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Die VW-Niederlassung «Manhattan» in New York: In den USA sind bereits zahlreiche Sammelklagen anhängig.
© dpa

Schadensersatz von Volkswagen: Justizminister Maas will Weg frei machen für Sammelklagen

In Deutschland klagt bislang jeder Verbraucher für sich allein, das soll sich ändern. Verbraucherschützer sehen Chancen für Schadensersatz im Abgas-Skandal bei VW.

In den USA wird nicht lange gefackelt. Zahlreiche Sammelklagen gegen Volkswagen sind bereits bei den Gerichten anhängig. Dasselbe gilt für Kanada. In Großbritannien trommeln Anwaltskanzleien derzeit empörte Dieselfahrer zusammen, die gemeinsam den deutschen Autokonzern zwingen wollen, Schadensersatz für die Abgasmanipulationen zu zahlen. Nur in Deutschland kämpft bislang jeder für sich allein.
Das könnte sich ändern. Denn Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will auch in Deutschland Verfahren einführen, mit denen Verbraucher gemeinsam gegen Versicherungs-, Energie- oder Bankkonzerne vorgehen können. Oder gegen Autobauer wie Volkswagen.

Vorbild: Prozesse von Kapitalanlegern

Bislang gibt es eine solche kollektive Rechtsdurchsetzung nur bei Kapitalanlageverfahren – als Reaktion auf die 17.000 Telekom-Aktionäre, die das Landgericht Frankfurt mit ihren Schadensersatzklagen wegen des Kursverfalls der T-Aktie überschüttet hatten. Dabei würden sich aber wohl auch gern viele VW-Käufer zusammenschließen und vor Gericht klären lassen, ob das Unternehmen Schadensersatz für den Wertverlust ihrer Autos zahlen muss. Wahrscheinlich mit Erfolg, meint Jürgen Keßler, Verwaltungsratsvorsitzender der Verbraucherzentrale Berlin. „Die Verbraucher haben für eine Technik bezahlt, die den Schadstoffausstoß gering halten sollte“, sagte der Professor für Zivil-, Wirtschafts- und Kartellrecht dem Tagesspiegel.

Andere Länder sind weiter

Doch wer glaubt, Maas reagiere nun schnell auf „Dieselgate“, liegt schief. Denn die Reformüberlegungen im Ministerium gab es schon lange vor dem VW-Skandal. Bereits 2013 hatte die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten empfohlen, Gruppen-, Sammel- oder Musterklagen einzuführen. Solche Verfahren gibt es in Schweden, Norwegen, Polen, Italien, Dänemark, Belgien, Großbritannien und seit kurzem auch in Frankreich. Nur in Deutschland ist es kompliziert, Interessen zu bündeln. Zwar können sich Verbraucher zu Streitgenossen zusammenschließen oder ihre Ansprüche an Verbraucherzentralen abtreten, die dann vor Gericht ziehen, „doch praktikabel ist das alles nicht“, kritisiert Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV).

"Zehn Ordner, 30 Seiten mit Tabellen"

Die Verbraucherzentralen, die solche Fälle betreuen, ächzen unter der Mammutaufgabe. „Zehn Leitz-Ordner, 30 Seiten mit Übersichtstabellen“ habe allein die Verbraucherzentrale (VZ) Hamburg angelegt, als sie für 55 Kunden Klage gegen die Gaspreiserhöhung von Eon Hanse eingereicht habe, berichtet VZ-Chef Günther Hörmann. Die 55 bekamen schließlich ihr Geld zurück, doch Hunderttausende blieben außen vor. Denn unmittelbare Wirkung entfalten die Urteile nur für die Kläger. Weigern sich Firmen – wie häufig –, auch alle anderen Betroffenen zu entschädigen, muss letztlich doch wieder jeder einzelne klagen. Ansprüche sind dann aber oft bereits verjährt, und viele Kunden scheuen den Aufwand. Glaubt man einer Allensbach-Umfrage, ziehen Verbraucher erst ab einem Streitwert von 2000 Euro vor Gericht. Sonst lassen sie ihre Ansprüche lieber flöten. „Fatal“ sei das, sagt Gerd Billen. Denn die Firmen streichen so Gewinne ein, die sie unrechtmäßig kassiert haben, ärgert sich der Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Und auch mit Blick auf die Verbraucher gebe es Handlungsbedarf. „Es reicht nicht, wenn die Leute Recht haben, sie müssen auch Recht bekommen“, sagte Billen kürzlich auf einer Veranstaltung des VZBV zu Sammelklagen. Deshalb plant das Ministerium Reformen.

Musterfeststellungs- statt Sammelklagen

Sammelklagen, in denen Hunderte Einzelfälle verhandelt werden, soll es aber nicht geben. Stattdessen will Billen Musterfestellungsklagen einführen. Diese sollen es einer größeren Zahl von Geschädigten ermöglichen, gegen ein- und denselben Gegner vorzugehen. Klagen können Verbände oder einzelne Bürger. Verbraucher können sich beteiligen, indem sie sich in ein Klageregister eintragen. Das hemmt die Verjährung und schafft Verbindlichkeit. Fällt das Grundsatzurteil in ihrem Sinne, können Verbraucher im Anschluss leichter Schadensersatz geltend machen – entweder über ein Schlichtungs- oder ein Klageverfahren. Zudem will das Ministerium Firmengewinne, die auf rechtswidrigen Handlungen beruhen, abschöpfen. Das Geld könnte man beim Bundesamt für Justiz parken und damit die Finanzierung von Prozessen erleichtern, meint Billen. Noch ist das aber reine Zukunftsmusik. Demnächst soll es ein Eckpunktepapier geben, 2016 einen Referentenentwurf. Eines, so Billen, werde aber in Deutschland nicht einziehen – amerikanische Verhältnisse, bei denen Großkanzleien Unternehmen an die Wand drücken. VW wird das gerne hören.

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