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Wirtschaftsexperten sind alarmiert: Liefern sich die USA und Europa einen Wirtschaftskrieg?
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Streit zwischen den USA und Europa: Ist das der Beginn eines Wirtschaftskriegs?

Erst straft Europa Apple ab, dann belangen die USA die Deutsche Bank. Zufall oder eine Retourkutsche? Manche Beobachter fürchten bereits einen Wirtschaftskrieg.

Es geht um  viel Geld und noch mehr Macht. Drei Wochen ist es her, da bekommt der US-Konzern Apple unangenehme Post aus Brüssel: 13 Milliarden Euro soll er in Irland an Steuern nachzahlen, verlangt die EU-Kommission. In den USA ist man empört. Apple-Chef Tim Cook spricht von „politischem Dreck“. Nur wenig später ist es dann die Deutsche Bank, die schlechte Nachrichten aus den USA verkraften muss. Deutschlands größtes Geldinstitut soll in den Vereinigten Staaten aufgrund dubioser Hypothekengeschäfte umgerechnet knapp 13 Milliarden Euro Strafe bezahlen. Ein Schock, die Aktie des Instituts stürzt ab.

Zwei Ereignisse, eine Zahl: 13 Milliarden Euro. Kann das Zufall sein? Oder ist die Strafe gegen die Deutsche Bank etwa eine Retourkutsche aus den USA für das Vorgehen der EU-Kommission gegen Apple? Experten, die sich mit internationalen Handelsbeziehungen auskennen, sind alarmiert. Manche fürchten bereits einen Wirtschaftskrieg. Schließlich sind die Forderungen an Apple und Deutsche Bank nur zwei der Streitthemen, die die europäisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen derzeit belasten.

Los ging es mit der VW-Affäre in den USA

Angefangen hat das Ping-Pong-Spiel der Vorwürfe, Anschuldigungen und Strafzahlungen im vergangenen Sommer mit dem Dieselskandal bei Volkswagen. 15 Milliarden Euro soll der Autobauer an die Amerikaner zahlen, weil er bei den Abgaswerten getrickst hat: In den USA fällt die Strafe damit sehr viel höher aus als hierzulande. Manche Industrievertreter werfen den Amerikanern deshalb hinter vorgehaltener Hand vor, so ihre eigene Autoindustrie vor der Konkurrenz aus dem Ausland schützen zu wollen. Und auch wenn die extrem hohe Strafe wohl vor allem an den strengeren US-Umweltgesetzen liegt, sorgte auch sie bereits für Spannungen zwischen den Wirtschaftsmächten.

„Es gibt negative Erfahrungen, die deutsche Firmen in Amerika gemacht haben, die Zweifel an der Fairness wecken“, sagte kürzlich erst Altkanzler Gerhard Schröder in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Man bekäme den Eindruck, dass die Strafzahlungen für Fehlverhalten das Ziel hätten, „die deutsche Industrie in einem internationalen Konkurrenzkampf zu schädigen“. Natürlich müssten Firmen für ihre Fehler geradestehen. Doch ob diese Verfahren in den USA „mit der Sensibilität und Fairness betrieben werden, wie es sich unter Partnern gehört, wage ich zu bezweifeln“, sagte Schröder.

Warum wurde das mögliche Strafmaß so früh publik?

So ist man in Europa zum Beispiel auch irritiert darüber, wie früh bekannt wurde, welches Strafmaß das US-Justizministerium von der Deutschen Bank verlangt. Denn die Verhandlungen mit dem Institut befinden sich noch in einem sehr frühen Stadium. Normalerweise werden Zahlen erst öffentlich, wenn sich beide Seiten bereits angenähert haben. So war es bei den Verhandlungen der Behörden mit US-Instituten. Dass die Höhe der Forderung im Fall der Deutschen Bank extrem früh publik wurde, spricht dafür, dass sie jemand bewusst verraten hat.

Klar ist: Schenken will keine Seite der anderen etwas. Das zeigt allein schon das unerschrockene Vorgehen von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Nach Apple will sie auch die Steuerpraxis von Amazon und McDonald’s genauer untersuchen. Ihre Vermutung: Die Konzerne haben unrechtmäßig zu wenig Steuern gezahlt. Auf die Frage, ob die US-Justiz wohl nun mittels der Strafe gegen die Deutsche Bank Vergeltung übe, sagte Vestager kürzlich in einem Interview: „Das ist schwer zu sagen. Es sind zwei völlig verschiedene Vorgänge, die nur eines verbindet: Beide müssen vor Gericht Bestand haben.“ Auch im Umfeld der Kommission wird eher die These vertreten, dass die Forderung an die Deutsche Bank nicht als Antwort auf den Fall Apple zu sehen ist. Es heißt aber, die Großwetterlage für die Handelsbeziehungen habe sich eingetrübt.

EU-Parlamentarier vermuten eine Retourkutsche

Der Handelsexperte im Europaparlament, Markus Ferber (CSU), sieht die Sache dagegen ernster: „Der Zeitpunkt und die Höhe der Strafe muten wie eine Retourkutsche an.“ US-Behörden beklagten sich schon länger über eine vermeintliche Ungleichbehandlung. Dabei übersähen die USA, dass die Kommission gar nicht direkt gegen Apple vorgehe, sondern gegen den irischen Staat, der Apple rechtswidrig ein Steuerprivileg verschafft hat. Ferber verlangte von den USA deshalb Mäßigung: „Ich kann die USA nur zu Zurückhaltung aufrufen.“

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD) weist darauf hin, wie weit die Positionen in Brüssel und Washington auseinanderliegen. „Wir haben völlig unterschiedliche Ideologien in der Wirtschaftspolitik“, sagte er. Die EU-Kommission etwa kämpfe für Wettbewerbsgleichheit im Binnenmarkt und ahnde unzulässige Staatsbeihilfen. „In den USA stehen die Bundesstaaten ungeniert miteinander im Wettbewerb, wer Unternehmen die günstigsten Angebote macht.“

Offiziell versuchen beide Seiten zu beschwichtigen

US-Präsident Barack Obama will von einem Handelskrieg dagegen nichts wissen. Das nütze niemandem, sagte er kürzlich in seiner Abschiedsrede vor der Vollversammlung der Vereinigten Nationen. Auch Vestager unterstrich erst diese Woche in New York das gemeinsame Interesse von Europäern und Amerikanern, eine transatlantische Handelsauseinandersetzung zu vermeiden. Sie hoffe, EU und amerikanische Regierung seien sich weiter einig, was die Bekämpfung der internationalen Steuerflucht angehe, sagte die EU-Wettbewerbskommissarin in einem Bloomberg-Interview.

Das klingt versöhnlich, schafft die Meinungsverschiedenheiten aber nicht aus der Welt. Washington wirft der EU-Kommission weiter vor, sich als supranationales Finanzamt aufzuspielen. Brüssel argumentiert dagegen, das Vorgehen richte sich allein gegen Steuergeschenke an einzelne Unternehmen. Vestager sprach von einer Kollision gegensätzlicher Auffassungen auf beiden Seiten des Atlantiks: „Wir werden weiter geteilter Meinung über diese Entscheidung bleiben, weil wir sehr, sehr unterschiedliche rechtliche Traditionen haben.“

Die Fronten sind verhärtet

Auch die amerikanische Seite sieht derzeit unüberbrückbare Gegensätze. Orrin Hatch, Vorsitzender des Finanzausschusses im US-Senat, sagte nach einem Gespräch mit Vestager, die Kommissarin habe ihn nicht von der Brüsseler Position im Streit mit Apple überzeugen können. Statt mit anderen Ländern bei der Bekämpfung der Steuerflucht zusammenzuarbeiten, gehe die Kommission gegen ein US-Unternehmen vor, indem im Nachhinein die Regeln geändert würden. Schon länger warnen die USA die Europäer davor, mit Steuerforderungen an US-Unternehmen gefährliche Präzedenzfälle zu schaffen. Ende August erklärte das Finanzministerium in Washington, es werde sich „potenzielle Antworten“ auf das Vorgehen der europäischen Steuerjäger zurechtlegen.

Der grüne Wirtschaftspolitiker Reinhard Bütikofer mahnt Europa trotz allem zu mehr Selbstbewusstsein: „Wir sollten nicht jedes Mal in Sorge vor einem Handelskrieg schreckerfüllt zurückstecken, wenn ein US-Unternehmen zetert.“ Die richtige Haltung sei: „Es ist uns egal, wir bleiben bei unserer Position.“

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