Bau kommt kaum in Schwung: Kein Ende der Wohnungsnot in Sicht
In Deutschland werden immer mehr Wohnungen fertig - aber immer noch zu wenige, um die Nachfrage zu stillen. Die Immobilienbranche ist alarmiert.
Für die Wohnungsnot in vielen deutschen Städten ist vorerst keine Linderung in Sicht. Zwar wurden vergangenes Jahr erneut mehr Wohnungen errichtet, doch die Zahlen bleiben weiter unter dem Bedarf. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen stagnierte 2018 beinahe, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Demnach wurden 285.900 Wohnungen fertig - ein kleines Plus von 0,4 Prozent gemessen am Vorjahr. Damit hat die Bundesregierung ihr Ziel von 375.000 neuen Wohnungen pro Jahr abermals verfehlt.
Um die große Nachfrage nach Immobilien zu stillen, müssen nach Einschätzung von Politik und Bauwirtschaft jährlich 350.000 bis 400.000 Wohnungen fertig werden. Die Regierungskoalition hat sich 1,5 Millionen neue Wohnungen in der laufenden Amtsperiode zum Ziel gesetzt. Dies rückt in weite Ferne. Experten hatten erwartet, dass 2018 zumindest die Schwelle von 300.000 Wohnungen überschritten wird.
Das geringe Plus liegt nach Angaben der Wiesbadener Statistiker auch daran, dass mehr Wohnungen genehmigt wurden als gebaut. Obwohl die Baubewilligungen 2018 leicht fielen, sei der Stau weiter gewachsen.
Bauwirtschaft kommt kaum hinterher
Gleichwohl bedeuten die neuen Zahlen den höchsten Stand bei den Fertigstellungen seit 2002, als 289.600 Wohnungen errichtet worden waren. Auch verzerren Wohnheime, zu denen etwa Flüchtlingsunterkünfte zählen, das Bild: Dort gab es ein Minus von gut 21 Prozent. Rechnet man die Wohnungen in Heimen heraus, wären vergangenes Jahr 2,6 Prozent mehr Wohnungen fertiggestellt worden.
Trotz des Baubooms kämpfen viele Städte unverändert mit den gleichen Problemen: Es fehlen Flächen für neue Wohnungen, die Immobilienpreise schießen in die Höhe, und die Bauwirtschaft kommt kaum hinterher. Sie ist schon stärker ausgelastet als im Boom nach der Wiedervereinigung und leidet unter Fachkräftemangel. Der Druck schlägt auch auf die Baupreise durch, die kräftig klettern und sich später in steigenden Mieten niederschlagen.
Die Immobilienwirtschaft zeigte sich enttäuscht von den neuen Zahlen. „Es fehlt an allen Ecken und Enden“, kommentierte Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses. Es gebe etwa zu langwierige Planungsprozesse und zu wenig Kapazitäten bei den Firmen. „Energetische Anforderungen, kommunale Auflagen und die Grundstückspreise sind starke Kostentreiber im Wohnungsbau.“
"Die Aussichten stehen gut"
Ähnlich reagierte die Gewerkschaft IG BAU. „Klassenziel wieder nicht erreicht“, kommentierte der Bundesvorsitzende Robert Feiger. Die Bauwirtschaft habe ihre Kapazitäten schon deutlich aufgestockt, brauche aber Planbarkeit über das Ende der Legislaturperiode 2021 hinaus. Der Branche stecke noch die Erfahrung Ende der 1990er Jahre in den Knochen, als sie die Beschäftigung stark reduzieren musste.
Tatsächlich wurden Mitte der 1990er Jahre im Wiedervereinigungsboom mehr als 600.000 Wohnungen jährlich errichtet. Danach sank die Zahl der Neubauten bis auf ein Tief von 160.000 kurz nach der Finanzkrise. Seither geht es wieder aufwärts - aber nicht schnell genug.
Im Kampf gegen die Wohnungsnot hatte die Bundesregierung auf einem Wohngipfel im Herbst eine Reihe von Maßnahmen vereinbart. Dazu zählen ein Baukindergeld für Familien, Steuerabschreibungen für den Bau von Mietwohnungen, die Bereitstellung von mehr bundeseigenen Grundstücken und eine Milliardenoffensive im sozialen Wohnungsbau.
Die Bauwirtschaft forderte angesichts des „unbefriedigten Ergebnisses“, die Beschlüsse des Gipfels müssten umgesetzt werden - etwa serielle und modulare Verfahren, um im Baukastenprinzip Wohnungen schneller zu errichten.
Zuversichtlich zeigte sich die Förderbank KfW. Die Baugenehmigungen vergangener Jahre seien bei weitem noch nicht abgearbeitet und die Auftragsbestände in der Baubranche jüngst weiter gestiegen. „Die Aussichten stehen gut, dass es im Wohnungsbau weiter aufwärts geht und dass sich in vielen Kommunen die Lage am Wohnungsmarkt allmählich entspannt.“ (dpa)