Konflikt die Schärfe – im Moment. Das kann sich ändern, wenn die Zeiten rauer werden.
Um das zu verhindern, braucht die Wirtschaft Hilfe von der Politik. Denn die wahren Probleme Deutschlands sind keine aktuellen, sondern chronische. Die Straßen sind marode, wir fahren auf Verschleiß. Experten schätzen, dass in den nächsten zehn Jahren 120 Milliarden Euro nötig sind, um Straßen, Schienen, Strom- und IT-Netze auszubauen. Der deutsche Mittelstand, Rückgrat unserer Wirtschaft, findet nicht genug Auszubildende, um seine Lehrstellen zu besetzen. Ein Land, das Studenten im Überfluss produziert, aber keine Facharbeiter, treibt Raubbau an seinen Ressourcen. Dass die Regierung nach neuen Finanziers für die Infrastruktur sucht, ist daher richtig. Was aber auch nötig wäre: eine Einwanderungspolitik, die noch stärker als bisher wirtschaftliche Gesichtspunkte statt humanitäre berücksichtigt.
Noch herrscht aber keine Krisenstimmung im Land. Das liegt auch an der viel gescholtenen EZB. Ihre Minizinspolitik macht nicht nur die deutschen Staatsschulden und Firmenkredite bezahlbar, sie erfüllt auch manchen Immobilientraum, der sonst nicht finanzierbar wäre. Vor nichts haben die Deutschen so viel Angst wie vor Inflation, hat eine neue Umfrage ergeben. Zu Recht. Wenn Zinsen und Preise steigen, Immobilien zwangsversteigert werden und das Ersparte nichts mehr wert ist, dann steckt Deutschland wirklich in der Krise.
Heike Jahberg
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