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John Cryan, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, greift bei dem Geldhaus hart durch.
© dpa/Boris Roessler

Deutsche Bank muss sparen: John Cryan zeigt sich schonungslos deutsch

Der Brite John Cryan, neuer Chef der Deutschen Bank, greift hart durch: 9000 Stellen werden gestrichen. Das Wort Kulturwandel ist von ihm nicht zu hören. Der Betriebsrat schäumt.

Um 8 Uhr 58 zeigt sich John Cryan erstmals der deutschen Öffentlichkeit. Seine Vorstandskollegen lassen ihm am Donnerstag den Vortritt im großen Konferenzsaal in der Zentrale der Deutschen Bank an der Frankfurter Taunusanlage. Im dunkelgrauen Anzug, weißen Hemd und mit dunkelroter Krawatte stellt sich der 54-jährige Brite vor dem Emblem der Bank den gut zwei Dutzend Fotografen und Kamerateams. Erst zwei Minuten später gesellen sich Ko-Vorstandschef Jürgen Fitschen, Finanzvorstand Marcus Schenck und Privatkundenchef Christian Sewing an die Seite des seit dem 1. Juli amtierenden Ko-Chefs des mächtigsten Geldhauses der Republik, der faktisch aber alleine regiert.

Es dauert noch einige Minuten, bis sich die Herren setzen können und bis Cryan, der Kleinste des Quartetts, mit eher fahlem Gesicht das Wort ergreift – und seine ersten Pluspunkte sammelt. Der Brite spricht Deutsch, fast perfekt und ohne Akzent mit heller Stimme. Nur bei einigen Fremdwörtern verhaspelt er sich. Es sei ihm ein Anliegen, seine Pläne persönlich zu erläutern, sagt Cryan, dessen Vorgänger Anshu Jain wegen seiner mangelnden Deutschkenntnisse wiederholt in die Kritik geraten war. Warum er die drastischen Sparpläne der größten deutschen Bank nicht doch – wie ursprünglich geplant – in einer Telefonkonferenz erläutere, kann Cryan nicht wirklich erklären. „Die Aufsichtsratssitzung hat gestern Abend lange gedauert und ich war sowieso in Frankfurt“, sagt er.

"Strategie 2020": Die Belegschaft von 100.000 Mitarbeitern schrumpft um ein Drittel

Die Deutsche Bank steht unter ihrem neuen Chef vor dem zweitgrößten Jobabbau ihrer Geschichte. Um fast ein Drittel wird die noch rund 100 000 Köpfe zählende Belegschaft schrumpfen, wenn in den nächsten Jahren Cryans neue „Strategie 2020“ umgesetzt wird. Allein im Konzern fallen netto 9000 Stellen weg, knapp die Hälfte davon in Deutschland. Weitere 6000 Jobs werden bei externen Dienstleistern gestrichen. Zudem will sich die Bank von Beteiligungen mit 20 000 Mitarbeitern trennen. Dazu zählt auch die Tochter Postbank, die 2016 an die Börse gebracht werden soll. „Mir ist sehr bewusst, dass dies 9000 Schicksale sind, hinter denen Menschen und Familien stehen“, räumte Cryan ein. Nach einem Verlust von sechs Milliarden Euro im dritten Quartal stellt sich der Vorstand auf rote Zahlen für das Gesamtjahr ein. „Wenn nicht ein Wunder passiert, werden wir einen Verlust für 2015 ausweisen.“

Der Konzernbetriebsrat schäumt: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Suppe auslöffeln müssen, die ihnen das Top-Management früherer Jahre mit Schadensersatzzahlungen und Abschreibungen in schwindelerregender Höhe eingebrockt hat“, heißt es in einer Erklärung.

„Moral and Motivation sind Kernaufgaben of the Vorstand.“

Obwohl er selbst eine neue Strategie präsentiert hat, beklagt Cryan die vielen Strategieankündigungen der vergangenen Jahre und die mangelhafte Umsetzung. Ko-Chef Jürgen Fitschen, der Einzige aus der alten Vorstandsriege, hört die Worte mit starrem Blick. Der Brite bedauert den drastischen Personalabbau, will ihn fair abwickeln. Drastisch beschreibt er den Zustand der Bank, beklagt ihre Ineffizienz. Er zeigt mit nur zwölf Folien, dass man eine Strategie auch einfach erläutern kann. Als seine Vorgänger Jain und Fitschen Ende April ihre Pläne erläutert hatten, waren dafür 41 zum Teil verwirrende Folien notwendig.

Das von Jain und Fitschen eingeführte Wort Kulturwandel nimmt Cryan nicht in den Mund. Die Antwort auf die Frage überlässt er dem Ko-Chef, der einräumt, dass man die Umsetzung unterschätzt habe, aber natürlich daran festhalte. „Sie dürfen noch mehr erwarten“, sagt Fitschen. Cryan ergänzt auf Englisch gemischt mit deutschen Wörtern, die Bank werde disziplinierter geführt, das Vergütungssystem angepasst. Für Fehlverhalten könne es keine Entschuldigung geben, es werde konsequent geahndet. „Moral and Motivation sind Kernaufgaben of the Vorstand.“

In seine scharfe Abrechnung mischt Cryan ruhig und überlegt Lob für die Bank. Sie habe eine einzigartige Position im internationalen Geschäft und sei in Deutschland tief verwurzelt. „Diese Wurzeln müssen wir nicht nur pflegen, sondern weiter stärken.“

Nach 90 Minuten ist Cryans Auftritt vorbei. Seine Kollegen und er müssen nach London zur Investorenkonferenz. Sie nehmen den Linienflieger der Lufthansa, betont Bank-Sprecher Thorsten Strauß. Auch eine Sparmaßnahme.

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