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Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
© dpa

Mehr Geld für Infrastruktur: Investieren gegen Substanzverlust

Eine Expertenkommission schlägt mehr private Beteiligung bei staatlichen Investitionsprojekten vor. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel lobt die Ideen. Einige will die Bundesregierung auch schon bald umsetzen.

Die Bundesregierung will das Investitionsklima in Deutschland verbessern und mit gutem Beispiel vorangehen. Das machten Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag bei einer Veranstaltung in Berlin deutlich, bei der ein von Gabriel in Auftrag gegebener Kommissionsbericht vorgestellt wurde, der nicht zuletzt empfiehlt, mehr privates Kapital auch bei öffentlichen Infrastrukturinvestitionen zu nutzen. Deutschland lebe derzeit von seiner Substanz, sagte Gabriel. Es bestehe sowohl beim Staat als auch bei privaten Unternehmen ein deutlicher Investitionsrückstand. Das hemmt laut Gabriel die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Bund, Länder und Kommunen "müssen mehr tun für den Erhalt von Straßen, Brücken, Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden", vor allem aber auch bei der digitalen Infrastruktur. Hier hinkt Deutschland nach Ansicht des Kommissionsvorsitzenden Marcel Fratzscher, dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), deutlich hinter anderen Ländern her. Gabriel lobte in dem Zusammenhang das von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geplante Milliardenpaket, deutete aber an, dass es eher für Länder wie Spanien, Portugal oder Griechenland sinnvoll sei.
Zwei Maßnahmen, welche die so genannte Fratzscher-Kommission empfiehlt, will die Bundesregierung zügig umsetzen. Zum einen sollen Haushaltsüberschüsse nicht wie bisher in die Schuldentilgung fließen, sondern für mehr Investitionen genutzt werden. Der Bund werde alle Spielräume, die er durch seine nachhaltige Haushaltspolitik gewinne, für zusätzliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur nutzen. Der Überschuss im Jahr 2014 ist zum Teil bereits dafür vorgesehen, nun soll nach Schäubles Worten auch künftig so verfahren werden.

Eine neue Gesellschaft für Bundesfernstraßen?

Zweitens plant der Bund, die Bundesautobahnen und eventuell auch die Bundesstraßen in eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft einzubringen, die sich vor allem aus zwei Quellen finanzieren soll: der geplanten Pkw-Maut (offiziell Infrastrukturabgabe genannt) und privatem Kapital. Die Gesellschaft soll nach den Empfehlungen der Kommission Bundesfernstraßen planen, bauen und erhalten. Die Kreditaufnahme der Gesellschaft, die über Anleihen oder Genussscheine erfolgen würde, dürfe aber nicht mit einer staatlichen Garantie verbunden sein, um nicht die Vorgaben des Maastricht-Vertrages zu verletzen. Gleichzeitig soll aber die öffentliche Kontrolle durch Ministerien und Bundestag gewahrt werden. Eine Privatisierung von Fernstraßen ist nicht geplant. Vorbild könnte die österreichische Asfinag sein, eine privatrechtlich organisierte Betreibergesellschaft in Bundesbesitz. Der Vorschlag einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft findet sich auch in einem Papier Schäubles für die Finanzverhandlungen mit den Ländern. Der Minister wies darauf hin, dass für deren Einrichtung das Grundgesetz geändert werden müsse. Denn die Verwaltung der Bundesstraßen ist Länderaufgabe. In Länderkreisen klang hierzu am Dienstag bereits erste Skepsis an, eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat dürfte daher noch nicht sicher sein. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms äußerte sich skeptisch. Sie befürchtet eine "Straßenneubaumaschine", die nur mehr Geld verbrenne.

Neue Fonds sollen Kapital sammeln

Zu den weiteren Vorschlägen der Kommission, privates Kapital für öffentliche Investitionen zu mobilisieren, gehört ein öffentlicher Infrastrukturfonds des Bundes und der Länder, der quasi als Kapitalsammelstelle fungiert und größere Projekte finanziert. Vor allem große institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds könnten hier bei besseren Renditen als bei normalen Staatsanleihen ihr Geld anlegen - auf eigenes Risiko. Zudem hat die Fratzscher-Kommission einen Bürgerfonds ins Gespräch, der ebenfalls für öffentliche Projekte Geld sammeln soll, aber eben nicht bei Großinvestoren, sondern vor allem bei "individuellen Sparern". Der Fonds soll bei "vertretbarem Risiko" Renditen zusichern, die über denen für Sparkonten liegen. Offenbar wird daran gedacht, einerseits eine Kapitalsicherung zu garantieren, dafür aber Zinsen unterhalb vergleichbarer Investitionen zu zahlen. Die Anlagezeiträume wären relativ lang, praktisch handelte es sich um eine Art geschlossenen Fonds, denn große Schwankungen im Volumen wären kaum tragbar oder müssten staatlicherseits ausgeglichen werden.

Gabriel will Kommunen stärken

Gabriel betonte, dass vor allem die Investitionskraft der Kommunen wieder gestärkt werden müsse. Sie haben nach den Worten des Ministers früher zwei Drittel der öffentlichen Baumaßnahmen getragen, heute seien es noch 40 bis 50 Prozent. Das liegt nicht zuletzt an den höheren Sozialausgaben, die ihnen der Bund auferlegt hat. Nun übernimmt der Bund wieder mehr Soziallasten, wie zuletzt die Grundsicherung im Alter. Die Fratzscher-Kommission schlägt zur zusätzlichen Stärkung der kommunalen Finanzkraft drei Maßnahmen vor. Zum einen sollte, über die schon beschlossenen Hilfen des Bundes hinaus, ein Nationaler Investitionspakt geschaffen werden - Fratzscher forderte ein Volumen von 15 Milliarden Euro, um den "Substanzverzehr" bei Straßen oder Brücken aufzufangen. Zweitens sollte eine neue Infrastrukturgesellschaft für Kommunen diese bei der Planung von Vorhaben und bei der Beschaffung unterstützen, um die Wirtschaftlichkeit der Projekte zu erhöhen. Gabriel wies darauf hin, dass Städte und Gemeinden in den letzten Jahren Personal in den Bauabteilungen abgebaut hätten. Der dritte Vorschlag zielt darauf, die Kooperation von Kommunen bei Projekten besser zu bündeln und zu unterstützen. Der Deutsche Städtetag und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen reagierten positiv auf die Vorschläge.

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