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Plattenwohnung in Marzahn: In Berlin fehlen 120.000 bezahlbare Wohnungen
© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Wohnungsmangel in Berlin: Jeder zweite Berliner hat Anspruch auf eine Sozialwohnung

Aber es gibt nur 80.000 mit Mietpreisbindung, sagt der Mieterverein. Bauministerin Hendricks will bundesweit jährlich 350.000 neue Wohnungen bauen.

Eine bezahlbare Wohnung finden - in Ballungsgebieten wie Berlin gleicht das inzwischen einem Lottogewinn. Schnelle Hilfe ist nicht in Sicht, muss Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) einräumen. Neue Wohnungen zu bauen, dauere nun einmal drei bis vier Jahre. „Kurzfristig gibt es keine Entlastung“, sagte Hendricks am Montag.

Eine Million neue Wohnungen bundesweit

Bleibt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Und in der wollen die Ministerin und ihre Partner, die sich zum Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen zusammengeschlossen haben, viele neue Wohnungen auf die Beine stellen. Einiges ist schon erreicht. In dieser Legislaturperiode werde man voraussichtlich mehr als eine Million neue Wohnungen fertiggestellt haben, sagte Hendricks anlässlich des  letzten Bündnistreffens  mit Vertretern von Bund, Ländern, Kommunen,  Wohnungswirtschaft,  Mieterbund und Gewerkschaften vor der Bundestagswahl. „Wir haben die Trendwende geschafft“, meint die Ministerin. Aber es gebe noch viel zu tun. Mindestens 350.000 Wohnungen müssten jährlich neu gebaut werden, meint Hendricks. Im vergangenen Jahr sind aber gerade einmal knapp 280.000 Wohnungen neu entstanden, und davon war  jede vierte eine Eigentumswohnung. Verglichen damit war der Neubau von Sozialwohnungen war mit 25.000 eher übersichtlich.

55 Prozent der Berliner haben Anspruch auf eine Sozialwohnung

Deren Bau will Hendricks mit Bundesmitteln beschleunigen und hat die Förderung verdreifacht: 1,5 Milliarden Euro gibt der Bund für den sozialen Wohnungsbau, allerdings läuft das Modell aus. Nach dem neuen Länderfinanzausgleich ist der soziale Wohnungsbau nach dem Jahr 2019 Ländersache. Hendricks hält das für falsch und macht sich für eine Grundgesetzänderung in der nächsten Legislaturperiode stark.

80.000 bis 120.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr hält der Deutsche Städtetag für nötig. Denn viele „alte“ Sozialwohnungen fallen jährlich aus der Mietpreisbindung heraus. Das Problem stellt sich in verschärfter Form in Berlin. „In Berlin fehlen 80.000 bis 120.000 bezahlbare Wohnungen“, sagte Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, dem Tagesspiegel. Derzeit gibt es gerade einmal 80.000 Sozialwohnungen in der Stadt, für die noch die Mietpreisbindung gilt. Viel zu wenig für den Bedarf: Denn 55 Prozent der Berliner haben wegen ihres geringen Einkommens Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS). Ein Ein-Personen-Haushalt bekommt den WBS, wenn das Jahreseinkommen unter 16.800 Euro liegt, bei einem Zwei-Personen-Haushalt sind es 25.200 Euro. Derzeit wird darüber diskutiert, diese Sätze anzuheben. Dann hätten zwei Drittel der Berliner Anspruch auf eine Sozialwohnung – aber keine Chance, eine zu bekommen, kritisiert Wild.

Es fehlt bezahlbares Bauland in Berlin

Dabei sieht der Senat durchaus Handlungsbedarf. Im vergangenen Jahr förderte Berlin den Neubau von rund 2500 Sozialwohnungen, ab diesem Jahr sind es 3000 jährlich, bis 2021 soll die Förderung so aufgestockt werden, dass das Geld für 5000 neue Wohnungen im Jahr reicht. Das Problem: Es fehlt bezahlbares Bauland. „In Berlin-Mitte zahlt man 2200 Euro pro Quadratmeter“, gibt Wild zu bedenken, „wie soll darauf sozialer Wohnungsbau entstehen?“ Landeseigene Flächen gibt es in zentraler Lage kaum noch: Gerade einmal zwölf Prozent hat das Land noch im Innenstadtbereich. Sozialwohnungen würden daher eher außerhalb des S-Bahn-Rings entstehen.

Lückenschluss und Dachaufstockung

Dabei wünscht sich die Bauministerin eher eine Verdichtung der Innenstädte. Die neue Baugebietskategorie „Urbanes Gebiet“, die laxere Vorgaben zu Lärmschutz und Bebauungsdichte macht, soll Bauprojekte in Städten erleichtern. Lückenschlüsse und Dachaufstockungen sollen neuen Wohnraum bringen, auch wenn das vielleicht manchem Altmieter oder -eigentümer nicht passt: „Niemand hat eine Garantie, dass man seinen freien Blick behält", sagt Hendricks, „es sei denn, man wohnt am Meer.“

Wohnungsbau-Offensive mit Zehn-Punkte-Liste

Eine Wohnungsbau-Offensive mit zehn Punkten hatte das Kabinett im vergangenen Jahr auf Anregung des Bündnisses verabschiedet. Dazu zählen auch die Bereitstellung von Bauland und die verbilligte Abgabe von Grundstücken durch den Bund. Standardisierungen von Normen und Bauteilen sollen den Bau beschleunigen und Kosten senken. Zudem fordert Hendricks mehr Personal in der Verwaltung.

Städtetag will bessere steuerliche Förderung

Der Deutsche Städtetag will eine bessere steuerliche Förderung  und schlägt eine Investitionszulage des Bundes sowie eine  steuerliche Sonderabschreibung vor. Michael Sachs, Ex-Staatsrat in der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, unterstützt das. Die steuerliche Förderung müsse in der nächsten Legislaturperiode wieder auf die Tagesordnung, fordert er. Hendricks hatte den jetzigen Aufsichtsratschef des Wohnungsunternehmens Gewobag gebeten, einen Zwischenstand des bisher vom Bündnis Erreichten zu ziehen. Der fällt überwiegend positiv aus.  Hendricks würde gern weitermachen. Die SPD-Politikerin wünscht sich eine Fortsetzung des Bündnisses in der nächsten Legislaturperiode – mit ihr als Ministerin. „Ich stehe  zur Verfügung, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.“

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