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Der Handel muss strengere Auflagen erfüllen und hofft auf Unterstützung.
© Sebastian Gollnow/dpa
Update

Altmaier stellt Konjunkturprognose vor: Infiziert der Teil-Lockdown die gesamte Wirtschaft?

Der erste Lockdown ging mit einem beispiellosem Konjunktur- und Börseneinbruch einher. Es gibt Hoffnung, dass es diesmal anders wird.

Als die Weltwirtschaft im Frühjahr in den Lockdown taumelte, ließ die Reaktion an den Börsen nicht lange auf sich warten. Vom 19. Februar bis zum 19. März rutschte der Dax von fast 13.800 auf rund 8600 Punkte ab – mehr als ein Drittel des Marktkapitals war binnen eines Monats weggebrochen. Nun steht ein zweiter, wenn auch anderer Lockdown an.

Wie dramatisch werden die Folgen diesmal sein? Trifft der Teil-Lockdown nur die unmittelbar betroffenen Branchen oder wird er die ganze Volkswirtschaft anstecken?

Die deutsche Industrie rechnet jedenfalls mit spürbaren Folgen für die Konjunktur. „Die Beschlüsse werden die Wirtschaftsaktivität und Verbraucherstimmung im November stark beeinträchtigen“ kommentiert der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, am Donnerstag in Berlin. „Auch wenn ein kompletter Lockdown richtigerweise ausgeschlossen wird, werden die Maßnahmen die vorübergehende konjunkturelle Erholung dämpfen.“

Kempf bezeichnet die gravierenden Einschnitte ins öffentliche Leben, die am Vortag von Bund und Ländern beschlossen wurden, als „sehr schmerzhaft“, äußert aber auch Verständnis für die Maßnahmen: „Der Politik liegt erkennbar daran, wirtschaftliche Aktivität weitestgehend am Laufen und die öffentlichen Einrichtungen offen zu halten.“ Ohne ein Eingreifen „würden in Kürze noch viel schlimmere gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen eintreten“.

Handel sieht sich benachteiligt

Ähnlich wie Kempf äußert sich die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak: Die Maßnahmen „treffen die deutsche Wirtschaft hart, erscheinen aber angesichts der stark gestiegenen Infektionszahlen unvermeidbar“.

Unzufrieden zeigte sich der Handel. Zwar dürfen Geschäfte weiterhin geöffnet bleiben, müssen aber strengere Auflagen erfüllen und fürchten wegen der angespannten Situation Umsatzeinbußen als indirekte Folge. Der Handelsverband Deutschland (HDE) fordert von der Bundesregierung deshalb auch stark durch den Teil-Lockdown geschädigte Innenstadthändler in das geplante, neue Nothilfeprogramm aufzunehmen.

HDE-Präsident Josef Sanktjohanser warnt in Briefen an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), andernfalls würden viele Innenstadthändler nicht überleben und „in der Folge auch ganze Stadtzentren mit in den Abgrund reißen“. Das zur Eindämmung der Pandemie notwendige, weitgehende Herunterfahren des öffentlichen Lebens komme für viele Innenstadthändler „einem faktischen Lockdown“ gleich.

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Vor allem bei vielen Textilhändlern seien die finanziellen Reserven mittlerweile aufgebraucht. In das Nothilfeprogramm aufgenommen werden sollten nach Einschätzung des Branchenverbandes alle Händler, die durch den Teil- Lockdown im November direkt oder indirekt einen Umsatzausfall von 70 Prozent erleiden.

Hoffnung auf die Umsatzerstattung

Die nach den Beschlüssen vom Mittwoch nun zum Schließen gezwungenen Branchen sehen angespannt auf die kommenden vier Wochen. „Bitter“ sei die Schließung der Gastronomien und das Verbot aller touristischen Übernachtungen, sagt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Hotellerie- und Gaststättenverbandes Dehoga. „Viele Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand, die Verzweiflung wächst.“ Der Kinoverband HDF warnte, die neuen Maßnahmen würden „weitere Häuser die Existenz kosten“.

Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Dehoga, begrüßt die neuen Finanzhilfen des Bundes.
Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Dehoga, begrüßt die neuen Finanzhilfen des Bundes.
© DEHOGA Bundesverband/Svea Pietschmann

Gleichzeitig hoffen viele Betroffene auf die zugesagten Umsatzerstattungen. Kleine Unternehmen sollen laut den Angaben der Bundesregierung bis zu 75 Prozent des Vorjahresumsatzes im November vom Bund ausgezahlt bekommen, größere Firmen ab 50 Mitarbeitern bis zu 70 Prozent. Allerdings sind dazu bislang kaum Details bekannt.

"Das ist das Mindeste"

„Die zugesagte außerordentliche Wirtschaftshilfe, die betroffene Unternehmen für finanzielle Ausfälle im November entschädigen soll, ist zu begrüßen“, sagt Hartges dazu und fordert, dass die Hilfen „für alle Unternehmen der Gastronomie, Hotellerie und der Cateringwirtschaft schnell und unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden“.

Für Christine Berg, Vorständin des HDF, ist es „das Mindeste, dass die Politik jetzt denjenigen Wirtschaftszweigen, denen sie erneut die Geschäftsgrundlage entzieht, zumindest bei den Umsatzausfällen stark unter die Arme greift“. Sie traut den Versprechen allerdings noch nicht. Die Erfahrungen der vergangenen Monate hätten gezeigt, dass viele Kinobetreiber immer wieder durch sämtliche Förderraster gefallen seien. „Das Vertrauen ist enorm beschädigt.“

Es ist nicht wie im Frühjahr

Trotz dieser Skepsis ist man in der Bundesregierung überzeugt, dass der erneute Lockdown nicht zu einer Konjunkturkrise wie im März führt. Die deutsche Wirtschaft sei stabil, sagt Altmaier am Donnerstag. Im Frühjahr hätten weltweit die Lieferketten stillgestanden, führt er weiter aus. Diesmal seien nur einige, wenige Branchen betroffen – und die Folgen deshalb weniger dramatisch.

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Altmaier sagt das im Wissen der neuesten Konjunkturprognose der Bundesregierung, die er eigentlich bereits am Mittwoch präsentieren wollte. Aufgrund des Treffens von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten tat er das nun am heutigen Freitag. Der Bund geht nun von einem Minus von 5,5 statt wie bisher erwartet von 5,8 Prozent aus. Wie schnell die Wirtschaft wieder wachse hänge maßgeblich von der Entwicklung der Infektionszahlen ab, sagte Altmaier dazu.

Dax am Donnerstag schon wieder leicht im Plus

Auch an der Börse ist ein Absturz wie im Frühjahr nicht abzusehen. Zwar verlor der Dax am Mittwoch rund vier Prozent und hat damit in der zurückliegenden Woche etwa 1000 Punkte eingebüßt. Am Donnerstag stoppte der Abwärtstrend allerdings und der deutsche Leitindex konnte sogar leicht zulegen; am Freitag startete er auf gleichbleibendem Niveau in den Handel.

Börsen-Experten zeigen sich nach der Entscheidung zum Teil-Lockdown weiterhin verhalten optimistisch. „Wir erwarten weiterhin eine Erholung, die aber immer wieder von Rückschlägen durchbrochen wird“, sagt etwa Joachim Schallmayer, Chef-Stratege der Deka-Bank. Den neuen Lockdown bezeichnet er als „Katastrophe“ für die besonders betroffenen Branchen wie Gastronomie und Tourismus.

Auf der anderen Seite hebt er hervor: „Das verarbeitende Gewerbe und der Einzelhandel scheinen dieses Mal nicht so stark direkt betroffen zu sein.“ Hinzu kommt aus seiner Sicht, dass die Märkte in Asien sich stabil halten – was wichtig sei für den deutschen Export.

Scholz glaubt, die Maßnahmen reichen aus.

Deutlich skeptischer ist Felix Herrmann, Investment-Stratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei Blackrock. Er geht zwar ebenfalls davon aus, dass die wirtschaftlichen Folgen des neuen Lockdowns geringer sein werden als beim ersten Mal im Frühjahr.

Trotzdem warnt er: „Die Märkte müssen sich jetzt erst einmal darauf einstellen, dass der Aufschwung der letzten Monate vorbei ist.“ Dabei wären einschneidende, aber zeitlich begrenzte Maßnahmen aus seiner Sicht weniger schädlich als eine weiter anhaltende Unsicherheit angesichts steigender Infektionszahlen.

Für die Betroffenen sind die Maßnahmen schon jetzt einschneidend. Aus Sicht von Scholz genügt das jedenfalls schon für die gewünschte Wirkung. Auf die Frage, was für finanzielle Hilfen er parat hat, falls der Teil-Lockdown nicht die erhoffte Wirkung zeigt, sagt er: „Wir machen Maßnahmen, weil wir glauben, dass sie wirken.“ (mit HB, dpa)

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