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Einig. GDL-Chef Claus Weselsky (v.l.), Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Sigrid Heudorf, Leiterin Tarifpolitik der Bahn, mit dem Tarifvertrag.
© DAVIDS/Sven Darmer

Schlichtung im Tarifstreit: Kein Streik bei der Deutschen Bahn

Erfolgreiche Schlichtung: Der Schienenkonzern und die Lokführer haben sich geeinigt – auf mehr Lohn und Planbarkeit. Bis Ende 2018 können Fahrgäste ohne Streiks reisen.

Der Tarifstreit bei der Bahn wurde im Bordrestaurant eines ICE beigelegt. Auf der Fahrt von Frankfurt am Main nach Berlin habe man sich am Mittwoch kurz vor der Ankunft geeinigt, berichtete Sigrid Heudorf, Leiterin Tarifpolitik des Schienenkonzerns, am Freitag. Am Weltfrauentag, nach acht „intensiven Schlichtungswochen“, habe am Ende ein Handschlag mit Claus Weselsky gestanden, dem Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL. „Das werde ich in meinem Berufsleben nicht vergessen“, sagte Heudorf. Und Weselsky, bislang vor allem als Streikführer aufgefallen, zeigte sich versöhnlich: „Wir können auch anders.“

Nachgeholfen hatten die beiden Schlichter. Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sowie Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) vermittelten im Streit der Tarifparteien. Bis zuletzt stand die Schlichtung vor dem Scheitern. Am Montag noch sei man „fast ausgestiegen“, sagte Ramelow. Dann aber hätten sich Heudorf und Weselsky in den Zug nach Berlin gesetzt, „um die letzten Schritte zu tun“. Alle vier erklärten am Freitag in der thüringischen Landesvertretung erleichtert: Bahn-Kunden müssen bis Ende 2018 nicht mit Streiks rechnen.

Schichten der Lokführer sind planbarer

Geeinigt hat man sich auf Lohnerhöhungen und Arbeitszeit-Verbesserungen, die für rund 34 000 Mitarbeiter des Zugpersonals gelten. Die Regelungen lehnen sich in weiten Teilen an den Abschluss mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) von Ende letzten Jahres an, die für 150 000 Bahner verhandelt hatte. Ab April erhalten die Beschäftigten 2,5 Prozent mehr Lohn. Bereits ausgezahlt wurden einmalig 550 Euro. Von 2018 an soll es weitere 2,6 Prozent geben, die aber auch mit zusätzlicher Freizeit ausgeglichen werden können. Dazu kommen umfangreiche Regelungen für eine bessere Organisation der Schichtdienste. Mehr Planbarkeit für die Mitarbeiter war die Kernforderung der GDL. „Der Beschäftigte wird nicht mehr am Ende der letzten Schicht erfahren, wann die nächste beginnt“, sagte Weselsky, der sich in der Tarifrunde 2015 und in den Jahren zuvor erbitterte Arbeitskämpfe mit der Bahn geliefert hatte. Zuletzt gipfelten sie in den längsten Streiks in der Geschichte der Bahn. Am Freitag sprach der GDL-Chef von einem „rundum gelungenen Ergebnis“. Es sei nicht leicht gewesen, sich zusammenzusetzen, man habe Kompromisse gemacht, „aber wir haben uns in den Kernelementen durchgesetzt“. Wo die Gewerkschaft am stärksten nachgegeben hat, sagte er nicht.

730 Seiten Aktenmaterial für ein komplexes Vertragswerk

Erstmals gelte nun im Durchschnitt des Jahres das Prinzip „5 + 2“, erklärte Weselsky. Das heißt, Lokomotivführer, Zugbegleiter und Bordgastronomen arbeiten in Zukunft nur an durchschnittlich fünf Tagen je Kalenderwoche und haben anschließend zwei Tage frei. Vom kommenden Jahr an gilt außerdem eine Mindestschichtlänge von sechs Stunden. Der Lohntarifvertrag läuft bis Ende September 2018, die Arbeitszeitregelungen bis Ende kommenden Jahres.

730 Seiten Aktenmaterial hatten Schlichter, Bahn und GDL gewälzt, um im komplexen Arbeitszeit- und Schichtplansystem des Staatskonzerns Kompromisslinien für einen Tarifvertrag zu finden, der nicht mit dem der EVG kollidiert. Am Ende stehe „ein gutes Lohnpaket“ und mehr Flexibilität, sagte Sigrid Heudorf. So haben die Beschäftigten ab 2018 die Wahl. Statt der 2,6 Prozent mehr Lohn können sie auch eine Stunde weniger Wochenarbeitszeit oder sechs Tage mehr Urlaub nehmen.

Eine neue Basis für die Zusammenarbeit

„Wir haben jetzt mehrere Jahre Tariffrieden bei der Bahn“, sagte Ramelow. Die Schlichtung war zwei Mal verlängert worden. Ramelow forderte die GDL auf, die Vorgaben auch in Tarifverhandlungen mit den Bahn-Konkurrenten durchzusetzen. Die Einigung könne eine Basis für einen Bahn-Flächentarifvertrag für ganz Deutschland auch mit anderen Unternehmen sein. Der Wettbewerb dürfe nicht über die Löhne ausgetragen werden.

„Wir haben eine Basis für einen sozialpartnerschaftlichen Umgang geschaffen“, sagte Matthias Platzeck und erinnerte an die Gräben, die sich zwischen den Tarifparteien am Anfang der Schlichtung noch aufgetan hatten. „Wir kannten uns, aber es gab keine Vertrauensbasis.“ Gemessen daran habe „eine Annäherung an die Unendlichkeit“ stattgefunden. Um dieses neue Klima zu erhalten, haben sich die Beteiligten auf eine Art runden Tisch verständigt, an dem man künftig zusammensitzen will. Damit aus Streit kein neuer Streik werden muss.

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