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Die niedersächsischen Metallarbeitgeber werben mit den Porträts von Kanzlerin Merkel (CDU) und US-Präsident Obama für TTIP.
© dpa

Großdemonstration und Spitzengespräche: Ist TTIP noch zu retten?

Die Zeit drängt. An diesem Wochenende geht es ums Ganze für das Freihandelsabkommen. Angela Merkel und Barack Obama werben für TTIP, Zehntausende wollen in Hannover gegen das Abkommen demonstrieren.

Angela Merkel geht aufs Ganze. Vor den Hütern des ur-deutschen Reinheitsgebots, den Brauern, warb die Bundeskanzlerin am Freitag für die USA. Da der Bierdurst der Deutschen zurückgehe, müssten die Brauer ihr Heil im Export suchen, rät die CDU-Vorsitzende. „Deshalb ermuntere ich auch die Kritiker von Freihandelsabkommen, noch mal darüber nachzudenken“, mahnte Merkel.

Gemeinsam mit US-Präsident Barack Obama, der am Sonntag zur Hannover Messe reist, will die Kanzlerin retten, was zu retten ist. Denn die Zeichen für das umstrittene US-europäische Freihandelsabkommen TTIP stehen nicht gut. In den Niederlanden droht ein Referendum, Frankreich blockt, selbst Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) schließt ein Scheitern nicht mehr aus. Die IG Metall warnt vor dem Verlust von Arbeitsrechten, Verbraucherschützer pochen auf Verbraucherstandards, das Misstrauen in der Bevölkerung steigt. Nicht einmal jeder fünfte Deutsche hält TTIP für eine gute Sache. An diesem Samstag werden Zehntausende in Hannover auf die Straße gehen und – aufgerufen von Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen, Umwelt- und Verbraucherverbänden – gegen TTIP demonstrieren.

Und selbst in der Wirtschaft, die sonst stets den Freihandel als Exportmotor unterstützt, gibt es Mahner. 2400 kleine und mittlere Firmen haben einen Aufruf der Wirtschaftsinitiative „KMU gegen TTIP“ unterschrieben. Sie befürchten, dass unter Zeitdruck Pfusch betrieben wird und das „sehr gute europäische System zur Produktzertifizierung“ nachhaltig beschädigt wird.

Die weltgrößte Freihandelszone steht auf der Kippe

Es steht ums Ganze. Mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen, über das seit 2013 verhandelt wird, soll die weltgrößte Freihandelszone mit 800 Millionen Menschen entstehen. Zölle sollen abgebaut werden, technische Vorschriften angeglichen – das soll Kosten sparen und Jobs schaffen.

Um TTIP doch noch zu retten, machen Merkel und Obama das Thema daher jetzt zur Chefsache. Mit dabei in Hannover sind die politischen Chefverhandler, EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und auf US-Seite Michael Froman. Parallel dazu wird in der kommenden Woche in New York zwischen den Delegationen weiter verhandelt. Um Regulierung soll es in der 13. Verhandlungsrunde gehen, um Dienstleistungen und den hochumstrittenen Investorenschutz. Auf öffentlichen Druck verlangt die EU jetzt öffentlich bestellte Richter statt der ursprünglich angestrebten privaten Schiedsgerichte und eine Berufungsinstanz. Damit soll verhindert werden, dass Konzerne politische Reformen unter Berufung auf den Investorenschutz verhindern.

Den USA geht das zu weit. Sie halten an den Schiedsgerichten fest, allerdings sollen deren Verhandlungen öffentlich übertragen werden. Glaubt man dem, was in Brüssel kursiert, ist so etwas mit der EU jedoch nicht zu machen. Probleme gibt es auch bei der Frage, ob die USA bei öffentlichen Ausschreibungen künftig auch europäische Firmen akzeptieren müssen und ob geographisch geschützte Herkunftsbezeichnungen aus der EU wie Parma-Schinken auch in den USA respektiert werden. Im Gegenzug will die US-Agrarbranche ihre Exporte in die EU deutlich erhöhen, was den deutschen Bauern Angst macht.

Verbraucherschützer: Keine faulen Kompromisse

Beschlossen ist bislang nichts. Die Zeit drängt. Nach der Runde in der kommenden Woche ist noch eine weitere geplant. Bis zum Sommer sollen konsolidierte Papiere vorliegen, die sowohl die Position der EU als auch der USA widergeben. Im Januar 2017 endet die Amtszeit Obamas, sowohl Hillary Clinton als auch Donald Trump haben wenig Liebe für Freihandel.

Verbraucherschützer befürchten, die Sache könnte in einem faulen Kompromiss enden: „Ich sehe die Gefahr, dass in Hannover große Einigkeit zelebriert wird“, sagte Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), dem Tagesspiegel. „ Weil man in den USA Angst hat, dass weder Clinton noch Trump TTIP unterstützen, könnten EU und USA auf die Idee kommen, jetzt noch bis zum Jahresende ein hastiges Rahmenabkommen zu unterschreiben, in dem aber alle strittigen und kniffligen Punkte ausgespart sind.“ Diese könnten dann Regierungskonsultationen in den Hinterzimmern überlassen werden, befürchtet Müller. „Für Transparenz und Demokratie wäre das fatal.“

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