Sanktionen gegen Russland: Krieg mit anderen Mitteln
Unternehmen und Börsen fürchten schärfere Handelsbeschränkungen im Russlandgeschäft. Mittelständler warnen: Sanktionen schlagen wie ein Bumerang zurück.
Die Angst vor einem Wirtschaftskrieg mit Russland belastet Unternehmen und Kapitalmärkte. Mit Blick auf eine wahrscheinliche Verschärfung von Sanktionen sackten die Aktienkurse an der deutschen und an der Moskauer Börse am Montag auf den tiefsten Stand seit zwei Monaten. Nach dem Abschuss einer Passagiermaschine in der Ukraine und der halbherzigen Reaktion der russischen Regierung werden die EU-Außenminister bei ihrem Treffen an diesem Dienstag darüber beraten, ob die vom EU-Gipfel in der vergangenen Woche beschlossenen Sanktionen gegen Russland sofort in Kraft gesetzt werden.
„Die Besorgnis der Unternehmen wird nicht kleiner“, hieß es am Montag auf Nachfrage in der deutschen Business-Community in Moskau. Von einem Wirtschaftskrieg will man zwar noch nicht sprechen, das Jahr 2014 haben die vor Ort tätigen deutschen Firmen aber abgeschrieben. „Wir rechnen mit einem Null-Wachstum.“
Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft mochte über mögliche Folgen schärferer Sanktionen nicht spekulieren. „Jetzt ist die Stunde der Politik, um über mögliche Konsequenzen zu entscheiden“, sagte ein Sprecher. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses, Eckhard Cordes, hatte in der vergangenen Woche – noch vor dem Flugzeugabsturz – erklärt, durch den Einbruch des Handels mit Russland und der Ukraine seien 2014 „bereits 25 000 Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet“.
Fast alle deutschen Russland-Exporteure sind Mittelständler
Besorgt zeigten sich auch die Mittelständler. „Bei einem Wirtschaftskrieg mit Russland gäbe es nur Verlierer“, sagte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, dem Tagesspiegel. Die Mehrzahl der etwa 6300 deutschen Unternehmen, die sich vor Ort auf dem russischen Markt engagieren, seien Klein- und Mittelbetriebe. „Ein Embargo oder ähnliche Zwangsmaßnahmen gegen Russland würden vor allem viele unserer exportorientierten Mittelständler treffen“, warnte Ohoven. 98 Prozent der rund 350 000 deutschen Exporteure seien mittelständische Firmen. Auf jede vierte davon würden Wirtschaftssanktionen zurückschlagen.
Der deutsche Handel mit Russland sank schon 2013 auf ein Gesamtvolumen von knapp 77 Milliarden Euro. Nach Angaben des Ost-Ausschusses nahmen sowohl die Importe aus Russland mit 40,4 Milliarden Euro (hauptsächlich Öl, Gas und Metalle), als auch die Exporte nach Russland mit 36 Milliarden Euro (vor allem Maschinen und Anlagen) um über fünf Prozent ab. 35 Prozent aller EU-Exporte nach Russland stammen aus Deutschland. „Wir erwarten für dieses Jahr einen Rückgang des Exports nach Russland um zehn Prozent“, sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. „Damit fallen vier Milliarden Euro weg. Dieser Verlust trifft uns schon“, ergänzte er. „Etwa 300 000 Arbeitsplätze in Deutschland hängen am Russland-Geschäft.“
Der EU-Gipfel hatte in der vergangenen Woche beschlossen, dass erstmals Sanktionen nicht nur gegen Personen, sondern auch gegen russische Firmen verhängt werden können, denen die Destabilisierung der Ukraine vorgeworfen wird. Außerdem sind die EU-Vertreter in der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung angewiesen worden, keine neuen Projekte in Russland mehr zu genehmigen. Die USA hatten ebenfalls ihre Sanktionen ausgeweitet. So werden nun konkret russische Banken sowie Energie- und Rüstungsfirmen – etwa der Energiekonzern Rosneft und die Gazprombank – auf eine Liste gesetzt. US-Bürgern ist vorerst verboten, mit diesen Unternehmen Finanzgeschäfte abzuwickeln. mit dpa