Besserer Schutz für Mieter: Justizministerin will Umwandlung in Eigentumswohnungen erschweren
In Gegenden mit knappem Wohnungsangebot sollen die Behörden Umwandlungen prüfen. Justizministerin Lambrecht will so Mieter vor Verdrängung schützen.
Es sind wohl Fälle wie die der Wohnanlage im Süden Berlins, die Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) im Auge hat. Die Siedlung, einst vom Bund für seine Bediensteten reserviert, hat diverse Eigentümerwechsel hinter sich. Der neue Eigentümer, eine börsennotierte Gesellschaft, will Kasse machen. Alle Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt. Die Kaufpreise sind hoch. Die meisten Mieter werden es sich nicht leisten können, ihre Wohnung zu erwerben. Viele leben seit 20 Jahren dort.
„Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist häufig der erste Schritt zur Verdrängung alt eingesessener Mieterinnen und Mieter, die seit vielen Jahren in ihren Stadtteilen leben und dort fest verwurzelt sind“, sagt Lambrecht. Deshalb will die Ministerin die Umwandlung per Gesetz erschweren. In angespannten Wohnungsmärkten soll sie künftig „nur noch unter besonderen Bedingungen und mit einer behördlichen Genehmigung möglich sein“, plant die Justizministerin.
Seitdem Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) sein Herz für Mieter entdeckt hat, sieht es gar nicht schlecht aus für das Projekt. „Ich bin für eine Begrenzung der Umwandlung“, hatte Seehofer vor wenigen Tagen der „Welt“ gesagt. Allerdings müsse eine Lösung „mit Augenmaß“ erfolgen und dürfe nicht verhindern, dass die Mieter ihre Wohnung kaufen. „Wir sind da noch in Verhandlungen“, betont der Bauminister. Die scheinen Fortschritte zu machen. Man befinde sich in „konstruktiven Gesprächen“, heißt es im Bauministerium auf Tagesspiegel-Anfrage. Die Verhandlungen sollen noch im Februar abgeschlossen werden.
Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag, nach dem die Behörden in einigen Fällen grünes Licht für eine Umwandlung geben müssen. Das soll dann der Fall sein, wenn zwei Drittel der umgewandelten Wohnungen an die Mieter gehen. Auch wenn die Immobilie in den Nachlass fällt oder Familienangehörige einziehen wollen, sollen die Behörden zustimmen müssen.
Ähnliche Einschränkungen kennt man aus Berlin. In den 59 Milieuschutzgebieten der Hauptstadt ist eine Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen bereits seit 2015 an die Zustimmung der Behörden geknüpft. Die Ämter müssen aber zustimmen, wenn die Wohnungen in den ersten sieben Jahren ausschließlich an Mieter oder an Familienangehörige gehen oder Teil des Nachlasses ist. So bestimmt es Bundesrecht, nämlich Paragraph 172 Baugesetzbuch. Politische Versuche von Berlin, Hamburg und Bremen, diese Vorschrift zu streichen, sind bislang gescheitert.
Dennoch ist Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) mit der Berliner Regelung zufrieden. Sie ist kürzlich bis zum Jahr 2025 verlängert worden. Der Umwandlungsdruck in den Milieuschutzgebieten sinke, vor allem in den Kiezen, die schon seit 2015 als soziale Erhaltungsgebiete eingestuft werden. Hier seien 2018 nur noch 1301 Wohnungen umgewandelt worden, berichtet die Linken-Politikerin, 2015 waren es noch 5163 Wohnungen.
„Die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum führt häufig zur Veränderung der angestammten Bewohnerschaft“, warnt Lompscher. „In den sozialen Erhaltungsgebieten können wir diese Entwicklung mit Hilfe der Umwandlungsverordnung dämpfen.“
Berlin ist das Zentrum von Umwandlungen
Berlin steht bundesweit im Zentrum der Umwandlungswelle. 12.874 Fälle gab es 2018, die meisten in Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Druck ist angesichts steigender Immobilienpreise weiter hoch.
Die neue bundesgesetzliche Regelung könnte vielen Hauptstädtern helfen, nämlich all denen, die nicht in Milieuschutzgebieten leben, etwa in Steglitz, Zehlendorf, Tegel oder Spandau. Würde der Berliner Senat - was zu erwarten wäre – nach einer Reform das gesamte Berliner Stadtgebiet zu einer Region mit angespanntem Wohnungsmarkt erklären, wären auch Mieter in diesen Stadtteilen künftig besser vor einer Umwandlung ihrer Mietwohnung geschützt. Der Deutsche Mieterbund würde das begrüßen. „Die Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung heißt für die Mieter in vielen Fällen Vertreibung oder eine drastische Verteuerung der Miete“, warnt der Geschäftsführer der Mieterschutzorganisation, Ulrich Ropertz.
Jan-Marco Luczak hält die Reform für falsch
Jan-Marco Luczak, Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion für Recht und Verbraucherschutz, sieht die geplante Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen dagegen „sehr kritisch“. „Ich finde es inkonsequent, wenn wir einerseits viele Milliarden für die Eigentumsförderung bereitstellen, gleichzeitig das Entstehen neuer Eigentumswohnungen behindern“, meint Luczak. Im Falle der Umwandlung seien Mieter heute schon gut geschützt, weil sie bis zu zehn Jahre Kündigungsschutz hätten.
So funktioniert der Kündigungsschutz
Wer zum Zeitpunkt der Umwandlung bereits Mieter ist, ist zehn Jahre lang vor Kündigungen wegen Eigenbedarfs sicher. Damit will Berlin die Mieter davor bewahren, dass der neue Eigentümer sie vor die Tür setzt, um die Wohnung teurer weiterzuverkaufen. In anderen Gegenden Deutschlands gilt dagegen nur eine dreijährige Sperrfrist.
Die Frist beginnt zu laufen, wenn der neue Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Nach Ablauf der Sperrfrist gilt der normale Kündigungsschutz: Der Vermieter braucht einen Kündigungsgrund, und er muss die Kündigungsfristen beachten. Generell gilt: Kauf bricht nicht Miete. Der Mietvertrag gilt weiter, auch was die Miethöhe betrifft.
Wie Mieter ihr Vorkaufsrecht nutzen können
Neben dem Kündigungsschutz steht Mietern auch ein Vorkaufsrecht zur Seite, wenn ihre Wohnung erstmalig in Eigentum umgewandelt wird. Will der Verkäufer die Wohnung an einen Dritten veräußern, können die Mieter prüfen, ob sie zu den ausgehandelten Konditionen in den Vertrag eintreten. Dazu muss ihnen der Verkäufer den gesamten Vertragsinhalt schriftlich zugänglich machen. Man hat zwei Monate Bedenkzeit.
Der Mieterbund kennt allerdings Fälle, in denen Eigentümer versuchen, den Mietern das Vorkaufsrecht abzuschwatzen. Die Mieter sollen Erklärungen unterschreiben, dass sie auf den Anspruch verzichten. „Tun Sie das bloß nicht“, warnt Ropertz. Denn wenn der Käufer gut verhandelt hat, könnte davon am Ende der Mieter profitieren und selbst zu einem guten Preis zuschlagen.