Firmengründungen: Junge Unternehmen sammeln weniger Kapital ein
Kapitalgeber haben zuletzt weniger in Start-ups investiert - in Berlin wie weltweit. Sie wägen stärker ab, wo sie einsteigen.
Eine Milliarde Dollar. So viel haben Investoren im vergangenen Jahr in Berliner Start-ups investiert. Das geht aus einer am Donnerstag vorgestellten Studie der Beratungsfirma KPMG hervor. Was jedoch nach einer unglaublich hohen Summe klingt, ist tatsächlich gar nicht so viel: 2015 floss nämlich noch mehr als doppelt so viel Kapital in die Berliner Gründerszene. Damit ist die Summe der Investitionen in Start-ups der Stadt erstmals zurückgegangen. Die Kapitalgeber würden vorsichtiger, heißt es zur Begründung in der Studie. Sie würden nicht mehr so blind wie früher in Start-ups investieren, sondern deren Geschäftsmodelle stärker hinterfragen. „Das vergangene Jahr ist durch deutlich mehr Vorsicht aufseiten der Investoren gekennzeichnet“, sagt KPMG-Partner Tim Dümichen.
Diese Entwicklung gilt aber nicht nur für Berlin, sondern ist ein weltweiter Trend. Rund um den Globus sind die Investitionen in die jungen Firmen der Techszene im Vergleich zum Vorjahr um 14 Milliarden auf 127 Milliarden Dollar gesunken. Erstmals seit der Erhebung der Daten 2010 gibt es damit einen Rückgang bei der Summe, die Investoren in Start-ups gesteckt haben.
Investoren werden wählerischer
Bei den Geldgebern hat ein Umdenken eingesetzt. Früher sind sie nach dem Gießkannen-Prinzip vorgegangen: Sie haben in möglichst viele Start-ups investiert – in der Hoffnung, dass eins davon so erfolgreich wird, dass dessen Erfolg die Pleiten der anderen kompensiert. Die Erfahrung der Vergangenheit hat sie nun offenbar eines Besseren belehrt. „Investoren geben verstärkt nur noch dann Geld, wenn die Firmen bereits einen konkreten Business-Plan haben und nachweisen können, dass sie profitabel arbeiten“, heißt es in der Studie. Konnten die Start-ups es sich früher leisten, in der Anfangsphase viel Geld zu verbrennen, müssen sie nun schneller zeigen, dass ihre Idee etwas taugt und dass Kunden ihre Produkte kaufen, schreiben die Studienautoren.
Die Zurückhaltung der Investoren erklären sie unter anderem mit der Wirtschaftsentwicklung: Die Brexit-Abstimmung und die Wahl Trumps haben auch Geldgeber verunsichert. Ereignisse wie diese machen es schwerer, abzuschätzen, wie sich die Wirtschaft in den nächsten Jahren entwickeln wird. Damit wird es auch schwerer vorauszusagen, wie gut die Chancen der Start-ups stehen, den Markteintritt zu schaffen. Gegen diese These spricht, dass die Investitionen in britische Start-ups seit der Brexit-Abstimmung bei Weitem nicht so stark zurückgegangen sind, wie man das hätte erwarten können. 2016 haben die Geldgeber Gründern aus London 3,1 Milliarden Dollar bereitgestellt – das sind nur 600 Millionen Dollar weniger als im Vorjahr.
Die hohe Bewertung der Start-ups macht misstrauisch
Stärker ins Gewicht fällt daher wohl ein anderes Argument: nämlich die oft sehr hohen Bewertungen der Start-ups. Auch weil Geldgeber in den Jahren zuvor enorme Summen in die Gründerszene investiert haben, werden viele Start-ups inzwischen als sehr wertvoll eingestuft – wobei noch völlig unklar ist, ob das gerechtfertigt ist. Viele von ihnen müssen erst noch beweisen, dass sich mit ihrem Geschäftsmodell Geld verdienen lässt.
Interessant ist bei der Entwicklung allerdings: Längst nicht alle Investorengruppen haben ihr Engagement gleich stark zurückgefahren. Während Venture-Capital-Fonds, institutionelle Anleger und Beteiligungsfirmen zurückhaltender waren, haben Unternehmen unverändert stark in Start-ups investiert: Viele haben eigene Förderprogramme für junge Gründer aufgebaut. Über die stellen sie den Start-ups nicht nur Geld zur Verfügung, sondern unterstützen sie auch mit ihrer Erfahrung. So wollen die Unternehmen die Start-ups früh an sich binden, um sie entweder später ganz zu übernehmen oder ihre Dienste zu nutzen. Entgegen dem allgemeinen Trend zur Vorsicht prognostizieren die Studienautoren daher, dass Unternehmen auch in diesem Jahr weiter stark in Start-ups investieren werden. Davon dürfte auch Berlin profitieren, schließlich haben viele deutsche Unternehmen ihre Start-up-Büros in der Hauptstadt angesiedelt.
In der Gründerszene selbst ist man zudem optimistisch, dass es den jungen Firmen 2017 wieder gelingt, mehr Geld einzusammeln. „Es hat sich zuletzt vieles verbessert“, sagt Florian Nöll vom Bundesverband Deutsche Start-ups. So seien lange immer mehr Firmen gegründet worden, während die Zahl der VC-Fonds in Deutschland stagnierte. Inzwischen würden aber auch hierzulande mehr dieser Spezialfonds für die Finanzierung von Start-ups entstehen. „Dazu kommt, dass im März das neue Börsensegment für Start-ups an den Start geht“, sagt Nöll. Junge Techfirmen, die Aktien ausgeben, bekommen dadurch ein Schaufenster – ähnlich wie Firmen, die in einem der wichtigen Aktienindizes vertreten sind. „Das kann mehr Start-ups dazu anregen, an die Börse zu gehen“, sagt Nöll. Auch das könnte der Gründerszene einen neuen Schub geben.
Carla Neuhaus